März 2024 Blog

„KI und Arbeitsrecht“ - Individualarbeitsrechtliche Aspekte (1. Teil)

Immer mehr Unternehmen arbeiten im Bereich Human Resources und im operativen Geschäft mit Künstlicher Intelligenz (KI). Für Arbeitgeber gibt es im Individualarbeitsrecht und im Betriebsverfassungsrecht zahlreiche Stolperfallen, die es bei der Einführung und Anwendung von KI zu vermeiden gilt. Unsere dreiteilige Beitragsserie „KI und Arbeitsrecht“ zeigt praxistaugliche Lösungen auf, wie eine rechtsichere Umsetzung gelingen kann.

Der folgende Beitrag beleuchtet die individualarbeitsrechtlichen Aspekte bei der Einführung und Nutzung von KI. In den kommenden Newslettern werden zudem das Thema „Diskriminierung durch KI“ und betriebsverfassungsrechtliche Aspekte vorgestellt.

Individualarbeitsrechtliche Aspekte

Erbringung der Arbeitsleistung mittels KI

In den wenigsten Unternehmen dürften derzeit formelle Vorgaben für Arbeitnehmer hinsichtlich der Nutzung von KI existieren. Nutzen Arbeitnehmer KI wie ChatGPT ohne Wissen und Billigung des Arbeitgebers zur Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben, stellt sich zunächst die Frage, ob sie dadurch gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.

Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung

Gem. § 613 Satz 1 BGB haben Arbeitnehmer ihre „Dienste im Zweifel in Person zu leisten“. Der Arbeitgeber darf davon ausgehen, dass keine andere Person anstelle des Arbeitnehmers die Arbeitsleistung erbringt. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer regelmäßig gerade wegen dessen besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten eingestellt. Zudem ist im Arbeitsverhältnis nicht ein Arbeitsergebnis, sondern die Arbeitsleistung als Vorgang geschuldet. Fraglich ist, ob diese gesetzlichen Vorgaben eingehalten sind, wenn z.B. ein angestellter Marketingmitarbeiter einen Text von ChatGPT erstellen lässt.

Teilweise wird es als zulässig erachtet, wenn Arbeitnehmer ohne Wissen und Billigung des Arbeitsgebers ihre Arbeitsleistung mittels KI erbringen. Dies Auffassung wird damit begründet, dass es sich bei KI um keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern lediglich um ein technisches Hilfsmittel zur Erbringung der Arbeitsleistung handelt (vergleichbar einem Textverarbeitungsprogramm). Der Schutzzweck des § 613 Satz 1 BGB steht jedoch zumindest einer vollständigen Übertragung der eigentlich vom Arbeitnehmer zu bearbeitenden Aufgaben auf KI entgegen. Zulässig erscheint dagegen – vorbehaltlich eines ausdrücklichen Verbots durch den Arbeitgeber –, wenn Arbeitnehmer kleinere Teilaufgaben von KI erledigen lassen und ihre eigentlichen, die Tätigkeit prägenden Aufgaben, selbst bearbeiten. Die Grenzziehung wird im Einzelfall nicht leicht sein. Angesichts dieser Rechtsunsicherheit sollte der Arbeitgeber Leitlinien zum Umgang mit KI am Arbeitsplatz aufstellen.

Nebenvertragliche Pflicht zur Offenlegung

Für den Arbeitgeber birgt es erhebliche rechtliche Risiken, wenn Arbeitnehmer öffentlich zugängliche und selbstlernende KI wie ChatGPT zur Erledigung der arbeitsvertraglichen Aufgaben nutzen. ChatGPT speichert die gestellten Fragen und Ergebnisse, um künftig – möglicherweise für die Konkurrenz des Arbeitgebers – bessere Ergebnisse zu erstellen. Mithin besteht die Gefahr der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen und Datenschutzverletzungen, wenn Arbeitnehmer vertrauliche Informationen bzw. personenbezogene Daten in die An-weisungen an die KI (sog. „Prompts“) eingeben.

Ferner greift ChatGPT auf Werke Dritter zurück, ohne die verwendeten Quellenangaben anzugeben, sodass die Verletzung von Urheberrechten droht. Darüber hinaus ist aber auch fraglich, wer Inhaber des Urheberrechts an Werken ist, die KI neu und autonom erstellt hat. Neben den Arbeitsvertragsparteien könnte hier z.B. auch der Entwickler der KI als Inhaber des Urheberrechts in Betracht kommen.

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Risiken für den Arbeitgeber, sind Arbeitnehmer verpflichtet, offenzulegen, wenn sie die Arbeitsleistung mittels KI erbringen. Hierbei handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB, wonach die Arbeitsvertragsparteien verpflichtet sind, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen.

Vorgaben des Arbeitgebers zur Nutzung von KI

Der Arbeitgeber kann auf Grundlage seines Direktionsrechts nach § 106 GewO entscheiden, ob im Unternehmern KI genutzt werden darf bzw. muss. Das Direktionsrecht umfasst auch die Frage, wie KI genutzt wird. Es hat sich bewährt, entsprechende Vorgaben im Wege einer umfassenden KI-Richtlinie zu implementieren. Mit Blick auf die vielfältigen rechtlichen Risiken der Nutzung von KI für den Arbeitgeber sollten jedenfalls folgende Aspekte geregelt werden:

  • Festlegung des Anwendungsbereichs der KI-Richtlinie: Vorgabe, welche KI-Systeme genutzt werden dürfen. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten des Begriffs der KI bietet es sich an – sofern nicht die Nutzung sämtlicher KI-Systeme erlaubt werden soll – die zulässigen KI-Systeme ausdrücklich zu benennen.
  • Festlegung zulässiger Use Cases: Vorgabe der Fallkonstellationen, Abläufe, Prozesse etc., bei denen die zulässigen KI-Systeme angewendet werden dürfen bzw. müssen.
  • Vorgabe, ob und inwieweit KI-Systeme von den Arbeitnehmern freiwillig genutzt werden dürfen oder verpflichtend zu nutzen sind.
  • Verbot der Verwendung von Geschäftsgeheimnissen oder sonstiger vertraulicher Informationen.
  • Verbot der Verwendung personenbezogener Daten: Sämtliche Sachverhalte sind in personenunabhängiger und anonymisierter Form darzustellen.
  • Pflicht zur Offenlegung der KI-Nutzung: Ausdrückliche Vorgabe zur Offenlegung gegenüber der Führungskraft.
  • Pflicht zur Endkontrolle: Arbeitnehmer müssen die mithilfe von KI erstellten Arbeitsergebnisse auf potenzielle Rechtsverstöße (z.B. Verletzung von Urheberrechten) und auf inhaltliche Richtigkeit überprüfen.

Arbeitgeberentscheidungen durch KI

Entscheidungen des Arbeitgebers werden schon heute in vielen Bereichen von KI-Systemen getroffen. Die Grenze des Zulässigen bestimmt das Verbot automatisierter Einzelentscheidungen nach Art. 22 DSGVO. Entscheidungen dürfen danach nicht allein auf eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gestützt werden, wenn sie für den Betroffenen eine rechtliche Folge nach sich ziehen oder ihn in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen.

Ausübung des Direktionsrechts durch KI

Aus rechtlicher Sicht ist die Übertragung des Direktionsrechts auf KI grundsätzlich zulässig, solange die Weisung im Ergebnis der Billigkeit nach § 106 GewO entspricht. Soweit die von der KI erteilten Weisungen lediglich die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitspflicht konkretisieren, steht auch Art. 22 DSGVO nicht entgegen. In diesem Fall werden dem Arbeitnehmer keine neuen Pflichten auferlegt und seine Rechtsposition ändern sich nicht. Etwas anderes gilt hingegen bei Weisungen, die die Rechtpositionen der Arbeitnehmer erheblich beeinträchtigen. Unzulässig dürften z.B. die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder die Anordnung von Überstunden sein.

Abmahnung und Kündigung durch KI

Das Verbot automatisierter Einzelentscheidungen gem. § 22 DSGVO steht dem Ausspruch von Abmahnungen und erst recht von Kündigungen durch KI in jedem Fall entgegen. Beide Maßnahmen beeinträchtigen den Arbeitnehmer erheblich und sind daher von einem Menschen zu treffen.

Zulässig ist allerdings die (bloße) Vorbereitung von betriebsbedingten Kündigungen durch KI, wie z.B. das Aufstellen von Punktetabellen durch KI.

Praxishinweis

Zusammengefasst bleibt KI in der Personalarbeit in erster Linie auf Vorbereitungshandlungen und Handlungsempfehlungen beschränkt. Die finalen Entscheidungen sind weiterhin von Menschen zu treffen.

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!