Juni 2023 Blog

Richtlinien­vorschlag zur Angleichung von Straftat­beständen und Sanktionen bei Verstößen gegen EU-Embargos

Der EU-Ministerrat legte am 9. Juni 2023 seinen Entwurf für eine Richtlinie zur europaweiten Harmonisierung von Straftatbeständen und sonstigen Sanktionen bei Verstößen gegen EU-Embargovorschriften vor. Dieser Entwurf dient nun als Grundlage für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament.

Hintergrund

Die Durchsetzung von EU-Embargos und -Sanktionen liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Hierunter fallen nicht nur Kontrollmaßnahmen, sondern auch die Ahndung von Verstößen gegen Sanktionsvorschriften. Gegenwärtig variieren sowohl Art als auch Höhe der Strafmaßnahmen, da sich der Umgang mit Zuwiderhandlungen gegen EU-Embargovorschriften auf mitgliedstaatlicher Ebene voneinander unterscheidet. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet sind, einen Verstoß gegen die EU-Sanktionsbestimmungen überhaupt unter Strafe zu stellen, sondern einen solchen auch als bloße Ordnungswidrigkeit ahnden können. 

Der Ministerrat hat mit Beschluss (EU) 2022/2332 vom 28. November 2022 festgestellt, dass Verstöße gegen EU-Sanktionsvorschriften zu dem Kriminalitätsbereich gehören, der eine grenzüberschreitende Dimension im Sinne des Art. 83 Abs. 1 AEUV hat. Mithin wurde dem europäischen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in diesem Bereich festzulegen.

Daraufhin legte die Europäische Kommission einen entsprechenden Richtlinienvorschlag am 2. Dezember 2022 vor. Hierauf aufbauend, veröffentlichte der Rat am 9. Juni 2023 seinen eigenen Entwurf einer entsprechenden Richtlinie. Diese sogenannte allgemeine Ausrichtung bildet nun die Grundlage für die weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament, um schließlich zu einem gemeinsamen Standpunkt zu dem Gesetzesentwurf zu gelangen.

Ziel der Richtlinie ist es, durch die Festlegung von Mindeststandards an die Verfolgung von Sanktionsverstößen sicherzustellen, dass eine wirksame Anwendung der EU-Sanktionsregime in der gesamten Union gewährleistet ist. Hierbei möchte man sich insbesondere die generalpräventive Wirkung von Strafvorschriften zu Nutze machen, um Marktteilnehmer zu einem sanktionsrechtkonformen Verhalten zu bewegen.

Wesentliche Bestimmungen des Richtlinienentwurfs

Kernvorschrift des Richtlinienentwurfes ist Art. 3, der in seinem Abs. 1 die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ihr nationales Strafrecht dergestalt anzupassen, dass ein vorsätzlicher Verstoß gegen EU-Sanktionsvorschriften strafrechtlich sanktioniert ist, mithin eine Straftat darstellt. Hierbei ist es unerheblich, ob ein Verstoß gegen Sekundärrecht der Union oder bloß gegen einen nationalen Umsetzungsakt vorliegt. Allerdings ist die Verpflichtung zur Begründung einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit von Verstößen auf eine bestimmte, enumerativ aufgeführte Anzahl konkreter Vergehen begrenzt. Es sind folglich nicht alle Verstöße gegen EU-Embargo-Vorschriften zukünftig unter Strafe zu stellen. Gem. Abs. 2a-2c kann der Mitgliedstaat von der Strafbarkeit einer in Abs.1 aufgezählten Handlung sogar absehen, insoweit der Verstoß im Zusammenhang mit Geldern, wirtschaftlichen Ressourcen, Waren, Dienstleistungen, Transaktionen oder Tätigkeiten im Wert von weniger als 10.000 EUR erfolgte oder mangels wertmäßiger Bezifferbarkeit jedenfalls von einem geringfügigen Verstoß auszugehen ist.

Ebenfalls unter Strafe zu stellen ist nach Art. 4 Abs.1 sowohl die Beihilfe als auch die Anstiftung zu den in Art. 3 aufgezählten Straftaten. Eine Versuchsstrafbarkeit fordert Art. 4 Abs. 2 hingegen nur hinsichtlich einzelner Straftatbestände.

Art. 5 des Richtlinienentwurfs legt unterschiedliche Mindesthöhen des Strafrahmens je nach Schwere des Tatvorwurfs bei Verstößen durch natürliche Personen fest. Die Höchststrafe jedes Straftatbestandes muss stets eine Freiheitsstrafe vorsehen (Art. 5 Abs. 2), wobei im Mindestmaß auch eine Geldstrafe möglich ist (Art. 5 Abs. 5). Im Höchstmaß sind Strafen von bis zu mindesten fünf Jahren vorgesehen.

Art. 6 und Art. 7 regeln demgegenüber Maßnahmen gegen juristische Personen bei Verstößen gegen EU-Sanktionsvorschriften. Art. 7 Abs. 2 verpflichtet hierbei die Mitgliedstaaten, Verstöße mit Geldstrafen oder Geldbußen zu ahnden, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes und der individuellen Situation der jeweiligen juristischen Person stehen. Die Höhe der Strafe hängt im Einzelfall also mit der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit der Beschuldigten zusammen. Hierbei legt der Richtlinienentwurf auch eine untere Grenze für das Höchstmaß der Geldstrafe bzw. Geldbuße fest.

Schließlich werden noch Vorschriften zur Sicherstellung und Einziehung sowohl von Taterträgen als auch von Tatwerkzeugen gemacht (Art. 10) und Mindestanforderungen an die Dauer der Verjährungsfristen gestellt (Art.12).

Umsetzung in nationales Recht

Beim Richtlinienentwurf des Rates handelt es sich um eine mindestharmonisierende Richtlinie, die lediglich Minimalanforderungen an die Strafbarkeit von Verstößen gegen das EU-Embargo-Regime festlegt. Es bleibt somit jedem einzelnen Mitgliedstaat unbenommen, seine Strafvorschriften strenger auszugestalten, als es der gegenwärtige Entwurf vorsieht.

Eine Verabschiedung der Richtlinie wird jedoch zwingend zur Folge habe, dass jeder Mitgliedstaat sein gegenwärtiges Strafrechtsregime in Bezug auf Sanktionsverstöße einer eingehenden Überprüfung dahingehend unterziehen wird müssen, inwieweit dieses den Anforderungen der Richtlinie bereits gerecht wird. Die notwendigen Anpassungen sind dann innerhalb der gegenwärtig geplanten Umsetzungsfrist von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vorzunehmen.

Ausblick

Der Beschluss des Rates vom 28. November 2022 und die damit einhergegangene Einbeziehung von Sanktionsverstößen in den Kreis der Straftaten nach Art. 83 Abs. 1 AEUV hat zum einen die Tür zur europäischen Harmonisierung des Strafrechts im Bereich der Sanktionskontrolle geöffnet.  Zum anderen bietet sich nun aber auch die Möglichkeit, die Strafverfolgung solcher Zuwiderhandlungen gegen Sanktionsvorschriften der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) zu übertragen und damit die Verfolgungskompetenz auf EU-Ebene zu zentralisieren. Da es hierfür eines Beschlusses nach Art. 86 Abs. 1 AEUV bedarf, wird sich jedoch erst zeigen müssen, ob sich die erforderlichen Mehrheiten mobilisieren lassen. Justizminister Marco Buschmann und sein französischer Amtskollege Éric Dupond-Moretti sprachen sich in einem Gastbeitrag jedenfalls bereits im November vergangenen Jahres für ein solches Vorgehen aus.

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