Dezember 2016 Blog

Städtebaunovelle – Erleichterungen für den Wohnungsbau (?)

Im ablaufenden Jahr wurde viel über planungsrechtliche Erleichterungen für den Wohnungsbau diskutiert. Ende November hat die Bundesregierung nun eine Gesetzesvorlage auf den Weg gebracht, mit der vor allen ein neuer Baugebietstyp in die Baunutzungsverordnung (BauNVO) eingeführt werden soll: das Urbane Gebiet.

Kommunen und der Wohnungswirtschaft verbinden mit dem Gebietstyp „Urbanes Gebiet“ die Hoffnung, Wohnnutzungen auch in innerstädtischen, zentral gelegenen Bereichen zu verwirklichen. Hier gibt es häufig nachzunutzende Flächen. Entwicklungen zeigen, dass viele Menschen die Zentralität der Städte auch zum Wohnen schätzen; „Arbeiten“ und „Wohnen“ sollen nicht mehr getrennt sein; auch die Mischung mit gewerblichen, kulturellen und sonstigen Nutzungen sowie die Anbindung zum Öffentlichen Personennahverkehr wird geschätzt. Das geltende Planungsrecht vermag diesen Zielen kaum gerecht zu werden. Das Trennungsgebot ist bis jetzt ein zentraler Planungsleitsatz. Die BauNVO und die Konkretisierungen des Immissionsschutzrechts (z.B. zum Lärmschutz) sehen vor, dass unterschiedliche Nutzungsfunktionen örtlich getrennt zu verwirklichen sind. V.a. Wohnnutzungen sind im städtischen Bereich als Regel nur in Wohngebieten zulässig; in Mischgebieten dürfen sie „quantitativ und qualitativ“ gewerbliche Nutzungen nicht überwiegen. In sonstigen Gebietstypen, z.B. den Kerngebieten in den Ortskernen, sind Wohnnutzungen nur ausnahmsweise zulässig. Hinzu kommt, dass in Wohngebieten gesetzlich nur eine geringe Verdichtung vorgesehen ist. Für Lärm von benachbarten Gewerbebetrieben sowie Straßen- und Schienenverkehr gelten derzeit für die Neuplanung Richt- und Grenzwerte, die in gewachsenen städtischen Strukturen in der Regel nicht eingehalten werden (können).

Im neuen Gebietstyp des „Urbanen Gebiets“ sollen sich Wohn- und Gewerbenutzungen mit (nicht großflächigem) Einzelhandel, Büro, kulturellen, sozialen und sonstigen Einrichtungen mischen. Dabei wird eine Gleichgewichtigkeit der Nutzungsarten ausdrücklich nicht verlangt. Auch wird darauf verzichtet – anders als noch im Referentenentwurf aus dem Sommer – eine kleinräumige Nutzungsmischung vorzuschreiben. Es bleibt den planenden Gemeinden überlassen, ggf. durch Gliederungen des Gebietes oder innerhalb der Geschossigkeit der Gebäude hierzu Vorgaben zu machen. Die Verdichtung soll in ähnlichem Maße wie in Gewerbe- und Industriegebieten, bzw. in Kerngebieten zulässig sein. Die einzuhaltenden Lärmwerte liegen höher als in einem Mischgebiet. Insoweit nimmt der Gesetzentwurf sehr viel auf von der Kritik insbesondere der Kommunen und Interessenverbände der Wohnungswirtschaft.

Es bleibt abzuwarten, ob dieses Konzept, das mit vielen planungsrechtlichen Grundprinzipien bricht, so – geplant ist: bis Mitte 2017 – in Kraft treten wird und ob es tatsächlich ein geeignetes Mittel sein wird, um auf den jedenfalls im städtischen Bereich unbestritten hohen Wohnungsneubaubedarf angemessen und effektiv zu reagieren. Denn der Entwurf sieht klar vor, hiermit den Kommunen ein Planungsinstrument an die Hand zu geben: Die „Erleichterungen“ sollen nur für durch Bebauungsplan ausdrücklich begründet „Urbane Gebiete“ gelten; sogenannte „faktische Urbane Gebiete“ will der Gesetzes- und Verordnungsgeber jedenfalls bis Mitte 2019 ausdrücklich ausschließen. Die jeweils planende Gemeinde muss also analysieren und abwägen, ob hier (u.a.) Wohnen zu den neuen Bedingungen zugelassen werden soll. Ob die Änderungen die erhoffte Wirkung entfalten, hängt also vom Gebrauch durch die Gemeinden ab.

Der vereinfachten Zulassung von Wohnnutzunge im bisher unbeplanten Innenbereich gilt eine Änderung im insoweit maßgeblichen § 34 Baugesetzbuch (BauGB): Wenn bestehende bauliche Anlagen nunmehr jeglicher Art zu Wohnzwecken umgenutzt werden, muss sich diese Nutzungsänderung nicht mehr am Kriterium des „Einfügens“ in die Umgebung messen lassen.

Weiter sieht der Gesetzesentwurf vor, dass – zeitlich befristet bis Ende 2019 – Wohnbaugebiete bis zu 10.000 m² auch auf der (an bebaute Ortsteile anschließenden) „grünen Wiese“ in einem vereinfachten Bebauungsplanverfahren ausgewiesen werden dürfen. Dieses ist bisher nur für Nachverdichtungen und Umnutzungen im Innenbereich vorgesehen. Damit kommt der Entwurf der Forderung stärker ländlich und kleinstädtisch geprägter Bundesländer nach. Ob diese Verfahrensvereinfachungen wirklich zu Beschleunigungen führen können, jedenfalls dann, wenn umweltrechtliche Belange von Bedeutung sind, wird sich erst in der Praxis zeigen.

Mit der Städtebaunovelle werden auch europarechtliche Vorgaben zur stärkeren Trennung zwischen sogenannten Störfallbetrieben und sonstigen Nutzungen umgesetzt; die Betriebe sind bei der Bauleitplanung, aber auch bei der Zulässigkeit einzelner Vorhaben zu berücksichtigen. Jedenfalls für bestimmte Nutzungen wird damit der planungsrechtliche Trennungsgrundsatz wieder betont, und so werden möglicherweise diese Vorgaben die Ausweisungen von Urbanen Gebieten und Wohnbaugebieten wiederum einschränken.

Schließlich findet sich in einem neuen § 13a BauNVO die Klarstellung,  dass Ferienwohnungen in der Regel (nicht störende) Gewerbebetriebe bzw. – bei untergeordneter Bedeutung gegenüber der restlichen Nutzung einer baulichen Anlage – (kleine) Beherbergungsbetriebe i.S.d. der §§ 2-7 BauNVO sind. Damit reagiert der Gesetzes- und Verordnungsgeber auf die bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortete Frage, ob Ferienwohnungen in den Baugebietstypen der §§ 2-7 BauNVO zulässig sind. Letztlich beurteilt sich die Zulässigkeit somit weiterhin nach den Vorgaben der BauNVO für den jeweiligen Gebietstyp.

Insgesamt ist dieser Entwurf als mutig zu bewerten: Er nimmt einige der grundsätzlichen Schwierigkeiten für Neubauentwicklungen auf. Ob die neuen Regelungen, wenn sie so in Kraft treten, in der jeweils konkreten – tatsächlichen und politischen – Gemengelage werden helfen können, bleibt abzuwarten. Denn sie erfordern für ihre Umsetzung auch den Mut der planenden Gemeinden und zuständigen Bauverwaltungen.

Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin
Hamburg

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