Mai 2018 Blog

Mieterschutz: 3-jährige Kündigungssperrfrist bei Eigenbedarfskündigung auch ohne Absicht der WEG-Aufteilung anwendbar

In seiner Entscheidung über eine auch in allen Vorinstanzen erfolglose Räumungsklage einer Vermieter-GbR gegen einen langjährigen Mieter einer Altbauwohnung in Frankfurt am Main stellt der BGH klar, dass die Anwendbarkeit der Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1a, Abs. 2 BGB für eine Eigenbedarfskündigung nicht erfordert, dass der Vermieter wenigstens die Absicht einer WEG-Aufteilung hat(te). 

Sachverhalt 

Der Mieter und seine Familie bewohnten seit 1981 eine 160 qm große 4-Zimmer Altbauwohnung in Frankfurt am Main zu einer Nettomiete von zuletzt EUR 856,25, was einer Quadratmetermiete von EUR 5,35/qm netto entspricht (Anm. d. Verf.). Dem Mieter wurde vor Ablauf der Sperrfrist nach § 577a Abs. 1a BGB wegen angeblichen Eigenbedarfs eines Gesellschafters der Vermieter-GbR gekündigt, weil dieser die Wohnung (angeblich) für sich benötige, da er sich von seiner Frau getrennt habe „und als erfolgreicher Immobilienunternehmer repräsentative Wohnräume in einer entsprechenden Wohnlage in der Nähe seines Büros“ benötige, wobei keine der im Kündigungsschreiben im Einzelnen beschriebenen rund 900 (sic!) leer stehenden Wohnungen in Frankfurt dem „gehobenen Lebensstil und den repräsentativen Anforderungen“ des kündigenden Gesellschafters genüge.

Entscheidung

Der geneigte Leser des Urteils wird sich zu Recht fragen, ob die Gründe der Kündigung eher vorrangig im Bereich der Renditeoptimierung liegen als darin, einen frisch geschiedenen Frankfurter Immobilienunternehmer vor unzumutbarer Beherbergung zu bewahren. 

Dass die Klage überhaupt bis zum BGH getragen wurde, stellt der Anwaltschaft jedenfalls kein gutes Zeugnis aus. Anstatt die Sperrfrist nach § 577a Abs. 1a BGB eben abzuwarten, um danach den ohnehin nur auf Rechtsmissbrauch überprüfbaren „Eigenbedarf“ geltend zu machen, wurde die Klage im Kern kaum haltbar damit begründet, die Sperrfrist gelte von vorneherein gar nicht, weil der Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung wenigstens eine Aufteilung in Wohnungseigentum beabsichtigt haben müsse, was im Prozess nicht festgestellt worden sei. Der BGH stellt in einem geharnischtem Beweisgang nun in höchst wünschenswerter Weise klar, dass § 577a Abs. 1a BGB gerade auch in Fällen wie dem vorliegenden Anwendung finden will und dass das postulierte zusätzliche Tatbestandsmerkmal einer WEG-Aufteilungsabsicht des Vermieters nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des § 577a Abs. 1a BGB oder der Intention des Gesetzgebers keine Stütze findet. 

Praxishinweise

Vermieter wissen nun, dass eine Eigenbedarfskündigung vor Ablauf der Sperrfrist keinen Erfolg haben kann. Freilich kann die Sperrfrist nicht nur 3 Jahre betragen, sondern durch Rechtsverordnung nach § 577a Abs. 2 BGB auf bis zu 10 Jahre verlängert werden. Für Frankfurt bestimmt § 1 Abs. 1 S. 1 und S. 2 der Hessischen Verordnung zur Bestimmung von Gebieten mit verlängerter Kündigungsbeschränkung vom 21.07.2004 (GVBl. I S. 262) eine Kündigungssperrfrist von 5 Jahren.

Langjährige Mieter wie der Beklagte mit erheblich unterhalb des Marktes liegender Quadratmetermiete in angespannten Wohnungsmärkten sollten sich auf der anderen Seite klar machen, dass bei einer Personengesellschaft oder Miteigentümergemeinschaft als Vermieter das Risiko einer Eigenbedarfskündigung mit der Zahl der Gesellschafter/Miteigentümer wächst. Erwirbt eine GbR den Mietgegenstand, muss sich der Mieter nüchtern klar machen, dass das Wertschöpfungspotential aufgrund einer Hinauskündigung und anschließenden Neuvermietung wahrscheinlich in die Kaufentscheidung eingepreist wurde. Erst recht muss der Mieter mit einer Eigenbedarfskündigung rechnen, wenn er sich bereits erfolgreich gegen Mieterhöhungsverlangen gewehrt hat. Schon die Mitteilung eines Eigentumswechsels dürfte ein vorsichtiger Mieter in Zeiten wie diesen daher zum Anlass nehmen, eine Rechtschutzversicherung abzuschließen. Auch sollte der Mieter nach einem Eigentümerwechsel umgehend beginnen, etwaige Härtefallgründe zu sammeln und zu dokumentieren, insbesondere ob gleichwertiger Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen verfügbar ist. Sofern er keine Härtefallgründe ins Feld führen kann, sollte er sich auf einen Wohnungswechsel einstellen, es sei denn, er kann den geltend gemachten Eigenbedarf des Vermieters widerlegen.

(BGH, Urteil vom 21.3.2018 – VIII ZR 104/17)

Magnus Dorweiler, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!