September 2013 Blog

Inkrafttreten weiterer Änderungen des Baurechts

Am 20. September 2013 sind weitere Änderungen des Baugesetzbuchs (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) wirksam geworden. Diese Änderungen bilden den verbleibenden Baustein der Baurechts-Novelle vom Frühsommer dieses Jahres. Sie war in Teilen bereits zum 21. Juni 2013 wirksam geworden (siehe GvW-Newsletter Februar und Mai 2013). Einige Übergangsregelungen gelten immer noch.

Die insgesamt sehr breite Palette neuer Regelungen beinhaltet vor allem Feinjustierungen am bestehenden Recht. Sie können im Einzelfall entscheidende neue Impulse liefern oder besondere Herausforderungen mit sich bringen. Grund genug für einen Überblick über die wichtigsten Änderungen:

Änderungen im Bereich der Bauleitplanung
Als neue Leitlinie für die Bauleitplanung regelt § 1 Abs. 5 BauGB, dass von nun an die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können (§ 1a Abs. 2 S. 4 BauGB).

Das Verfahren der Bauleitplanung, dessen einzelne Schritte schon bisher insbesondere zur Verfahrensbeschleunigung auf Dritte übertragen werden konnten, versucht der Gesetzgeber dadurch zu verbessern, dass die Gemeinde einem Dritten nun auch die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung übertragen kann (§ 4b S. 2 BauGB).

Speziell für die Flächennutzungsplanung stellt § 5 Abs. 2 Nr. 2d BauGB neuerdings klar, dass zentrale Versorgungsbereiche auch im Flächennutzungsplan dargestellt werden können.

Im Rahmen der Bebauungsplanung wird die Überschreitung der Obergrenzen von § 17 Abs. 1 BauNVO für die GRZ, GFZ und BMZ durch eine teilweise Neufassung von § 17 Abs. 2 BauNVO erleichtert.

Der neue § 9 Abs. 2b BauGB erweitert die Möglichkeiten der Gemeinden zur Steuerung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten. Die Regelung erlaubt, in einem vereinfachten Verfahren (§ 13 BauGB) für den unbeplanten oder nicht qualifiziert beplanten Innenbereich (oder Teile davon) festzusetzen, ob Vergnügungsstätten (oder bestimmte Arten davon) zulässig, unzulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind. Die Möglichkeit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 2b BauGB eröffnet sich (zusätzlich zu den schon älteren Möglichkeiten insbesondere nach § 9 Abs. 2a BauGB) dann, wenn sie erforderlich ist, um zu verhindern, dass schutzbedürftige Anlagen (wie Wohnnutzungen, Kirchen, Schulen oder Kindertagesstätten) oder die sich aus der vorhandenen Nutzung ergebende städtebauliche Funktion des Gebiets (z. B. durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten) beeinträchtigt werden.

Städtebauliche Verträge (Erschließungsverträge)
Die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige oder nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen kann nach der Neuregelung von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB in einem „normalen“ städtebaulichen Vertrag geregelt werden. Damit geht einher, dass auch die Kosten der Erschließung Gegenstand eines „normalen“ städtebaulichen Folgekostenvertrags (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) sein können. Konsequenterweise gelten dann die für Folgekostenverträge greifenden Restriktionen auch für die Erschließungskosten. Das heißt, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen und Vereinbarungen einer vom Vertragspartner (ggü. der Gemeinde) zu erbringenden Leistung unzulässig sind, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung (der Gemeinde) hätte. Das ist z.B. dann zu prüfen, wenn es darum geht, dass Bauherren auch solche Erschließungsmaßnahmen bezahlen sollen oder wollen, derer es (zumindest nach Art und/oder Umfang) möglicherweise nicht unbedingt bedarf.

Klar geregelt ist in § 11 Abs. 2 S. 3 BauGB von nun an allerdings, dass eine Gemeinde städtebauliche Verträge auch mit Gesellschaften abschließen kann, an denen sie selbst beteiligt ist.

Gemeindliches Vorkaufsrecht
Ein Stück weit erweitert wurde die Möglichkeit der Gemeinden, Vorkaufsrechte zugunsten Dritter auszuüben. Bislang war dies außer zugunsten eines öffentlichen Bedarfs- oder Erschließungsträgers oder zugunsten eines Sanierungs- oder Entwicklungsträgers nur speziell dann möglich, wenn das im Wege der Ausübung des Vorkaufsrechts zu erwerbende Grundstück für Zwecke der sozialen Wohnraumförderung oder die Wohnbebauung für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf genutzt werden sollte. Jetzt kommt die Ausübung eines Vorkaufsrechts zugunsten Dritter (außer zugunsten öffentlicher Bedarfs-, Erschließungs-, Sanierungs- oder Entwicklungsträger auch) generell dann in Frage, wenn der Dritte zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung des Grundstücks innerhalb angemessener Frist in der Lage ist und sich hierzu verpflichtet (§ 27a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB).

Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben
Eine relativ starke öffentliche Beachtung fanden die Erleichterungen der Zulässigkeit von Kinderbetreuungsanlagen sowie von Anlagen zur Nutzung von Solarenergie oder der Kraft-Wärme-Kopplung im Innenbereich:

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sind Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen, nunmehr generell auch in reinen Wohngebieten zulässig.

Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen sowie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden, die nicht bereits nach den §§ 2-13 BauNVO zulässig sind, können neuerdings als Nebenanlagen gem. § 14 Abs. 1 BauNVO zulässig sein, auch wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird.

Diese Neuerungen zu den Kinderbetreuungsanlagen, Solaranlagen und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind vielfach („rückwirkend“) auch bei Anwendung schon geltender Bebauungspläne zu beachten – eine Abweichung von dem Grundsatz, dass sich der Inhalt der Festsetzungen eines Bebauungsplans nach der zu seinem Erlass geltenden BauNVO-Fassung richtet; Einzelheiten und Ausnahmen zu dieser „Rückwirkung“ ergeben sich aus den Überleitungsvorschriften in § 245a Abs. 1, 2 BauGB.

Eine punktuelle Neuregelung hat auch § 34 BauGB erfahren. Nach § 34 Abs. 1 BauGB sind (wie bisher) Vorhaben im unbeplanten Innenbereich grundsätzlich nur zulässig, wenn sie sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die bebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Hiervon kann aber in bestimmten Fällen abgewichen werden. Dazu gehört nach der Neuregelung von § 34 Abs. 3a Nr. 1 BauGB unter Umständen auch der Fall der Nutzungsänderung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs zu Wohnzwecken.

Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben
Praktisch von einiger Bedeutung ist die Änderung der Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich. Unter Umständen besteht dort nun die Möglichkeit, ehemals land- oder forstwirtschaftliche Gebäude neu zu errichten, um sie einer neuen Nutzung zuzuführen (§ 35 Abs. 4 S. 2 BauGB). Geändert wurde auch die Zulässigkeit von Anlagen zur energetischen Nutzung von Biomasse (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d). Die Möglichkeit zur Zurückstellung von Baugesuchen wurde in bestimmten Fällen um ein weiteres Jahr erweitert (§ 15 Abs. 3 S. 3 BauGB). Vor allem aber wurde die Zulässigkeit großer Tierhaltungsanlagen im Außenbereich eng begrenzt. Ist eine solche Anlage (insbesondere mangels hinreichend großer Flächen – s. § 201 BauGB) nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, ist sie (als sog. gewerbliche Tierhaltungsanlage) nun auch nicht mehr nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert zulässig, falls sie einer Pflicht zur Prüfung oder Vorprüfung ihrer Umweltverträglichkeit nach dem UVP-Gesetz unterliegt. Entsprechend große Tierhaltungsanlagen sind im Außenbereich damit grds. nur noch zulässig, wenn sie in einem Bebauungsplan festgesetzt sind oder wenn der Betrieb über so große Flächen verfügt, dass er als „Landwirtschaft“ im Sinne von § 201 BauGB gilt. Diese Neuregelung des BauGB erfasst alle Zulassungen, für die nicht bis 4. Juli 2012 ein Antrag bei der zuständigen Behörde einging (§ 245a Abs. 4 BauGB). Besonderheiten gelten gemäß § 245a Abs. 3 BauGB in Fällen, wo Darstellungen in einem Flächennutzungsplan im Hinblick auf Tierhaltungsanlagen noch vor dem 20. September 2013 Rechtswirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB hatten (Fälle sog. Konzentrationsflächen).

Besonderes Städtebaurecht (Sanierungsmaßnahmen, Erhaltungssatzungen, Beseitigung von Schrottimmobilien, Wertermittlung)
Auch einige Spezialthemen des besonderen Städtebaurechts hat der Gesetzgeber aufgegriffen:

So können Belange von Klimaschutz und -anpassung sowie Fragen der energetischen Beschaffenheit und Energieeffizienz nunmehr auch im Rahmen städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen aufzugreifen und zu berücksichtigen sein (§ 136 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, Buchst. h BauGB) – u. a. mit eventuellen Kostenfolgen für die betroffenen Eigentümer.

Im Bereich von Erhaltungssatzungen besteht ein Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 BauGB (für Rückbau, Änderung, Nutzungsänderung und u.U. auch der Errichtung baulicher Anlagen) neuerdings auch dann, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinspeiseverordnung dient (§ 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1a BauGB).

Dass eine Gemeinde einen Eigentümer verpflichtet, die Beseitigung seiner „Schrottimmobilien“ zu dulden, setzt keinen Bebauungsplan mehr voraus (§ 179 Abs. 1 BauGB n.F.). Ergeht dementsprechend eine Duldungsverfügung in Fällen, wo eine bauliche Anlage bestimmte Mängel oder Missstände aufweist, die auch durch eine Modernisierung oder Instandsetzung nicht behoben werden können, sind die Beseitigungskosten vom  Eigentümer bis zur Höhe der ihm durch die Beseitigung entstehenden Vermögensvorteile zu tragen – einen dahingehenden Bescheid kann die Gemeinde erlassen, sobald die Anlage ganz oder teilweise beseitigt ist; der entsprechende Betrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 179 Abs. 4 BauGB).

Schließlich wurden auch die Vorschriften zur Wertermittlung (§§ 192ff. BauGB) einigen Änderungen unterzogen.

Fazit
Es gibt reichlich Stoff, der Aufmerksamkeit im Detail verdient. Vorsicht vor alt Gewohntem ist geboten.

Welche Folgen die Neuregelungen in der Praxis haben und welche wichtigen weiteren Konturen das Baurecht dabei gewinnt, wird bald zu erörtern sein.

Dr. Matthias Pflughaupt, Rechtsanwalt

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