Oktober 2015 Blog

Bananenmarkt: EuGH urteilt zum Umgang mit Einfuhrlizenzen

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat nunmehr seine Rechtsprechung zum Umgang mit Agrar-Einfuhrlizenzen – hier am Beispiel von Bananen – konkretisiert. Er knüpft damit an eine Entscheidung von März 2014 im Bereich der Knoblauch-Einfuhrkontingente an. Ungewiss bleiben jedoch weiter die praktischen Auswirkungen auf andere Agrar-Einfuhrkontingente.

Problemstellung

Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) bestehen für eine Vielzahl landwirtschaftlicher Produkte besondere Einfuhrregelungen. Um die heimische Landwirtschaft zu schützen, aber auch, um bestimmten Entwicklungsländern privilegierten Marktzugang zuteilwerden zu lassen, wird die Einfuhr der betroffenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch Einfuhrkontingente gelenkt. Hierzu wird im Voraus für einen bestimmten Zeitraum unionsweit eine Einfuhrmenge – ggf. zugunsten bestimmter Länder – festgelegt, die zum „Vorzugstarif“ eingeführt werden kann. Einfuhren außerhalb der Einfuhrkontingente bleiben möglich, werden aber mit einem deutlich höheren Einfuhrabgabensatz belegt, der in vielen Fällen den Import wirtschaftlich unattraktiv macht. Die Verwaltung der zollvergünstigten Einfuhrkontingente erfolgt über Einfuhrlizenzen, die in der Union ansässigen Importeuren auf Antrag das Recht, aber auch die Pflicht zur Einfuhr einer bestimmten Teilmenge aus dem Kontingent zuweisen.

Die Verteilung der Lizenzen ist nach unterschiedlichen Methoden möglich. Bei den „Bananen“-Kontingenten, über die der EuGH zu entscheiden hatte, wurden die Einfuhrlizenzen zwischen „traditionellen Einführern“, d.h. am Markt etablierten Importeuren, und „neuen Einführern“ aufgeteilt. Dadurch, dass bestimmte Mengen „neuen Einführern“ vorbehalten blieben, sollte eine Öffnung des Marktes für neue Importeure erreicht werden. Die Verordnung enthielt ferner ein Übertragungsverbot bezüglich der Lizenzen.

Im konkreten Fall stellte sich die Frage, ob das Übertragungsverbot in missbräuchlicher Weise umgangen worden war. Ein italienischer traditioneller Bananen-Importeur hatte im Drittland unverzollt und unversteuert Bananen eingekauft und diese – noch vor der Einfuhr in die EU – über einen Zwischenhändler an verschiedene „neue Einführer“ weiterverkauft. Diese hatten die Bananen über ihre Einfuhrlizenzen in die EU eingeführt. Anschließend verkauften Sie die Bananen „verzollt“ zum selben Preis, zuzüglich der Einfuhrabgaben und ihrer Aufwendungen, an den traditionellen Einführer zurück. Das vorlegende italienische Gericht sah hierin eine missbräuchliche Gestaltung und legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH knüpfte in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2015 an die bereits im „Knoblauch-Urteil“ vom 13. März 2014 ( Rs. C-155/13) entwickelten Grundsätze an. Demnach setze Missbrauch ein objektives und ein subjektives Element voraus. Objektiv müsse nachgewiesen sein, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. Subjektiv müsse die Absicht vorliegen, sich einen aus der Einfuhrregelung resultierenden ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, indem die Voraussetzungen für seine Erlangung künstlich geschaffen werden. Die objektive Voraussetzung sah der EuGH in der oben geschilderten Konstellation für gegeben an. Durch den Kauf und anschließenden Rückverkauf werde de facto eine Übertragung der Einfuhrrechte von den „neuen“ auf den „traditionellen“ Einführer bewirkt. Die Missbrauchsabsicht sei insbesondere daran zu ermitteln, ob für die „neuen“ Einführer eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Transaktion bestand. Dies könne nicht von vornherein unterstellt werden, sondern müsse durch das vorlegende italienische Gericht geprüft werden. Liege eine derartige missbräuchliche Praxis vor, führe dies nach Ansicht des Gerichtshofs dazu, dass der künstlich erlangte Vorteil, d.h. die Vorzugsverzollung, entzogen werden müsse. Darüber hinaus könnten sich aus dem nationalen Recht verwaltungs-, zivil- und strafrechtliche Sanktionen ergeben. Im Knoblauch-Urteil hatte der EuGH aber anerkannt, dass es auch ein wirtschaftliches Interesse des Lizenzinhabers darstelle, einen Kautionsverfall infolge der mangelnden Ausnutzung der Lizenzen zu vermeiden.

Für die Praxis bleiben auch nach dieser neuen Entscheidung Fragen offen. Zum einen ist unklar, welche Auswirkungen die beiden Urteile auf die Einfuhr von Erzeugnissen aus anderen Agrar-Kontingenten haben. Zentrale Erwägungen des Urteils scheinen nicht ohne weiteres auf alle Kontingentverordnungen übertragbar. So sehen bei weitem nicht alle Verordnungen eine Verteilung der Lizenzen auf „neue Einführer“ oder ein „Übertragungsverbot“ vor. Die Übertragung von Einfuhrrechten ist nach der Verordnung (EG) Nr. 376/2008, die gemeinsame Durchführungsvorschriften für Agrar-Einfuhrlizenzen regelt, vielmehr grundsätzlich zulässig. Diese Unsicherheit ist für die Praxis misslich, eine Klärung durch die zuständigen Behörden dringend geboten.

(EuGH, Urteil vom 9. Juli 2015, Rechtssache C‑607/13)

Rechtsanwalt Adrian Loets, LL.M.
Hamburg

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