BGH zu den Indizien die auf eine Zahlungseinstellung des späteren Insolvenz-schuldners hindeuten
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2013 weitere Indizien festgelegt, die auf eine Zahlungseinstellung des Insolvenzschuldners hindeuten. Diese Indizien sind für Gläubiger eines potentiell in Schwierigkeiten geratenen Unternehmens wichtig, um das Risiko einer späteren Anfechtung einschätzen zu können.
Im konkreten Fall war die spätere Insolvenzschuldnerin, eine Großbäckerei, bereits ein Jahr vor Antragstellung mit der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Rückstand geraten. Die hiesige Anfechtungsgegnerin/Beklagte war ein Stromversorgungsunternehmen. Die Insolvenzschuldnerin hatte über mehrere Monate die monatlichen Stromrechnungen nicht mehr bezahlt und auf entsprechende Mahnungen der Beklagten Zahlungszusagen gegeben, die sie dann nicht eingehalten hatte. Im weiteren Verlauf drohte die Beklagte Stromsperren an und schickte ihren Sperrkassierer los, der dann zwar noch erhebliche Zahlungen eintrieb, allerdings nicht die vollständigen Rückstände. Das LG und das OLG hatten die Klage des Insolvenzverwalters mit der Begründung abgewiesen, dass aufgrund der hohen Tageseinnahmen des Insolvenzschuldners weder eine Zahlungsunfähigkeit, noch eine Kenntnis dieser Zahlungsunfähigkeit seitens der Beklagten (die durch die Zahlungen an den Sperrkassierer diese hohen Einnahmen kannte) anzunehmen wäre.
Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH ist davon ausgegangen, dass die vorliegenden Indizien zur Annahme einer Zahlungsunfähigkeit führen. Zum einen handelte es sich bei der Beklagten um einen sog. „existenziellen“ Lieferanten. Wenn der Insolvenzschuldner schon diesen nicht mehr voll bezahlen könne, dann müsse er ersichtlich am wirtschaftlichen Abgrund operieren. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die monatlichen Rückstände sich immer wieder neu gebildet haben, was gegen eine kurzfristige Zahlungsstockung spreche. Anderenfalls wäre es der Insolvenzschuldnerin eben gelungen, diese Rückstände dauerhaft auszugleichen. Hohe Umsätze allein können kein Indiz gegen eine Zahlungsunfähigkeit sein, weil dies nichts über die finanzielle Lage des Unternehmens aussage. Auch im konkreten Fall hatte die Beweisaufnahme ergeben, dass nur noch die nötigsten Löcher gestopft wurden.
Der BGH geht offensichtlich zudem davon aus, dass die Beklagte durch Kenntnis dieser Indizien auch Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Hierauf deuten die Prüfungsanweisungen hin, die der BGH dem Berufungsgericht für die erneute Verhandlung auf den Weg gegeben hat. In diesem Fall ist mindestens eine Anfechtung auch sog. kongruenter Ratenzahlungen innerhalb von 3 Monaten vor Antragstellung möglich.
Der Fall verdeutlicht, dass Gläubiger im Rahmen der wirtschaftlichen Krise des Vertragspartners im Rahmen der Fortführung von Geschäftsbeziehungen gewisse Vorkehrungen treffen müssen. Sofern es „nur“ um Rückstände geht, sollte die Gefahr einer späteren Anfechtung durch den Verwalter kein Hinderungsgrund sein, den Forderungseinzug konsequent fortzusetzen. Der hiesige Fall hatte zudem die Besonderheit, dass die Beklagte als Stromversorger einer Großbäckerei zu den sog. existenziellen Lieferanten gehörte. Diese haben bei Auflaufen von erheblichen Zahlungsrückständen ein hohes Anfechtungsrisiko, wenn diese Rückstände ratenweise und teilweise ausgeglichen werden.
Handelt es sich aber um laufende Lieferbeziehungen, so sollte in jedem Fall Vorsorge dahingehend getroffen werden, dass für zukünftige Lieferbeziehungen entweder auf Vorkasse umgestellt wird (und diese Zahlungen auch nicht auf Altverbindlichkeiten angerechnet werden) und/oder aber mindestens die Vorgaben eines Bargeschäftes i.S.d. § 142 InsO beachtet werden (Austausch von Leistung und gegen Gegenleistung innerhalb eines Zeitraumes von maximal 2-4 Wochen, je nach Branche).
Die immer wieder zu beobachtende Verteidigung der Anfechtungsgegner mit dem Hinweis auf eine Kenntnis von lediglich Zahlungsstockungen (was anfechtungsrechtlich eine unbeachtliche Vorstufe zur Zahlungsunfähigkeit ist) hat allenfalls vor den Instanzgerichten Erfolg, jedenfalls bei dieser Tatsachenlage.
(BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – IX ZR 143/12)
Ansgar Hain, Rechtsanwalt