Bundestag beschließt einstimmig ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie mit weitreichenden Folgen für das Vertragsrecht, Mietrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenz- und Strafver
Der Bundestag hat heute den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der Covid-19- Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BT Drs. 19/18110) einstimmig angenommen. Es kann damit gerechnet werden, dass das Gesetz am Freitag auch den Bundesrat passiert. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens halten wir Sie auf dieser Seite informiert. Die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus hat zu ganz erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und vor allem auch des Wirtschaftslebens geführt. Für viele Unternehmer steht die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel. Mit zeitlich befristeten Änderungen soll das neue Gesetz vor allem dabei helfen, den durch die COVID-19-Pandemie bedingten Liquiditätsengpässen kurzfristig zu begegnen.
Im Insolvenzrecht werden für Insolvenzen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie u.a. die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote vorerst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Ergänzend werden Anreize geschaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird überdies das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen sollen per Verordnung bis zum 31. März 2021 verlängert werden können. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier:
- Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
- Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechts
- Erleichterungen von Sanierungsfinanzierungen
Im Vertragsrecht wurden Sonderrechte geschaffen. Diese gelten für wesentliche Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 8. März 2020 begründet wurden. Dauerschuldverhältnisse sind Verträge, die über einen längeren Zeitraum widerkehrenden Leistungen zum Gegenstand haben. Wesentlich im Sinne des Gesetzes sind diese, wenn sie zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Erfasst sind damit insbesondere Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste und – soweit diese zivilrechtlich geregelt sind – Verträge über die Wasserversorgung und-entsorgung. Die Sonderrechte können nur von Kleinstunternehmen ausgeübt werden. Sie gelten also zunächst nur zugunsten von Unternehmen, bei denen weniger als 10 Personen beschäftigt sind und deren Jahresumsatz EUR 2 Mio. nicht überschreitet. Vertragsschuldner der beschriebenen Unternehmenskategorie, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, erhalten das Recht, ihre Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden (Moratorium). Das bedeutet nicht nur, dass der Vertragsschuldner die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Auch eine Verzugsschadenshaftung und eine Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen werden damit ausgeschlossen. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nicht nur für Zahlungsverpflichtungen, sondern darüber hinaus für die Erbringung von Dienstleistungen. Das Moratorium ist bis zum 30. Juni 2020 befristet. Eine Verlängerungsoption (bis maximal 30. September 2020) ist im Gesetz jedoch bereits angelegt. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist ausgeschlossen, wenn seine Ausübung dem Vertragsgläubiger wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall bleibt dem Kleinstunternehmer die Möglichkeit, sich durch Kündigung aus dem Dauerschuldverhältnis zu befreien. Verbraucher erhalten ein ähnliches Leistungsverweigerungsrecht (respektive Kündigungsrecht). Dieses gilt für vor dem 8. März 2020 geschlossene, als Dauerschuldverhältnis gestaltete Verbraucherverträge. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Die genannten Sonderregelungen gelten nicht für Arbeitsverträge. Für das Miet-/Pacht- und Darlehensrecht gelten vorrangige, sogleich dargestellte Sonderbestimmungen.
Die für das Mietrecht vorgesehenen Maßnahmen gelten sowohl für Wohn- als auch Gewerbemietverträge sowie für Pachtverhältnisse. Mieter erhalten kein Leistungsverweigerungsrecht. Das bedeutet, dass sie zur Zahlung der Miete grundsätzlich verpflichtet bleiben und sie gegebenenfalls auch in Verzug geraten können. Allerdings darf der Vermieter das Mietverhältnis aufgrund eines Zahlungsverzugs des Mieters nicht kündigen. Das Kündigungsrecht des Vermieters wird damit beschränkt. Die Beschränkung des Kündigungsrechts bezieht sich auf Mietzahlungen, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 nicht gleistet wurden. Eine Verlängerungsoption für Mietrückstände, die bis maximal 30. September 2020 entstanden sind, ist im Gesetz angelegt. Die Geltung der Kündigungsbeschränkung setzt voraus, dass die Nichtleistung der Mietzahlungen auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Dies muss der Mieter glaubhaft machen. Mieter von Gewerbeimmobilien können den Zusammenhang zwischen CO-VID-19-Pandemie und Nichtleistung mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist. Dies betrifft derzeit etwa Gaststätten oder Hotels, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Für Darlehensverträge sind ebenso bestimmte Sonderregelungen vorgesehen. Diese gelten allerdings vorerst nur für Verbraucherdarlehensverträge. Eine mögliche personelle Erweiterung des Anwendungsbereichs (z.B. auf Kleinstunternehmen) ist in dem Gesetz angelegt. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Für das Gesellschaftsrecht hält das Gesetz ebenfalls krisenbedingte Neuerungen bereit. Mit diesen wird insbesondere auf die geltenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten reagiert, welche die Handlungsfähigkeit von Unternehmen teils erheblich beeinträchtigen. Insofern sind u.a. Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen in Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), von Versicherungsvereinen a.G. (VVaG) und der Europäischen Gesellschaft (SE) vorgesehen. Für Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft und Mitgliederversammlungen von Vereinen gilt Entsprechendes. Wesentliche Aspekte der vorübergehenden Erleichterungen für die AG, KGaA und SE sind dabei die Möglichkeit, dass der Vorstand der Gesellschaft auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen kann, die Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung mit eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten, die Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage sowie die Ermächtigung für den Vorstand, auch ohne Satzungsregelung Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn vorzunehmen. Für Genossenschaften und Vereine werden ebenfalls vorübergehend Erleichterungen auch ohne entsprechende Satzungsregelungen geschaffen, so die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz sowie die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen. Im Übrigen werden für Genossenschaften, Vereine, Stiftungen und Wohnungseigentümergemeinschaften Regelungen für den vorübergehenden Fortbestand bestimmter Organbestellungen getroffen, sollten diese ablaufen, ohne dass neue Organmitglieder bestellt werden können. Im Umwandlungsrecht wird zudem die Frist gemäß § 17 Absatz 2 Satz 4 des Umwandlungsgesetzes auf zwölf Monate verlängert, um zu verhindern, dass aufgrund fehlender Versammlungsmöglichkeiten Umwandlungsmaßnahmen an einem Fristablauf scheitern. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Im Strafverfahrensrecht wird die Möglichkeit geschaffen, die strafgerichtliche Hauptverhandlung länger als bisher zu unterbrechen, damit eine Aussetzung und vollständige Neuverhandlung der Verfahren vermieden wird. Befristet auf ein Jahr soll es möglich sein, die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.