März 2019 Blog

EU: Neu­er Rah­men zur Über­prü­fung aus­län­disch­er Di­rekt­in­ves­tit­ion­en

Am 5. März 2019 hat der Rat der Europäischen Union einen neuen Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU gebilligt. Ziel des Mechanismus ist die verbesserte Wahrung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der strategischen Interessen Europas im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen in der EU.

Hintergrund

Wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission belegt, hat die Zahl der ausländischen Investitionen in europäische Unternehmen in den letzten Jahren rapide zugenommen. Die EU verfügt aktuell über eine der weltweit offensten Investitionsregelungen und ist das wichtigste Ziel für ausländische Direktinvestitionen in der Welt. Neben traditionellen Investor-Ländern (wie etwa den USA, Kanada, Schweiz, Australien und Japan) drängen vermehrt auch Investoren aus Schwellenländern wie China in den Markt. Von den Investitionstätigkeiten sind dabei insbesondere auch strategisch wichtige Schlüsselsektoren und kritische Infrastrukturen betroffen, die für europäischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen als essentiell betrachtet werden. Die bereits seit längerer Zeit politisch diskutierte Notwendigkeit einer effektiveren Überprüfung und Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Europa hat nunmehr mit dem neuen Rechtsrahmen auch auf europäischer Ebene ihre Umsetzung gefunden.

Der Mechanismus

Die Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union geht auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2017 zurück. Sie ist am 21. März 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlich worden und wird Mitte April in Kraft treten; sie gewährt den Mitgliedstaaten und der Kommission aber anschließend weitere 18 Monate zur Vorbereitung der Umsetzung, bevor sie gelten wird. Die Verordnung sieht einen Kooperationsmechanismus vor, bei dem es sich im Wesentlichen um ein Informationsaustauschsystem handelt, das es den Mitgliedstaaten und der Kommission ermöglicht, Informationen und Erfahrungen zu ausländischen Direktinvestitionen austauschen und Bedenken in Bezug auf bestimmte ausländische Investitionen mit Blick auf die Sicherheit und öffentliche Ordnung der EU und einzelner Mitgliedstaaten zu äußern. Das Informationsaustauschsystem ermöglicht es den Mitgliedstaaten, etwaige Investitionsstrategien ausländischer Erwerber besser erkennen zu können. Die Entscheidung, ob eine bestimmte ausländische Direktinvestition überprüft wird, und die endgültige Entscheidung über die Direktinvestition verbleibt aber weiterhin in der alleinigen Verantwortung des Mitgliedstaats, in dem die ausländische Direktinvestition geplant ist oder abgeschlossen wurde. Allerdings können andere Mitgliedstaaten und die Kommission innerhalb gewisser Zeitrahmen Kommentare bzw. Stellungnahmen zu anstehenden oder durchgeführten Direktinvestitionen abgeben, die vom betroffenen  Mitgliedstaat „angemessen zu berücksichtigten“ sind. Was genau dies bedeutet, ist bislang nicht geklärt. Im Falle der Betroffenheit von Projekten oder Programmen von Unionsinteresse (eine Liste dieser Projekte findet sich im Anhang zur Verordnung) hat der Mitgliedstaat einer Stellungnahme der Kommission sogar „umfassend Rechnung“ zu tragen und eine Erklärung abzugeben, falls er dieser nicht nachkommt.

Zudem listet die Verordnung beispielhaft Faktoren auf, die Mitgliedstaaten bei der Ermittlung, ob eine ausländische Direktinvestition voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, berücksichtigen können. Diese betreffen insbesondere kritische Infrastrukturen (einschließlich Energie, Verkehr, Wasser, Gesundheit, Kommunikation, Medien, Datenverarbeitung oder -speicherung, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Wahl- oder Finanzinfrastrukturen), kritische (Schlüssel-)Technologien (wie etwa künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologien) sowie für die Sicherheit oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung grundlegende Ressourcen, deren Störung, Ausfall, Verlust oder Vernichtung beträchtliche Folgen in einem Mitgliedstaat oder der EU hätte. Zudem sollen auch Kontext bzw. Umstände der ausländischen Direktinvestitionen stärker Berücksichtigung finden – wie zum Beispiel die Fragen, ob der ausländische Investor staatlicher Kontrolle unterliegt oder an kriminellen Aktivitäten beteiligt ist. Zu erwarten ist, dass die Behörden künftig mit Umsetzung der Verordnung eher von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen dürften als das bislang der Fall war.

Schließlich sieht der Rahmen vor,  dass die Mitgliedstaaten Überprüfungsmechanismen einrichten oder bestehende Mechanismen ändern oder beibehalten können (aktuell verfügen neben Deutschland weitere 13 Mitgliedstaaten über solche nationalen Überprüfungsmechanismen). Diese Mechanismen sollen transparent und diskriminierungsfrei sein und den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission die Abgabe von Kommentaren/Stellungnahmen im o.g. Sinne ermöglichen.

Insgesamt reiht sich der EU-Rahmen nahtlos in die sowohl national als auch international steigende Tendenz zum Protektionismus mit Blick auf strategisch essentielle Wirtschaftssektoren ein. Ob eine sinnvolle Umsetzung gelingt, die – wie es Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker formulierte – sicherstellen wird, „dass Investitionen aus Ländern außerhalb der EU tatsächlich in unserem Interesse sind“, bleibt abzuwarten.

Marian Niestedt, M.E.S., Rechtsanwalt
Nina Kunigk, Rechtsanwältin
beide Hamburg

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