August 2019 Blog

EuGH be­stätigt ge­trenn­te Be­trach­tung von Zoll und EUSt

Am 10. Juli 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil in der Rechtssache C-26/18, FedEX gegen HZA Frankfurt a.M. bekannt gegeben. In seinen Ausführungen folgt der EuGH maßgeblich den Schlussanträgen des Generalanwaltes und führt damit seine Rechtsprechung zur Trennung von Einfuhrumsatzsteuer und unregelmäßig entstandener Zollschuld fort. Die Auswirkungen des Urteils sind in bestimmten Fällen unregelmäßiger Zollschuldentstehung von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Grundlage des Sachverhalts, über den der EuGH zu entscheiden hatte, bildeten Unregelmäßigkeiten beim Lufttransport von Drittlandsendungen über den Flughafen Frankfurt am Main nach Griechenland. Ein Teil der Waren wurde nicht gestellt, sodass ein vorschriftswidriges Verbringen in das Unionsgebiet vorlag. Ein anderer Teil der Waren wurde zwar gestellt, war aber nicht vom Flugmanifest umfasst, sodass die Waren außerhalb des externen Versandverfahrens von Deutschland nach Griechenland transportiert wurden. In beiden Fällen, die gewiss keine atypischen Fehler bei der Erbringung von Logistikdienstleistungen sind, folgt auf die (formellen) Verstöße gem. Art. 202 ZK bzw. Art. 203 ZK (nunmehr Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK) die (unregelmäßige) Zollschuldentstehung.

Gehörte bis 2016 noch zur gefestigten Rechtsauffassung, dass bei Entstehung einer Zollschuld zwangsläufig die Einfuhrumsatzsteuerschuld nachfolgt und zwar unabhängig vom Grund der Zollschuldentstehung, hat sich dies durch einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung des EuGH maßgeblich geändert. In den Verfahren Eurogate Distribution/DHL Hub Leipzig (C-226/14 und C-228/14) und Wallenborn Transports (C-571/15) lockerte der EuGH das Band zwischen Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuer. Seither – so das allgemeine Verständnis – bedurfte es einer Einzelfallprüfung, ob aufgrund des Fehlverhaltens die Gefahr bestanden habe, dass die Gegenstände in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind.

Unsicherheiten bei der Beantwortung der Frage, ob eine Gefahr des Gelangens von Gegenständen in den Wirtschaftskreislauf für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ausreicht, wenn nachgewiesen ist, dass sich diese nicht realisiert hat – im vorgelegten Fall waren die Gegenstände nachweislich (erst) in Griechenland in den Wirtschaftskreislauf gelangt – veranlassten das Hessische Finanzgericht im November 2017 zu der Vorlage an den EuGH.

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 10. Juli 2019 den Schlussanträgen des Generalanwaltes, über die an dieser Stelle bereits berichtet wurde, angeschlossen. Der EuGH ist der Ansicht, dass neben der Zollschuld auch die Einfuhrumsatzsteuer entstehe, wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden könne, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind und somit einem Verbrauch zugeführt werden konnten. Im Falle eines vorschriftswidrigen Verbringens oder der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung sei die Annahme grundsätzlich gerechtfertigt. Allerdings könne eine solche Vermutung widerlegt werden, wenn nachgewiesen sei, dass trotz des Fehlverhaltens ein Gegenstand im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieser zum Verbrauch bestimmt gewesen sei, in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sei. In diesem Fall trete der Tatbestand der Einfuhrumsatzsteuerentstehung in diesem anderen Mitgliedstaat ein. Das zollrechtliche Fehlverhalten begründet also nur eine widerlegliche Vermutung, dass auch die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist.

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen. Bei zollrechtlichen Verfahrensverstößen ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob die Ware tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf gelangt ist, und nicht andernorts oder – etwa bei Fällen der Wiederausfuhr oder Vernichtung – gar nicht. Die Wirtschaftsteilnehmer trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Es ist zu erwarten, dass die Wirtschaftsteilnehmer mit den Zollbehörden zukünftig darum ringen werden, welche Maßstäbe an die zu erbringenden Nachweise anzulegen sind. Trotz der deutlichen Verbesserung der Situation der Wirtschaftsteilnehmer durch das Urteil des EuGH, wird die Thematik die beteiligten Kreise noch nachhaltig beschäftigen.

Dr. Hartmut Henninger, Rechtsanwalt
Hamburg

 

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