Juni 2014 Blog

M&A: Gerichte arbeiten erstmals Grundsätze der Anwaltshaftung für die Legal Due Diligence heraus

In zwei zeitlich dicht aufeinander folgenden Urteilen haben das Kammergericht Berlin und das Landgericht Düsseldorf erste Grenzen der Anwaltshaftung im Rahmen rechtlicher Due Diligence Prüfungen herausgearbeitet.

Der dem anglo-amerikanischen Haftungsrecht entstammende Begriff „Due Diligence“ (wörtlich übersetzt: „Erforderliche Sorgfalt“) bezeichnet in der internationalen Transaktionspraxis die Prüfung eines Kaufobjekts (z.B. eines Unternehmens). Das Konzept der transaktionsbezogenen Due Diligence Prüfung ist seit Jahren auch in Deutschland fest etabliert. Für die mit der Legal Due Diligence betraute Anwaltschaft bedeutete dies lange Zeit ein unbekanntes „Minenfeld“ im Hinblick auf die anwaltliche Berufshaftung. Inzwischen hat die Thematik die Gerichte erreicht.

In dem vom Kammergericht entschiedenen Fall war die beklagte Anwaltskanzlei mit der Due Diligence Prüfung eines (zum Erwerb stehenden) Grundstücks beauftragt worden. Später stellten sich einige der über das Zielobjekt abgeschlossenen Gewerbemietverträge als vorzeitig kündbar heraus, weil sie seitens der Mieterin (einer GbR) nicht von sämtlichen Gesellschaftern (bzw. ordnungsgemäß bevollmächtigen Personen) unterzeichnet worden waren und damit nicht dem Schriftformerfordernis der §§ 578, 550 Satz 1 BGB genügten. Dies nutzte die Mieterin und kündigte die Verträge rund drei Jahre vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit. Die Wirksamkeit der Kündigungen wurde anschließend gerichtlich bestätigt. Auf das Risiko einer vorzeitigen Kündbarkeit der Mietverträge hatte die beklagte Anwaltskanzlei, obgleich ihr die betreffenden Mietverträge vorlagen, zu keinem Zeitpunkt hingewiesen. Vielmehr hatte sie in ihrem Due Diligence Report – in nicht unüblicher Weise – ausdrücklich bekundet, die formelle Wirksamkeit der Verträge nicht geprüft zu haben.

Das Kammergericht verneint eine haftungsbegründende Pflichtverletzung der handelnden Rechtsanwälte. Deren Pflichtenumfang werde durch den konkreten Zuschnitt des Mandatsverhältnisses bestimmt. In dem entschiedenen Fall sei davon auszugehen, dass eine Prüfung der formellen Wirksamkeit der Mietverträge, namentlich deren wirksamer und der Schriftform genügender Abschluss, von der Beklagten nicht geschuldet gewesen sei. Doch selbst wenn die Prüfung der formellen Wirksamkeit der Mietverträge Gegenstand des Beratungsvertrages gewesen wäre, ergebe sich kein Schadensersatzanspruch der Klägerin. Denn da die Pflicht zur Erstellung eines Due Diligence Reports werkvertraglicher Natur sei, habe die Klägerin den ausdrücklich eingeschränkten Bericht der Beklagten nicht als Erfüllung annehmen dürfen, sondern hätte vielmehr Nacherfüllung (§ 635 BGB) verlangen müssen. Im Übrigen ergebe sich aus den Mietverträgen keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass es an einem (form)wirksamen Abschluss auf Seiten der Mieterin fehlte und habe die Beklagte auch sonst keinen Hinweis darauf gehabt. Zu rein abstrakten Risikohinweisen sei die Beklagte aber ohnehin nicht verpflichtet.

Die Entscheidung des Kammergerichts basiert auf allgemeinen schuldrechtlichen sowie werkvertraglichen Grundsätzen und leuchtet auch im Ergebnis ohne weiteres ein. Der Rechtsanwalt, der seine Prüfungen vereinbarungsgemäß auf Basis bestimmter Unterlagen durchführt, hat demnach nicht auf (abstrakte) Risiken hinzuweisen, für die die Unterlagen keine Anhaltspunkte liefern. Eine Hinweispflicht des Rechtsanwalts auf sämtliche noch so abstrakte Rechtsrisiken muss bereits unter Effizienzgesichtspunkten ausscheiden. Der entstehende Aufwand wäre auch dem Mandanten regelmäßig nicht zu vermitteln, der zudem an einem auf diese Weise verwässerten und unübersichtlichen Report üblicherweise kein Interesse hat, sondern eine kompakte Darstellung der rechtserheblichen Punkte wünscht.

In dem vom Landgericht Düsseldorf entschiedenen Fall oblag der Beklagten die Durchführung einer sog. „Red Flag Due Diligence“ im Vorfeld des Erwerbs einer mit der Erbringung und Vermittlung von Personaldienstleistungen befassten Unternehmensgruppe, die unter anderem Tarifverträge mit der „Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP)  abgeschlossen hatte. Nach erfolgter Transaktion verneinte das Bundesarbeitsgericht die Tariffähigkeit der CGZP, was die Unwirksamkeit der Tarifverträge bedeutete und bei der erworbenen Unternehmensgruppe unter anderem zu sozialversicherungsrechtlichen Nachzahlungsverpflichtungen in Millionenhöhe führte. Die beklagte Anwaltskanzlei hatte ihre Mandantin auf die mögliche Tarifunfähigkeit der CGZP und die damit verbundenen Risiken nicht hingewiesen. Dabei lag zum Zeitpunkt der Durchführung der Due Diligence noch keine Rechtsprechung vor, die auf eine Tarifunfähigkeit der CGZP hindeutete. Im juristischen Schrifttum wurde die Tariffähigkeit der CGZP hingegen von einigen Autoren durchaus in Zweifel gezogen oder gar abgelehnt, insgesamt allerdings ohne eindeutige Tendenz und zudem unter Fokussierung auf den Aspekt der Durchsetzungsfähigkeit der CGZP, der vom Bundesarbeitsgericht später gar nicht als entscheidend angesehen wurde.

Auch in diesem Fall verneinte das entscheidende Gericht bereits eine Pflichtverletzung der mit der Due Diligence beauftragten Rechtsanwälte. Wie das Kammergericht rekurriert das Landgericht Düsseldorf dabei auf das konkrete Mandatsverhältnis, das hier eben nur eine „Red Flag Due Diligence“ zum Gegenstand hatte. Die Beklagte habe nur den Hinweis auf sog. „Deal Breaker“ geschuldet, also auf Umstände und Risiken, die für den Kaufentschluss des Erwerbsinteressenten wesentlich seien. Angesichts dessen, dass die Diskussion um die Tariffähigkeit der CGZP seinerzeit eine rein akademische gewesen sei, habe die Beklagte zu Recht davon ausgehen dürfen, dass ihre Mandantin ihre Kaufentscheidung nicht davon abhängig gemacht hätte. Das Urteil ist rechtskräftig.

Fazit

Auch in Bezug auf Due Diligence Prüfungen ist ein Rechtsanwalt „nur“ in den Grenzen des konkreten Mandatsverhältnisses zur umfassenden Beratung verpflichtet. Für Mandant und Rechtsanwalt empfiehlt es sich daher gleichermaßen, den Inhalt des Beratungsauftrags, insbesondere den Gegenstand, den Prüfungsumfang und die Ziele der Legal Due Diligence bereits im Vorfeld möglichst präzise zu definieren.

(Kammergericht Berlin, Urteil v. 17. September 2013 – 7 U 160/12; LG Düsseldorf, Urteil v. 15. Oktober 2013 – 7 O 6/12)

Dr. Dominik Ziegenhahn, Rechtsanwalt
Jan Bela Hermann, Rechtsanwalt

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