Neues aus dem Vergaberecht: Beschränkung der Referenzenanzahl unzulässig!
Jeder öffentliche Auftraggeber kennt bei der Ausschreibung von Aufträgen die Thematik der Referenzen und deren Wertung im Rahmen der Eignungsprüfung. In seiner Entscheidung vom 12. September 2012 hat das OLG Düsseldorf nunmehr bemerkenswerte Aussagen zur Anzahl der zu wertenden Referenzen und deren Beschränkung gemacht.
Dem Beschluss des OLG Düsseldorf lag dabei folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Vergabestelle schrieb Briefdienstleistungen europaweit aus. Zur Feststellung ihrer Eignung hatten die Bieter jeweils drei mit dem aktuellen Auftrag vergleichbare Referenzen vorzulegen. Dabei wurde gesondert darauf hingewiesen, dass bei Abgabe von mehr als drei Referenzen lediglich die ersten drei gewertet würden. Der spätere Antragsteller legte sodann drei vergleichbare, die Beigeladene jedoch nur zwei vergleichbare und eine zu kleine Referenz vor. Obwohl die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, wurde sie daher als nicht geeignet ausgeschlossen und der Auftrag sollte an den eigentlich zweitplatzierten Antragsteller gehen. Die Beigeladene rügte diesen Ausschluss und erhielt daraufhin die Möglichkeit der Nachreichung einer vergleichbaren Referenz. Der Antragsteller hielt dies für unzulässig und bekam von der Vergabekammer des Bundes (VK Bund) Recht. Die Beigeladene hätte keine Referenz nachreichen dürfen. § 19 EG Abs. 2 VOL/A ermögliche nur eine Nachreichung physisch nicht vorhandener oder unvollständiger Erklärungen oder Nachweise, nicht aber eine Nachbesserung.
Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf hielt es jedoch für rechtmäßig, dass die Vergabestelle der Beigeladenen gestattet hatte, eine zusätzliche Referenz nachzureichen. Anders jedoch als von allen Beteiligten vorgetragen und auch von der VK Bund entschieden, kam es Ihrer Meinung nach gar nicht auf § 19 EG Abs. 2 VOL/A 2009 an. Dieser gelte nur für fehlende, das heißt entweder nicht vorgelegte oder formal mangelhafte Nachweise und sei folglich nicht anwendbar gewesen. Objektiv gesehen habe die Vergabestelle hier jedoch das Verfahren zurück versetzt und einen Vergabefehler, nämlich ihre abschreckende und wettbewerbswidrige Beschränkung der Referenzenanzahl auf drei, behoben. Legten die Bieter mehr als drei Referenzen vor und werte die Vergabestelle nur drei Referenzen, basiere die Eignungsprüfung auf einem unvollständigen Sachverhalt.
Der Beschluss hat eine ganz erhebliche Bedeutung für die öffentliche Beschaffung und wirft eine ganze Reihe von Fragen auf, die derzeit noch nicht sicher beantwortet werden können: Ist nun jede Beschränkung der Anzahl von Referenzen unzulässig? Der hierdurch entstehende Prüfungsaufwand wäre kaum zu überschauen. Ist die vom Vergabesenat angenommene Rückversetzung des Vergabeverfahrens und dessen "Reparatur" auch bei anderen Vergabefehlern möglich und wenn ja, bei welchen? Haben die Bieter von nun an einen Anspruch auf so eine "Reparatur" und können sie die auch vor der Vergabekammer einklagen? Wir werden berichten.
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2012 - Verg 108/11)
Nils-Alexander Weng, Rechtsanwalt