Sonderzahlungen des Arbeitgebers können auf den Mindestlohn anrechenbar sein
Der Mindestlohn wird für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde geschuldet. Der Anspruch kann auch durch Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) erfüllt werden, solange diese eine Gegenleistung für geleistete Arbeit darstellen und dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Eine Erfüllungswirkung entfällt dann, wenn der Arbeitgeber Zahlungen ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbringt oder sie aufgrund einer gesetzlichen Zweckbestimmung erfolgen.
Vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes normierte bereits das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG), dass u.a. Regelungen über „Mindestentgeltsätze“ auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland tätigen Arbeitnehmern Anwendung finden. Der Gesetzgeber orientierte sich beim Mindestlohn, der einen solchen „Mindestentgeltsatz“ darstellt, an der zum AEntG ergangenen Rechtsprechung. Die Bundesregierung verwies in ihrer Gegenäußerung zum Gesetzesentwurf zum Mindestlohngesetz darauf, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zum Entsenderecht Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld nur dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden können, wenn der Arbeitnehmer den auf die Entsendezeit entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält (vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 67). Dieser Zeitraum ist nach dem Mindestlohngesetz der letzte Bankarbeitstag des Folgemonats nach Erbringen der Arbeitsleistung.
Sachverhalt
Die in Vollzeit tätige Klägerin erhielt gemäß ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag zusätzlich zu ihrer monatlichen Bruttovergütung verschiedene Lohnzuschläge sowie im Mai eines jeden Kalenderjahres ein Urlaubsgeld in Höhe von 50% der Bruttomonatsvergütung und im November eine Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) in gleicher Höhe. Im Dezember 2014 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wonach die Sonderzahlungen im Mai und November ab Januar 2015 monatlich zu jeweils 1/12 zusätzlich zur Bruttomonatsvergütung zu zahlen waren. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug 1.391,36 Euro. Mit zusätzlich je 1/12 des Urlaubs- sowie des Weihnachtsgeld i.H.v. jeweils 57,97 Euro kam die Klägerin auf einen Betrag von insgesamt 1.507,30 Euro. Die Klägerin war der Auffassung, ihr Grundgehalt sowie das Urlaubsgeld- und Weihnachtsgeld seien jeweils auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns i.H.v. 8,50 Euro brutto pro Stunde zu berechnen. Bei einer 40h-Woche und daher 173,33 Monatsstunden seien dies 1.473,33 Euro brutto. Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien nicht auf den Mindestlohn anrechenbar, da sie dem erhöhten Aufwand während des Urlaubs bzw. als Honorierung der Betriebstreue dienten. Auch die vertraglich vereinbarten Lohnzuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit müssten auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns geleistet werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin lediglich Nacharbeitszuschläge i.H.v. 0,80 Euro zugesprochen. Im Übrigen wies es die Berufung der Klägerin zurück.
Entscheidung des BAG
Das BAG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der gesetzliche Mindestlohn trete als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese aber nicht. Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu bemessende Mindestlohnanspruch sei erfüllt, da auch die vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Sonderzahlungen in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen seien. Auch Lohnzuschläge seien nicht auf Basis des Mindestlohns sondern des vertraglich vereinbarten Stundenlohns zu berechnen. Nur bei Berechnung der Nachtzuschläge sei der gesetzliche Mindestlohn zugrunde zu legen, da es sich hierbei um eine gesetzliche Regelung im Arbeitszeitgesetz handele, wonach für Nacharbeit ein „angemessener Zuschlag“ zu zahlen ist. Dies stelle eine besondere gesetzliche Zweckbestimmung dar, weshalb auch der gesetzliche Mindestlohn hierfür die Grundlage bilde.
Hinweise für die Praxis
Das BAG ist im Ergebnis dem Gesetzgeber insoweit gefolgt, als es das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn anrechnete, weil beides monatlich und damit innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fälligkeit des Mindestlohns gezahlt wurde und unwiderruflich der Arbeitnehmerin verblieb. Daher können auch Sonderzahlungen, die zumindest auch die Leistung des Arbeitnehmers honorieren und diesem unwiderruflich verbleiben, d.h. nicht mit einem Widerrufsvorbehalt oder einer Rückzahlungsklausel versehen sind, auf den Mindestlohn angerechnet werden und so zum einem Stundenlohn entsprechend den gesetzlichen Vorgaben führen.
Wird ein Stundenlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns gezahlt, können Sonderzahlungen dies ggf. ausgleichen. Dafür darf im Arbeitsvertrag aber kein Widerrufsvorbehalt oder eine Rückzahlungsklausel enthalten sein. Auch ist bislang nur zugunsten einer Anrechnung entschieden, wenn die Sonderzahlung monatlich erfolgt (hier zu 1/12). Nach dieser Rechtsprechung wäre auch eine Zahlung in zwei Monatsabschnitten wohl noch ausreichend. Ob Sonderzahlungen auch dann anrechenbar sind, wenn sie nur jährlich gezahlt werden, bleibt auch nach dem Urteil des BAG weiterhin offen.
(BAG Urteil v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16)
Caroline Fündling, Rechtsanwältin
Frankfurt am Main