Dezember 2012 Blog

Urlaubsansprüche auch bei langer Krankheit doch nur befristet übertragbar?

Urlaubsansprüche auch bei langer Krankheit doch nur befristet übertragbar?


Die Rechtsprechung der deutschen Landesarbeitsgerichte tendiert derzeit dazu, eine Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen nun doch zeitlich zu begrenzen. Eine unbegrenzte Übertragbarkeit, wie sie aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2009 zu befürchten war, scheint damit vom Tisch.

Der EuGH hatte am 20. Januar 2009 in seiner berühmten Entscheidung „Schultz-Hoff“ (C-350/06) entschieden, dass Urlaubsansprüche, die Arbeitnehmer aufgrund langdauernder Krankheit nicht in Anspruch nehmen können, nicht verfallen, sondern auf das nächstfolgende Kalenderjahr übertragen werden müssen. Diese Entscheidung hatte massive Auswirkungen auch auf das deutsche Recht, denn nach bisheriger deutscher Rechtsprechung wären derartige Urlaubsansprüche jedenfalls am 31. März des Folgejahres ersatzlos verfallen.

Da sich der EuGH seinerzeit nicht dazu geäußert hatte, ob eine Übertragung nur in das nächste Kalenderjahr oder (bei fortdauernder Krankheit) auch in spätere Kalenderjahre zu erfolgen hat, wurde befürchtet, dass sich bei Arbeitnehmern, die über mehrere Jahre hinweg erkrankt sind, enorme Urlaubsguthaben anhäufen. Und weil ein Urlaubsanspruch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch immer mit einem Abgeltungsanspruch einhergeht, würden sich auf diese Weise auch enorme finanzielle Belastungen kumulieren, die für Unternehmen infolge bilanzieller Rückstellungen sogar Auswirkungen auf den Jahresabschluss haben. Entsprechende Unsicherheit herrschte seither im deutschen Arbeitsrecht.

Am 22. November 2011 hat dann der EuGH in einem anderen Fall (C 214/10) entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, die ein Verfallen derartiger angesammelter Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres vorsehen, wirksam und gerechtfertigt sei. Hintergrund dieser Überlegung ist ein Abkommen der ILO („International Labour Organisation“), das einen Übertragungszeitraum von 18 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres für angemessen erachtet. Ganz so lange müsse es laut EuGH noch nicht einmal dauern.

Da diese Entscheidung des EuGH allerdings explizit nur für Regelungen in Tarifverträgen gilt, ist die oben dargestellte Unsicherheit damit noch nicht beseitigt. Was denn geschieht, wenn keine anwendbare tarifliche Regelung besteht, haben bislang weder der EuGH noch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Allerdings bemühen sich seit einigen Monaten einzelne Landesarbeitsgerichte (LAG) darum, Licht ins Dunkel zu bringen.

So hat z. B. das LAG Baden-Württemberg am 28. Dezember 2011 (10 Sa 19/11) in Übernahme der Rechtsprechung des EuGH zu tariflichen Regelungen einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres generell als ausreichend erachtet. Das LAG Hamm hingegen hat in einem Urteil vom 12. Januar 2012 (16 Sa 1352/11) in Anlehnung an das ILO-Abkommen einen Übertragungszeitraum von 18 Monaten gefordert.

Unabhängig davon, ob der EuGH bzw. das BAG nun in Kürze – entsprechende Verfahren sind bereits anhängig – zu dem Ergebnis kommen, dass der Übertragungszeitraum 15 oder 18 Monate zu betragen hat, so scheint derzeit jedenfalls die Tendenz dahin zu gehen, dass eine grenzenlose Übertragung der Urlaubsansprüche nicht stattfindet. Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2010 beispielsweise scheinen damit jedenfalls spätestens am 30. Juni 2012 zu verfallen. Die tatsächlichen Entscheidungen des BAG und des EuGH blieben jedoch noch abzuwarten.

Christoph J. Hauptvogel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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