Welche Zahlungsansprüche unterliegen arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen? – BAG zur Rückzahlung von Arbeitgeberdarlehen
Ausschlussfristen sind immer wieder Gegenstand arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Gestritten wird häufig über deren inhaltliche Grenzen, Form und Transparenz. Aber unterfallen auch solche Zahlungsansprüche der Ausschlussfrist, die nicht unmittelbar im Arbeitsvertrag geregelt sind?
Hintergrund
Zahlungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen unterliegen üblicherweise der dreijährigen gesetzlichen Regelverjährungsfrist. Für die Parteien des Arbeitsverhältnisses können derart lange Fristen unerwünscht sein, will man doch insbesondere im Fall einer Trennung schnell Klarheit und Rechtssicherheit über etwaig noch offene Forderungen. Häufig werden daher Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen vereinbart. Ansprüche, die von derartigen Ausschlussfristen erfasst sind, können je nach Vereinbarung deutlich schneller verfallen als sie ansonsten verjähren würden. Die Frist für den Verfall der Ansprüche darf dabei aber nicht kürzer als drei Monate sein.
Dementsprechend häufig sind Ausschlussfristen Gegenstand arbeitsgerichtlicher Zahlungsklagen. Gerade in den letzten Jahren hat das Bundesarbeitsgericht immer wieder neue Entscheidungen zu den Anforderungen an deren rechtswirksame Ausgestaltung getroffen. Dies betraf beispielsweise Vorgaben zur Form der Geltendmachung der Ansprüche, um die Ausschlussfrist zu wahren (Textform; vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21), sowie die explizite Ausnahme von Ansprüchen aus vorsätzlichen Vertragspflichtverletzungen oder unerlaubten Handlungen (vgl. BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20; siehe dazu auch BAG ändert Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussklauseln.
In der vom neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts im April 2024 getroffenen Entscheidung ging es nunmehr aber nicht um die Frage, welche Ansprüche abstrakt von einer Ausschlussfrist erfasst sein können bzw. dürfen, sondern vielmehr darum, welche Ansprüche konkret erfasst sind, wenn die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist – wie in der Praxis üblich – ,,alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis‘‘ erfassen soll.
Sachverhalt
Gestritten wurde über die Rückzahlung eines vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu Ausbildungszwecken gewährten Darlehens.
Der Arbeitnehmer hatte sich beim Arbeitgeber als Co-Pilot beworben. Für den Einsatz in einem bestimmten Flugzeugtyp benötigte er allerdings eine bestimmte Musterberechtigung. Diese war zwingender Bestandteil seiner Luftfahrterlaubnis. Die Parteien schlossen daraufhin im Juli 2018 einen Darlehensvertrag zu deren Finanzierung im Umfang von knapp über EUR 20.000. Kurz darauf begründeten sie ein Arbeitsverhältnis auf Grundlage eines Arbeitsvertrags. Dieser sah selbst keine Ausschlussfrist vor, verwies aber auf einen zwischen den Parteien anwendbaren Rahmenvertrag mit weiteren Regelungen zum Arbeitsverhältnis, unter anderem zur Vergütung und Zulagen. Besagter Rahmenvertrag enthielt wiederum eine zweistufige Ausschlussfrist von drei Monaten für ,,alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis‘‘.
Nachdem der Arbeitnehmer mit der ratenweisen Abbezahlung des Darlehens begonnen hatte und der Arbeitgeber zwischenzeitlich insolvent geworden war, endete das Arbeitsverhältnis der Parteien im April 2019. Im September und November 2020 forderte der bestellte Insolvenzverwalter die Rückzahlung des Restdarlehens im Umfang von knapp unter EUR 20.000 zunächst außergerichtlich und später gerichtlich ein.
Während sich der Arbeitnehmer darauf berief, dass die Ausschlussfrist des Rahmenvertrags der Rückzahlungsforderung entgegenstünde, war der klagende Insolvenzverwalter der Auffassung, diese sei für den Anspruch auf Rückzahlung des gewährten Darlehens nicht anwendbar.
Entscheidung
Nachdem die Zahlungsklage des Insolvenzverwalters in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg hatte, scheiterte sie nunmehr auch vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht.
Der neunte Senat des BAG ordnete den Rückzahlungsanspruch des Darlehens als ,,Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis‘‘ ein, der somit von der Ausschlussfrist des Rahmenvertrags erfasst sei.
Für die Frage, ob ein Anspruch ein solcher ,,aus dem Arbeitsverhältnis‘‘ sei, komme es auf die Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis an. Der Rückzahlungsanspruch aus einem Arbeitgeberdarlehen sei daher nicht pauschal als ,,Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis‘‘ einzuordnen. Vielmehr komme es auf die konkrete Ausgestaltung des Darlehensvertrags an.
Für den hiesigen Fall bejahte der neunte Senat die enge Verknüpfung, da die betroffenen Verträge mehrfach aufeinander Bezug nahmen.
Praxisfolgen
Was lässt sich aus der Entscheidung für die praktische Handhabung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen mitnehmen?
- Ausschlussfristen sind nicht nur für Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber relevant. Arbeitgeber sollten also in der praktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses stets im Blick haben, ob ihnen Ansprüche gegen die Arbeitnehmer zustehen, die möglicherweise arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. Im Hinblick auf die Gestaltung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen ist eine einseitige Formulierung (nur die Ansprüche des Arbeitnehmers unterliegen der Ausschlussfrist) jedenfalls nicht zulässig und führt zur Unwirksamkeit der Klausel. Will der Arbeitgeber also zur Abwehr etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche nicht auf eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist verzichten, muss er diese gleichzeitig so ausgestalten, dass auch seine Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erfasst sind.
- Arbeitsverhältnisse bestehen nicht nur aus dem Arbeitsvertrag als solchem. Hinzu treten gesetzliche Regelungen, Zusatz- oder Ergänzungsvereinbarungen, tarifliche Regelungen usw. Entscheiden sich Arbeitgeber also dazu, eine Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag aufnehmen zu wollen, ist stets zu prüfen und ggf. einschränkend oder erweiternd zu formulieren, welche Ansprüche (nicht) von der Ausschlussfrist erfasst sein sollen.
- Parallelen bestehen auch zu Erledigungsklauseln in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen, mit denen im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Ansprüche – soweit zulässig – zum Erloschen gebracht werden sollen. Auch hier sollten Arbeitgeber stets prüfen, welche Ansprüche ihnen gegenüber dem Arbeitnehmer zustehen könnten und, ob einzelne Ansprüche ggf. von der Erledigungsklausel ausgenommen werden sollen.
(BAG, Urteil vom 16. April 2024 – 9 AZR 181/23)