Wirtschaftliche Neugründung in der Liquidation
Die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung finden auch in der Liquidation einer GmbH Anwendung. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 10. Dezember 2013 klargestellt. Bei der Verwendung des „Mantels“ einer inaktiven Abwicklungsgesellschaft sind daher wie bei der Wiederbelebung einer ehemals werbenden Gesellschaft die Gründungsvorschriften zu beachten.
Seit zwei Grundsatzentscheidungen des BGH aus den Jahren 2002 (Az.: II ZB 12/02) und 2003 (Az.: II ZB 4/02) steht fest: Die (Re-)Aktivierung einer inaktiven Gesellschaft durch (Wieder-)Aufnahme einer (neuen) Geschäftstätigkeit ist im Wesentlichen wie die „normale“ rechtliche Gründung einer Gesellschaft zu behandeln. Hierdurch soll eine Umgehung der Gründungsvorschriften verhindert und aus Gläubigerschutzgründen die Kapitalausstattung der Gesellschaft bei Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit sichergestellt werden. Folge der entsprechenden Anwendung der Gründungsvorschriften ist insbesondere die Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, verbunden mit der Versicherung, dass das Stammkapital der Gesellschaft unversehrt vorhanden ist. Besteht eine Deckungslücke zwischen dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen und dem satzungsmäßigen Stammkapital der Gesellschaft, haften hierfür die Gesellschafter nach den Grundsätzen der sog. Unterbilanzhaftung.
Die Details zur entsprechenden Anwendung der Gründungsvorschriften auf den Fall der wirtschaftlichen Neugründung wurden in den letzten Jahren in einer Reihe von Gerichtsentscheidungen weiter herausgearbeitet. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 (Az.: II ZR 61/09) stellte der BGH zunächst nochmals klar, dass eine wirtschaftliche Neugründung nur bei der Aktivierung von Gesellschaften, die kein aktives Unternehmen betreiben und somit eine „leere Hülse“ sind, in Betracht komme. Sofern die Gesellschaft noch mit Vorbereitungshandlungen für die Aufnahme einer späteren Geschäftstätigkeit befasst ist, könne daher nicht von einer inaktiven Gesellschaft ausgegangen werden. Anfang 2012 äußerte sich der BGH (Az.: II ZR 56/10) zudem zum Umfang der Unterbilanzhaftung bei einer unterbliebenen Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung (siehe GvW-Newsletter Mai 2012). Um unverhältnismäßige Haftungsrisiken für die Gesellschafter zu vermeiden, wurde die Haftung auf eine etwaige Deckungslücke zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung begrenzt.
Mit der jüngsten Entscheidung vom 10. Dezember 2013 hat der BGH nun eine weitere offene Frage geklärt: Finden die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch in der Liquidation einer GmbH Anwendung? Im Anschluss an eine Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahr 2012 (Az.: 23 U 197/11) wird dies von dem BGH grundsätzlich bejaht, da auch bei der Reaktivierung von Abwicklungsgesellschaften die Gefahr einer Umgehung der Gründungsvorschriften bestehe. Wie bei einer werbenden Gesellschaft komme eine wirtschaftliche Neugründung allerdings nur bei der Wiederbelebung einer inaktiven (Abwicklungs-)Gesellschaft in Betracht. Allein die Zweckänderung der Abwicklungsgesellschaft hin zu einer werbenden Gesellschaft stelle als solche jedenfalls keine wirtschaftliche Neugründung dar. Werden während der Abwicklungsphase noch nennenswerte Liquidationsaufgaben wahrgenommen, die auf den Schluss der Liquidation zusteuern, könne nicht von einem inaktiven Mantel ausgegangen werden. Auf ein nach außen gerichteten Geschäftsbetrieb komme es insoweit nicht an.
Die Entscheidung des BGH bringt weitere Rechtssicherheit bei der Anwendung der Grundsätze zur wirtschaftlichen Neugründung. Dennoch ist auch bei der Aktivierung von Abwicklungsgesellschaften stets in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob die Gründungsvorschriften entsprechend Anwendung finden, um eine persönliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer zu vermeiden.
(BGH, Versäumnisurteil v. 10. Dezember 2013 – II ZR 53/12)
Carsten D. Liersch, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Dr. Lars Weber, Rechtsanwalt