August 2018 Blog

Post aus Brüssel - Der Sanierungsgewinn vor der endgültigen Abschaffung

Seit Jahren streiten Gerichte, Finanzverwaltung und die Kommission um die Behandlung der Sanierungsgewinne im Rahmen der Restrukturierung von Unternehmen. Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium bestätigt, dass die EU beabsichtigt, die bereits verabschiedete, aber noch nicht gültige gesetzliche Regelung zum Erlass solcher Gewinne nicht als europarechtswidrige Beihilfe anzusehen. Entgegen der Absicht der Bundesregierung ist die Regelung aber auch nach dieser Mitteilung aufgrund einer Formalie noch nicht in Kraft.

Hintergrund

Um ein Unternehmen vor einer drohenden Insolvenz zu retten oder im Rahmen eines Insolvenzplans zu sanieren, sind dessen Gläubiger häufig zu einem (Teil-)Verzicht ihrer Forderungen bereit. Im Falle einer Insolvenz droht ohnehin die wirtschaftliche Wertlosigkeit ihrer Forderung. Für den Schuldner wiederum vergrößert sich durch den Verzicht sein finanzieller Spielraum. Allerdings erhöht sich durch die Ausbuchung von Verbindlichkeiten das steuerliche Betriebsvermögen des Schuldners. Dieser sog. Sanierungsgewinn kann zu einer größeren Steuerbelastung führen. Der durch den Forderungsverzicht erlangte finanzielle Spielraum ist dann oft schnell verbraucht.

Bis zu einer Gesetzesänderung im Jahr 1997 war der Sanierungsgewinn grundsätzlich gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F. steuerfrei. Im Jahr 2003 reagierte das BMF auf die Aufhebung dieser Regelung mit dem sog. Sanierungserlass. Unter den im Sanierungserlass genannten Voraussetzungen (Sanierungsbedürftigkeit, zumindest teilweiser Erlass der Schulden, Sanierungsabsicht und Sanierungseignung) wurden Sanierungsgewinne bislang faktisch in denselben Fällen steuerlich privilegiert wie unter der früheren Gesetzeslage.

Der BFH hat im Jahr 2016 diese Regelung gekippt, da hierfür ein Gesetz erforderlich wäre und eine reine Verwaltungsanweisung nicht ausreiche (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15, wir berichteten).

Die sich hieraus ergebenden Folgen waren gravierend. Restrukturierungen durch Insolvenzpläne waren faktisch unmöglich geworden. In der Folge entwickelte die Beraterszene zwar neue Varianten, etwa das Stundungsmodell (statt Forderungsverzicht wurden diese vom Investor angekauft, gestundet und mit einem Nachrang versehen, angewandt im Planverfahren Paracelsus Kliniken) oder durch eine Ausgliederung nach § 123 Abs.3 UmwG ( Ausgliederung des Geschäftsbetriebes mit den quotalen Verbindlichkeiten auf ein neues Unternehmen, Restschulden verbleiben im alten Unternehmen, welches durch den Verwalter abgewickelt wird, angewandt im Planverfahren der deutschen „dunkin donuts“-Betreibergesellschaft). Bei beiden Varianten sind jedoch viele Fragen ungeklärt und daher gerade für etwaige Investoren mit einem erheblichen Risiko belastet.

Der Gesetzgeber reagierte ungewöhnlich schnell. Der Bundestag hat am 27.04.2017 (BT-Drucks. 18/12128) die Nichtbesteuerung von Sanierungsgewinnen mit der Schaffung des § 3a EStG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Allerdings war sich Berlin nicht sicher, dass ein derartiger staatlicher Erlass nicht als (europarechtlich) unzulässige Staatsbeihilfe anzusehen ist. Deshalb hat der Gesetzgeber das Inkrafttreten der Norm an einen förmlichen Beschluss der EU-Kommission geknüpft, dass es sich nicht um eine rechtwidrige Beihilfe handelt.

Die Entscheidung der Kommission und die Auswirkungen

Der Brief aus Brüssel stellt nunmehr die Antwort dar. Inhaltlich hat die Kommission klargestellt, dass es keine rechtswidrige Beihilfe in der Regelung sieht. Allerdings hat die Kommission nicht mittels eines förmlichen Beschlusses, sondern nur in der Form eines „comfort-letters“ geantwortet, der bedeutet, dass die Kommission beabsichtigt die Akte ohne Entscheidung zu schließen. Die Folge hiervon ist, dass die Regelung des § 3a EStG nunmehr nicht automatisch in Kraft tritt, da eben nicht der erforderliche Beschluss der Kommission vorliegt. Der Gesetzgeber muss nun ein neues Gesetzgebungsverfahren einleiten, was zu weiterem Zeitverzug führt. Andererseits dürfte nun wenigstens klar sein, dass die Regelung zulässig ist und daher auch in naher Zukunft, nach Schaffung der gesetzlichen Grundlage, wieder angewandt werden kann und somit die Besteuerung von Sanierungsgewinnen die Restrukturierung von Unternehmen nicht mehr behindert. Es ist davon auszugehen, dass auch der neuerliche Gesetzesvorschlag rückwirkend für vergangene Tatbestände gelten wird.

Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin

Uli Schmidt, Rechtsanwalt
München

Lars-Olaf Leskovar, LL.M., Rechtsanwalt
Frankfurt a.M.

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