Februar 2017 Blog

Neue Regelungen im Störfallrecht – Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie

Am 7. Dezember 2016 sind mit dem Artikelgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen (sogenannte Seveso-III-Richtlinie) Neuerungen mit Blick auf störfallrelevante Anlagen in Kraft getreten. Insbesondere wurde das Bundes-Immissionsschutzgesetzes erheblich geändert.

Sicherheitsabstände

Nach dem neu geschaffenen § 16a BImSchG bedürfen störfallrelevante Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen nunmehr stets einer Genehmigung, wenn durch sie der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten (Wohngebiete, öffentlich genutzte Gebäude, Freizeitgebiete etc.) erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschritten Sicherheitsabstand räumlich noch weiter verkleinert wird oder durch sie eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird.

Die Handhabung dieser Vorschrift dürfte in der Praxis jedoch nicht unproblematisch sein, weil das Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht konkret vorgibt, wie der angemessene Sicherheitsabstand zu bestimmen ist. So heißt es in der neu eingefügten Definition des angemessenen Sicherheitsabstands, § 3 Abs. 5c BImSchG, nur allgemein, dass der angemessene Sicherheitsabstand anhand störfallrechtlicher Kriterien zu ermitteln ist. Wie dies in der Praxis aussehen soll, bleibt vorerst unklar. Eine Klärung könnte durch die beabsichtigte Schaffung einer technische Anleitung über die Abstandsflächen (vergleichbar den bekannten Regelwerken TA Luft und TA Lärm) erfolgen. Die Rechtsgrundlage zum Erlass einer solchen Verwaltungsvorschrift wurde mit dem neuen § 48 Abs. 1 Nr. 6 BImSchG bereits geschaffen. Wann die TA Abstand tatsächlich vorliegen wird, ist jedoch noch nicht absehbar. Insofern muss man sich bis dahin bei der Bestimmung eines angemessenen Sicherheitsabstands wohl weiterhin an den landesrechtlichen Abstandserlassen bzw. dem sogenannten Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit orientieren.

Genehmigungsverfahren bei störfallrelevanten Änderungen

Bei der Errichtung oder der Änderung von genehmigungsbedürftigen Störfallanlagen ist stets ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, § 19 Abs. 4 BImSchG. Für die Errichtung und die Änderung von nicht genehmigungsbedürftigen Störfallanlagen ist in § 23a und 23b BImSchG ein zweistufiges Anzeige-und Genehmigungsverfahren vorgesehen. Auf der ersten Stufe ist die störfallrelevante Errichtung bzw. die Änderung der zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese hat dann festzustellen, ob das Vorhaben dazu führt, dass angemessene Sicherheitsabstände betroffen sind. Wenn dies der Fall ist, ist gemäß § 23b BImSchG ein störfallrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen. Auch dieses Verfahren sieht eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor.

Änderungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung

Darüber hinaus werden durch das Artikelgesetz Änderungen im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) vorgenommen. Insbesondere ist in § 3d UVPG nunmehr geregelt, dass Vorhaben einer UVP-Pflicht unterfallen, die zwar nicht selbst eine Störfallanlage darstellen, aber Schutzobjekt einer solchen Anlage sind und innerhalb des Sicherheitsabstandes eines Störfallbetriebs verwirklicht werden sollen.

Änderungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes

Ferner werden alle Genehmigung für Anlagen mit störfallrechtlicher Relevanz in den Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes aufgenommen, so dass stets die Möglichkeit der Verbandsklage durch einen anerkannten Umweltverband besteht.

Änderungen der Störfallverordnung

Parallel zu diesen Gesetzesänderungen wurde zudem die Störfallverordnung (12. BImSchV) geändert. Hier wurde der Anhang 1 (Mengenschwellen) neu gestaltet. Unter anderem sind zum Teil andere Stoffe als bisher erfasst. Zudem sieht die Verordnung für Betreiber von Störfallanlagen Informationspflichten für die Öffentlichkeit vor.

Fazit

Die neuen gesetzlichen Änderungen führen im Ergebnis zu einer deutlich verschärften Gestaltung der Genehmigungsverfahren für Störfallanlagen. Mangels konkreter Vorgaben für die Bestimmung der angemessenen Sicherheitsabstände verbleibt es dabei bei einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die Anlagenbetreiber. Neben den vorgestellten Regelungen ist zukünftig mit weiteren flankierenden Regelungen mit Blick auf das Störfallrecht zu rechnen (so z.B. im Rahmen der bevorstehenden Städtebaunovelle.

Dr. Andreas Wolowski, LL.M. (Edinburgh), Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Hamburg

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