Februar 2020 Blog

Anlage­ver­mitt­ler muss in Werbe­videos deutlich vor Total­verlust­risiko warnen

In Werbevideos für öffentlich angebotene Vermögensanlagen müssen Anleger vor einem möglichen Totalverlust gewarnt werden, wobei es nicht reicht, den Warnhinweis in kleiner Schrift und nur für wenige Sekunden einzublenden.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall macht ein klagender Verbraucherverein Unterlassungsansprüche wegen aus seiner Sicht irreführender Werbevideos für Vermögensanlagen geltend. Das beklagte Unternehmen betreibt eine Internetplattform, über die es Vermögensanlagen in Immobilien vermittelt. Allen von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen ist gemeinsam, dass sie mit einem festen Zinssatz ausgestaltet sind und keine Gewinn- oder Verlustbeteiligung beinhalten. Dem Anleger entstehen beim Erwerb der von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen über den Erwerbspreis hinaus keine Kosten.

Konkret ging es um zwei von der Beklagten veröffentlichte Werbevideos, in denen sich folgender Dialog zwischen den Schauspielern entwickelt:

„Ich habe gehört, du investierst jetzt auch in Immobilien.
Ja, bei E.
Was ist denn das, E.?
Da kannst du online in Immobilien investieren – ab 500 Euro. Ganz einfach.
Bei solchen Geschichten hast du doch mehr Kosten als Rendite.
Bei E. gibt´s keine Kosten!
Und die jährliche Rendite?
Bis zu 6%!“
 

Hiergegen wandte der Kläger ein, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Werbeaussage so, dass die Inanspruchnahme der Beklagten keine zusätzlichen Kosten verursache, und zwar weder direkte noch indirekte Kosten. Diese Vorstellung sei jedoch unzutreffend, da Kosten durchaus auf den Verbraucher abgewälzt würden, nämlich indem der Erwerbspreis der Vermögensanlagen entsprechend erhöht werde. Zudem werde der in den Werbevideos enthaltene Warnhinweis „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen“ zu kurz gezeigt und nicht deutlich hervorgehoben.

Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Ein Unterlassungsanspruch bezüglich der streitgegenständlichen Werbung mit der Aussage „Bei E. gibt´s keine Kosten!“ bestehe nicht, hingegen aber hinsichtlich der Werbevideos ohne deutlich hervorgehobenen Warnhinweis.

Die Werbeaussage „Bei E. gibt´s keine Kosten!“ ist nach Ansicht des Gerichts nicht irreführend. Ein Unterlassungsanspruch sowohl aus §§ 3, 5, 8 UWG als auch aus § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 FinVermV bestehe nicht. Zu berücksichtigen sei der konkrete Kontext, in dem die beanstandete Aussage getätigt wurde. Da die Aussage nicht isoliert, sondern als unmittelbare Reaktion auf die Behauptung „Bei solchen Geschichten hast du doch mehr Kosten als Rendite“ getätigt worden sei, verstehe der Verkehr die angegriffene Aussage so, dass ihm als Anleger keine weiteren Kosten entstünden, die seine Rendite minderten, wie es z.B. bei Wertpapieren in Form von Depotgebühren und Transaktionskosten der Fall sei. Eine Fehlvorstellung des Verkehrs liege insoweit nicht vor, da bei den von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen tatsächlich keine weiteren Kosten für den Anleger anfielen und der dem Anleger gezahlte Zinssatz fest sei. Es sei somit ausgeschlossen, dass die vereinbarte Rendite der Anleger durch Kosten gemindert werde, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von der Emittentin an die Beklagte zu zahlen seien.

Hinsichtlich des in den Werbevideos dargestellten Warnhinweises führt das Gericht aus, dass dieser bislang nicht den Anforderungen von § 12 Abs. 2 VermAnlG genüge. Hierfür sei erforderlich, dass der Warnhinweis deutlich hervorgeben werde, um während der gesamten Dauer des Videos für den Zuschauer deutlich erkennbar zu sein. Dies sei nicht der Fall, wenn der Hinweis – wie vorliegend – nur für etwa zwei Sekunden sichtbar und zudem in einer zu kleinen Schrift verfasst sei. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich daher aus § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 VermAnlG.

Zudem stellt das Gericht fest, dass die Beklagte, wenngleich sie nur eine Vermittlungsplattform für Vermögensanlagen betreibe, als Anbieterin im Sinne des § 12 Abs. 2 VermAnlG anzusehen sei und sie daher die Pflichten nach § 12 Abs. 2 VermAnlG träfen. Entscheidend hierfür sei, dass sie in den streitgegenständlichen Werbevideos für den Verkehr erkennbar als Anbieterin auftrete. Auch handele es sich bei den Videos um Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen im Sinne der Norm. Um einen wirksamen Anlegerschutz zu gewährleisten, sei der Begriff der Werbung weit zu verstehen und daher jede Äußerung umfasst, die mit dem Ziel erfolge, den Absatz der Vermögensanlagen zu fördern. Dass in den Videos ein hinreichender Bezug zu den von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen hergestellt werde, genüge für das Vorliegen von Werbung im Sinne des § 12 Abs. 2 VermAnlG. Ein konkretes öffentliches Angebot müsse die Werbung nicht enthalten.

(LG Hamburg, Urteil vom 28.11.2019 – 312 O 279/18)

Katharina Teitscheid, Rechtsanwältin
Frankfurt a.M.

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