Februar 2020 Blog

Wie „sicher“ ist der Eigen­tums­vor­be­halt in der Insol­venz des Käufers?

Die Konjunkturdaten werden schlechter, die Anzeichen einer Krise mehren sich. In dieser Situation wähnen sich Lieferanten, die sich mit Eigentumsvorbehalten und Weiterverarbeitungs- sowie Weiterveräußerungsklauseln gegen die Insolvenzrisiken ihrer Vertragspartner absichern wollen, in Sicherheit. Diese Sicherheit ist jedoch trügerisch.

Trotzt Insolvenzantragstellung kann der Verkäufer dem Käufer nämlich nicht so ohne weiteres die Befugnis entziehen, die Ware weiter zu veräußern und den Kaufpreis einzuziehen.

Sachverhalt

Im nun vom BGH entschiedenen Fall hatte der Warenlieferant, nachdem er Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten seines Vertragspartners erhalten hatte, der Vertragspartnerin der Insolvenzschuldnerin angezeigt, dass der Verkaufserlös an sie abgetreten sei. Die Vertragspartnerin zahlte den Betrag dennoch an den Rechtsanwalt der Insolvenzschuldnerin aus. Von dort wurden zunächst Nachunternehmer bezahlt und der Restbetrag an die Insolvenzschuldnerin ausgekehrt, die unmittelbar nach Erhalt des Restgeldes einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte. Der vorläufige Insolvenzverwalter zog das Kontoguthaben zur Insolvenzmasse. Mit der Klage verlangte der Lieferant die Auszahlung des Verkaufserlöses in Höhe der eigenen Kaufpreisforderung.

Entscheidung

Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben und das OLG die Klage abgewiesen hatte, hat der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurückverwiesen.

Der Senat hat dabei klargestellt, dass die reine Mitteilung einer Abtretung regelmäßig nicht ausreicht, eine positive Kenntnis des Dritten von der Abtretung zu begründen. Vielmehr müssen hierfür entsprechende Nachweise übersandt werden oder sich die positive Kenntnis aus anderen Gründen ergeben. Folge hiervon ist, dass der Drittschuldner unter Umständen trotz der reinen Anzeige schuldbefreiend an den Insolvenzschuldner zahlen kann.

In der Abtretungsanzeige könne nach Auffassung des Senates auch der Widerruf einer Einziehungsermächtigung der Kaufpreisforderung zu sehen sein. Grundsätzlich darf der Vorbehaltsverkäufer aber nicht ohne weiteres seine Einwilligung zur Weiterveräußerung und damit verbunden das Recht, diese Forderungen einzuziehen, widerrufen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vorbehaltskäufer das Insolvenzverfahren beantragt hat bzw. ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Ob das im konkreten Fall möglicherweise anders war, muss das OLG nunmehr klären.

Ist sowohl die Abtretung nicht so offengelegt worden, dass der Drittschuldner die Abtretung positiv kannte und liegt auch kein zulässiger Widerruf der Einziehungsermächtigung vor, so liegt auch keine unberechtigte Einziehung der Insolvenzschuldnerin vor, so dass der Gläubiger kein Ersatzabsonderungsrecht an dem Kaufpreis hat, sondern nur eine Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden kann.

Praxishinweise

Die Entscheidung zeigt, dass der Eigentumsvorbehalt mit seinen üblichen Erweiterungsklauseln in der Insolvenz des Käufers nicht immer Sicherheit bietet. Gerade die umstrittene Rechtsauffassung des Senates zu der Frage, ob eine Einwilligungsbefugnis zur Weiterveräußerung im Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung widerrufen werden kann, sorgt dafür, dass der Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel in der vorläufigen Insolvenz faktisch entwertet sein kann.

Darüber hinaus stellt die Entscheidung klar, unter welchen Voraussetzungen ein Drittschuldner tatsächlich positive Kenntnis von der Abtretung des Kaufpreisanspruches hat, so dass er nur noch an den neuen Gläubiger schuldbefreiend zahlen kann. Die dortigen Ausführungen sollten in der Praxis unbedingt berücksichtigt werden, sofern man denn zu dem Schluss kommt, dass die Abtretung offengelegt werden darf.

(BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – IX ZR 26/19)

Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin

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