Februar 2021 Blog

Keine An­sprüche aus Pros­pekt­haf­tung im weiteren Sinne gegen Er­werber von Komman­dit­anteilen

Anlegerkommanditisten können Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Aufklärung beim Erwerb ihrer Beteiligung nicht gegenüber einem Erwerber des Kommanditanteils eines Gründungsgesellschafters geltend machen.

Sachverhalt

Der klagende Anleger wurde bei Erwerb der Beteiligung an einer Publikums-KG von deren Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin (T) nicht hinreichend über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt. Der Kommanditanteil der T wurde einige Jahre später von der Beklagten übernommen. Nachdem die Beteiligung notleidend wurde, nahm der Kläger die Beklagte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen fehlerhafter Risikoaufklärung auf Schadenersatz in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) gaben der Klage statt. Zur Begründung führte das OLG aus, die Beklagte sei aufgrund der Übernahme des Kommanditanteils der T in vollem Umfang in die Rechtsbeziehungen zwischen der T und dem Kläger eingerückt und daher auch Schuldnerin der gegen jene gerichteten Ansprüche aus Aufklärungspflichtverletzungen.

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob auf die Revision der Beklagten das Urteil auf und wies die Klage ab. Zwar sei es richtig, dass der Erwerber eines Kommanditanteils gemäß § 173 HGB auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft hafte. Daher könnten ihn aufgrund der Übernahme der Rechtsstellung des Altgesellschafters auch Verbindlichkeiten der Altgesellschafter gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis, nicht aber sonstige Verbindlichkeiten des Altgesellschafters treffen. Genau um eine solche „sonstige Verbindlichkeit“ handele es sich aber im vorliegenden Fall.

Die T sei zwar dem Kläger gegenüber wegen Verletzung ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflichten schadenersatzpflichtig. Diese Schadenersatzverpflichtung habe jedoch allein die T getroffen, nicht die Gesellschaft. Jener könne die fehlerhafte Aufklärung der T nämlich nicht zugerechnet werden. Die Schadenersatzverpflichtung der T habe diese damit allein als aufklärungspflichtige Altgesellschafterin getroffen und nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis gegenüber der Gesellschaft oder Mitgesellschaftern. Im Ergebnis hatte die Beklagte daher bei Übernahme des Kommanditanteils der T deren Verpflichtung zum Schadenersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht „mitübernommen“.

Praxishinweis

Der Fall zeigt, das bis in die Obergerichte hinein grundlegende Unklarheiten im Zusammenhang mit der – zugegebenermaßen unübersichtlichen – Regelung der Kommanditistenhaftung gemäß der §§ 171 ff. HGB bestehen. Kaum Abhilfe schafft hier wohl das geplante Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), wie der am 20. Januar 2021 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) veröffentlichte Regierungsentwurf belegt. Denn im Zusammenhang mit der Kommanditistenhaftung begnügt sich der Gesetzgeber im Wesentlichen mit der Korrektur terminologischer Unklarheiten. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch nach dem für den 1.1.2023 geplanten Inkrafttreten des MoPeG eines geschärften Blickes auf die Sach- und Rechtslage, bevor die Haftung eines Kommanditisten vorschnell bejaht wird.

(BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19)

Stephen-Oliver Nündel, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main

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