Juli 2018 Blog

Sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung? Abschied von der Drei-Jahres-Frist

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Teilzeit- und Befristungsgesetz korrigiert. Nach der Linie der Erfurter Arbeitsrichter sollten sachgrundlose Befristungen auch dann zulässig sein, wenn zuvor schon einmal ein Arbeitsverhältnis des Beschäftigten mit diesem Arbeitgeber bestanden hatte – vorausgesetzt, dieses Arbeitsverhältnis war vor mehr als drei Jahren beendet worden. Diese Rechtsprechung haben die Karlsruher Verfassungsrichter nun kassiert, dabei aber einen Vorbehalt für außergewöhnliche Fallkonstellationen formuliert.

Sachverhalt

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes grundsätzlich bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums sind auch bis zu drei Verlängerungen der Befristungsdauer gestattet. Wenn allerdings zuvor schon einmal ein Arbeitsverhältnis zwischen demselben Arbeitgeber und demselben Beschäftigten bestanden hat, scheidet jede sachgrundlose Befristung aus. So sieht es das Gesetz in § 14 Abs. 2 Satz 2 vor – ohne allerdings ausdrücklich zu sagen, ob dies auch dann gilt, wenn die Vorbeschäftigung schon lange zurückliegt. Angesichts dieses Befundes hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Rechtsprechung eine Drei-Jahres-Regel entwickelt: Das Vorbeschäftigungsverbot sollte dann nicht gelten und eine sachgrundlose Befristung sollte zulässig sein, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurücklag.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die BAG-Rechtsprechung nun für verfassungswidrig erklärt, weil sie die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sprenge. Die Gesetzesmaterialien ließen erkennen, dass der Gesetzgeber bei Einführung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine sachgrundlose Befristung in Vorbeschäftigungsfällen habe ausschließen wollen – und zwar unabhängig davon, wie lange die Vorbeschäftigung zurückliege. Dies müssten die Gerichte respektieren.

Das BVerfG erkennt allerdings auch, dass eine ganz strikte und einschränkungslose Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsrechtliche Probleme aufwirft. Daher formulieren die Verfassungsrichter einen kleinen Zumutbarkeitsvorbehalt: Eine sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung bleibt danach möglich, „soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.“ Davon könne insbesondere auszugehen sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. So liege es beispielsweise bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul-, Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung bzw. einer Aus- und Weiterbildung einhergehe.

Praxishinweis

Von der Drei-Jahres-Rechtsprechung des BAG zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG müssen Arbeitgeber sich ab sofort verabschieden. Abzuwarten bleibt allerdings, wie die Arbeitsgerichte den Zumutbarkeitsvorbehalt des BVerfG mit Leben füllen und für die Praxis handhabbar machen. Im Ergebnis hat das BVerfG die vielleicht kritikwürdige, aber immerhin rechtsklare Lösung des BAG durch eine Linie ersetzt, die wenig rechtsklar ist und auch sonst kritisierbar erscheint. Sollte eine Vorbeschäftigung bereits mehrere Jahre zurückliegen, muss nunmehr in jedem Einzelfall geprüft werden, ob anhand der Vorgaben des BVerfG eine sachgrundlose Befristung eingegangen werden kann. Dies dürfte jedoch die Ausnahme sein.

Spannend bleibt daneben, wie der Gesetzgeber reagiert: Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht nämlich Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz vor. Geplant ist dabei u. a. die Einführung einer Karenzzeit von drei Jahren ab Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, nach deren Verstreichen eine (auch sachgrundlose) Befristung mit demselben Arbeitgeber wieder möglich sein soll. Daran ist der Gesetzgeber durch den Beschluss aus Karlsruhe nicht gehindert. Denn dieser fordert Respekt vor dem Gesetzgeber ein, ohne insoweit das Parlament selbst zu limitieren.
(BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018, Az.: 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14)

Marius Bodenstedt, Rechtsanwalt
Dr. Jan Felix Sturm, Rechtsanwalt
beide Hamburg

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