Dezember 2012 Blog

Anteilseinziehung von kündigendem GmbH-Gesellschafter vor Abfindung

Unter welchen Voraussetzungen die Einziehung von Geschäftsanteilen eines GmbH-Gesellschafters bereits vor Zahlung der Ausscheidensabfindung an ihn wirksam sein kann, ist seit langem umstritten.

Das OLG München hatte nun über folgende Fallkonstellation zu entscheiden: Der Kläger hatte als Gesellschafter einer GmbH die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung erklärt.

Darauf hin wurde von der Gesellschaft die Einziehung der Geschäftsanteile beschlossen. Über drei Jahre später machte der Kläger geltend, die Einziehung sei nichtig. Er berief sich darauf, dass (1) die Satzung der Gesellschaft entgegen den Anforderungen des § 34 GmbHG keine ausdrückliche Grundlage für die Einziehung enthielt und dass (2) an ihn keine Ausscheidensabfindung gezahlt worden war.

Das OLG München folgte dem Kläger nicht und bestätigte die Wirksamkeit der Einziehung. Hinsichtlich des ersten Einwands des Klägers konnte das OLG München sich im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die wohl ganz überwiegende Auffassung begnügen, wonach beim außerordentlichen Austritt eines Gesellschafters die Einziehung auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung möglich ist.

Hinsichtlich des zweiten Einwands des Klägers führte das OLG München die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) an, dass der Ausschluss eines Gesellschafters bzw. die Einziehung seiner Geschäftsanteile dann mit sofortiger Wirkung, also mit Wirksamwerden schon vor Abfindungszahlung zulässig ist, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist. Damit sei, so das OLG München, die Einziehung nach vorangegangener Austrittserklärung vergleichbar, da auch dann Einigkeit über das Ausscheiden bestehe.

Allerdings weicht das OLG mit dieser Auffassung von der wohl noch vorherrschenden Lehre ab, dass die Einziehung nur dann vor Zahlung der Abfindung wirksam werden kann, wenn dies in der Satzung angeordnet ist. Der BGH hat zwar Bedenken geäußert, weil die Koppelung an die Abfindung häufig „zu einer schwierigen Schwebelage“ führe. Außer in den Fällen klarer Satzungsregelungen hat der BGH diese Frage aber in mehreren Entscheidungen seit 1995 ausdrücklich offen gelassen. Auch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist nicht einheitlich: In einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellationen knüpfte das OLG Köln das Wirksamwerden der Einziehung an die Zahlung der Abfindung, während das Kammergericht die Zwangseinziehung aus wichtigem Grund schon vor Abfindungszahlung für wirksam erachtete.

Auch ein weiterer Ansatz des OLG München dürfte keine gesicherte Grundlage bieten: Selbst wenn man die Abfindungszahlung als Bedingung für das Wirksamwerden der Einziehung ansehe, könne sich der Kläger laut OLG München darauf nicht berufen, weil er den Eintritt dieser Bedingung dadurch quasi vereitelt habe, dass er seinen Abfindungsanspruch über Jahre nicht verfolgt habe. Dieses aus Sicht des OLG München treuwidrige Verhalten wird allerdings in zahlreichen anderen Einziehungs-Fällen nicht gegeben sein. Zudem ist es zweifelhaft, ob die Nichtgeltendmachung des Abfindungsanspruchs eine größere Verfehlung ist als die Nichtzahlung der Abfindung durch die Gesellschaft.

Es bleibt also abzuwarten, wann und wie der BGH eine klärende Entscheidung trifft.

Bis dahin gilt die Empfehlung, im jeweiligen Gesellschaftsvertrag den Zusammenhang zwischen Ausscheiden (durch Einziehung, Austritt oder Ausschluss) einerseits und Abfindungszahlung andererseits klar zu regeln. Bleibt hingegen unklar, wann z.B. eine Einziehung wirksam wird, also wie lange der „Ausgeschlossene“ noch Gesellschafter ist, kann es für Gesellschaft und verbleibende Gesellschafter zu erheblichen Problemen kommen, die mit der Formulierung des BGH von „einer schwierigen Schwebelage“ eher zurückhaltend beschrieben sind.

(OLG München, Urteil vom 28.07.2011 – 23 U 750/11)

Dr. Matthias Menke, Rechtsanwalt

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