September 2016 Blog

(Wieder) Neues zur Insolvenzanfechtung bei Zahlungen nach Ratenzahlungsbitte

Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in den letzten Jahren in einer Reihe von Entscheidungen mit der Frage der Anfechtbarkeit von Zahlungen befasst, die ein Gläubiger nach einer Bitte des Schuldners um Stundung und Ratenzahlung erhalten hatte. Nachdem zuletzt einige aus Sicht der Gläubiger bzw. Anfechtungsgegner eher ungünstige Urteile ergingen, eröffnet eine aktuelle Entscheidung wieder Verteidigungsmöglichkeiten für Gläubiger.

Hintergrund

Erhält ein Gläubiger von einem Schuldner Leistungen, die der Schuldner mit dem Vorsatz erbringt, seine (anderen) Gläubiger zu benachteiligen, und kennt der Gläubiger diesen Vorsatz, kann der Insolvenzverwalter in einem späteren Insolvenzverfahren die Leistungen nach § 133 Abs. 1 InsO anfechten und verlangen, dass der Gläubiger diese an die Insolvenzmasse zurück gewährt (sog. Vorsatzanfechtung). Die Anfechtung kann dabei Leistungen betreffen, die bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag erfolgt sind.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anwendbarkeit der Vorsatzanfechtung im Laufe der Jahre erheblich ausgeweitet, indem er Indizien definiert hat, die „Beweisanzeichen“ für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Schuldner und eine Kenntnis von diesem Vorsatz beim Gläubiger darstellen. Seit einer Entscheidung vom 6. Dezember 2012 wurde die Bitte eines Schuldners um eine Ratenzahlung als solches Anzeichen angesehen, da dies als Erklärung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger zu werten sei, dass er seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen könne und daher zahlungsfähig sei. Vor diesem Hintergrund wurde im Gesetzentwurf zur Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts aus dem März 2015 vorgesehen, dass allein eine Bitte um Ratenzahlung eine Kenntnis des Gläubigers von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner und damit eine Vorsatzanfechtung nicht mehr begründen können soll (vgl. GvW Newsletter März 2015).

Wohl auch im Hinblick auf die geplante Gesetzesänderung hatte der BGH seine Rechtsprechung zur Ratenzahlungsbitte des Schuldners in einer Entscheidung vom 16. April 2015 eingeschränkt: Eine solche sei dann als anfechtungsrechtlich unverdächtig einzustufen, wenn sie sich „im Rahmen der Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs“ halte (vgl. GvW Newsletter Juni 2015), wobei er dies mit einem Urteil vom 24. September 2015 weiter konkretisiert hat (vgl. GvW Newsletter November 2015). Hieraus wurde abgeleitet, dass eine Ratenzahlungsbitte allein einen Gläubiger nicht mehr automatisch dem zehnjährigen Anfechtungsrisiko aussetze. Bereits mit Urteilen vom 25. Februar 2016 und 24. März 2016 schränkte der IX. Zivilsenat dies jedoch wieder ein, indem er Ratenzahlungsvereinbarungen schon dann nicht mehr als im Rahmen der „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ liegend ansah, wenn die Ratenzahlungsvereinbarung aufgrund fehlender finanzieller Mittel des Schuldners abgeschlossen wird, was jedoch häufig der Fall sein dürfte (vgl. GvW Newsletter Juli 2016).

Entscheidung

Mit seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 14. Juli 2016 stellt der BGH nun wiederum fest, dass bei einer Erklärung des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger, eine fällige Zahlung nicht in einem Zug erbringen und nur Ratenzahlungen leisten zu können, der Gläubiger allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen müsse, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, also zahlungsunfähig ist. Das Oberlandesgericht hatte trotz einer solchen Erklärung des Schuldners aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände keine Kenntnis des Gläubigers von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit angenommen und die Vorsatzanfechtung durch den Insolvenzverwalter als unbegründet angesehen. Dies hat der BGH gebilligt.

Die Erklärung des Schuldners habe zwar ein Indiz für eine Zahlungseinstellung dargestellt. Dieses führe allein aber nicht zu einer zweifelsfreien Kenntnis des Gläubigers hinsichtlich einer Zahlungsunfähigkeit. Es sei zu berücksichtigen, dass die Mitteilung des Schuldners nicht zwingend auf eine Insolvenzreife hinweise, sondern hier auf einen „Liquiditätsengpass“ hingedeutet habe, wobei der Schuldner die vollständige  Begleichung der Forderung durch die Ratenzahlungen avisiert habe. Auch sei die Initiative vom Schuldner ausgegangen und daher keine Reaktion auf Zahlungsverlangen des Gläubigers gewesen. Bei diesem Sachverhalt müsse der Gläubiger nicht zwangsläufig auf eine existentielle wirtschaftliche Krise des Schuldners schließen. Es hätten weitere Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit hinzutreten müssen, um von einer die Anfechtung begründenden Kenntnis des Gläubigers auszugehen, zumal der Gläubiger keine Vollstreckung betrieben und die Geschäftsbeziehung zum Schuldner fortgesetzt habe. Dass die Gläubigerin dabei für weitere Lieferungen Barzahlung verlangt hatte, habe vernünftiger kaufmännischer Vorsicht entsprochen, ohne dass dies als Hinweis auf eine Kenntnis von  einer Zahlungseinstellung gewertet werden müsse.

Praxishinweise

Die Rechtsprechung des BGH zur Vorsatzanfechtung bleibt unübersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Folgen einer Ratenzahlungsvereinbarung und Stundungsbitten. Bittet ein Vertragspartner nachträglich um eine Stundung und Ratenzahlung hinsichtlich fälliger Forderungen, ist für den Gläubiger (weiterhin) Vorsicht geboten.

(BGH, Urteil vom 14.07.2016 – IX ZR 188/15)

Dr. Patrick Wolff, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Hamburg

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