September 2023 Blog

​​​​​​​Beraterhaftung: Einbeziehung der Geschäftsführung in den Schutzbereich eines Beratervertrages

Besteht gegenüber einem Unternehmen im Hinblick auf einen möglichen Insolvenzgrund eine Hinweis- und Warnpflicht des Beraters, so kann die Verletzung dieser Pflicht nicht nur einen Schadensersatzanspruch des Unternehmens, sondern auch des (ggf. faktischen) Geschäftsführers des Unternehmens gegen den Berater begründen, wie der BGH unlängst entschied.

Ausgangspunkt

Streitgegenstand des Urteils ist der Schadensersatzanspruch zweier Geschäftsführer einer insolventen GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG) gegen einen Rechtsanwalt, der mit der KG einen Anwaltsvertrag geschlossen hatte. Revisionsrechtlich war vom BGH zu unterstellen, dass der Rechtsanwalt die aus dem Anwaltsvertrag gegenüber der KG folgende Hinweis- und Warnpflicht zu einem möglichen Insolvenzgrund bei der KG verletzt hatte. Die Geschäftsführer machten geltend, sie seien als ordnungsgemäß bestellter bzw. faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich des mit der KG geschlossenen Mandatsvertrages einbezogen. Ihnen stünde deshalb ein eigener Anspruch auf Schadensersatz gegen den Rechtsanwalt zu. Ihr Schaden liege darin, dass sie vom Insolvenzverwalter der KG wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch genommen worden waren.

Urteil

Der BGH folgt in seinem Urteil dieser Argumentation. Danach kann auch eine im Hinblick auf einen möglichen Insolvenzgrund gegenüber dem Unternehmen bestehende Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters einen Drittschutz und damit einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des Geschäftsleiters begründen.

In seiner Begründung erinnert der BGH zunächst daran, dass unzweifelhaft die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags auch dann in Betracht komme, wenn der Vertragsschuldner nur eine Schutz- oder Fürsorgepflicht verletzt hat.

Er verweist sodann auf seine Rechtsprechung, wonach die Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund die Haftung eines Steuerberaters, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beauftragt war, begründen könne. Der BGH betont insoweit allerdings, dass die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund nur unter engen Voraussetzungen eingreife. Geschuldet seien Hinweis oder Warnung erst, wenn dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt wird, dieser für ihn offenkundig ist oder der Insolvenzgrund sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängt. Die bloße Erkennbarkeit reiche nicht aus. Ferner müsse der Berater Grund zu der Annahme haben, dass sich der Geschäftsleiter nicht über den möglichen Insolvenzgrund und die daraus folgenden Handlungspflichten bewusst ist. Zudem erfordere die Hinweis- und Warnpflicht keine eigenständige Prüfung oder Ermittlung des Insolvenzgrundes.

Als weiteres Argument führt der BGH seine bisherige Rechtsprechung an, wonach der Geschäftsleiter in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, der als Hauptpflicht die Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsieht.

Schließlich führt der BGH aus, dass auch die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund zu einer drittschützenden Wirkung zugunsten des Geschäftsleiters führe, sofern dieser nach Ausprägung und Inhalt des Beratungsvertrags bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung des Anwaltsvertrages in Berührung kommt. Dabei sei es nicht erforderlich, dass die vertragliche Hauptpflicht selbst drittschützend ist. Es reiche aus, wenn das geschützte Drittinteresse bei Erbringung der Hauptleistung typischerweise beeinträchtigt werden kann. Im Streitfall sei dies wegen der Insolvenzantragspflicht eines Geschäftsführers und den bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen gegeben.

Zwar genüge es nicht, wenn der Rechtsberater nur mit der Durchsetzung eines Anspruchs beauftragt ist oder eine rechtliche Gestaltung unabhängig von einer Krise seiner Mandantin vornehmen soll. Treten während der Bearbeitung eines solchen Mandats die Voraussetzungen für die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund ein, erstrecke sich der Schutz dieser (Neben-)Pflicht in der Regel nicht auf den Geschäftsleiter, weil die ihn treffende Insolvenzantragspflicht und die bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen keinen (hinreichenden) Bezug zur geschuldeten Hauptleistung aufweisen. Anders allerdings dann, wenn – wie vorliegend – das Unternehmen den Berater mit der Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation betraut hat.

Die Erwägungen, die eine Einbeziehung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers in den Schutzbereich des Mandatsvertrags rechtfertigen können, gelten dabei ebenso für den faktischen Geschäftsführer.

Gegenstand dieses BGH-Urteils war zwar ein Anwaltsvertrag. Die Urteilsgründe dürften aber auch für die Haftung anderer Berater, insbesondere Steuer- oder Restrukturierungsberater sowie Wirtschaftsprüfer, von hoher Relevanz sein.

(BGH, Urteil vom 29.6.2023 – IX ZR 56/22)

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