Juli 2021 Blog

Zukünftige Abgaben für Treib­haus­gas-Emiss­ionen beim Import – EU legt Vor­schlag für eine Ver­ordnung zum Carbon Border Adjust­ment vor

Seit längerem wird die Einführung von „CO2-Zöllen“ oder eines „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) für importierte Waren diskutiert. Damit sollen Treibhausgasemissionen von importierten Waren eingepreist werden. Am 15. Juli 2021 hat die EU Kommission nun den Vorschlag einer Verordnung zur Einführung eines CBAM vorgestellt.

Carbon Border Adjustment Mechanism

Die Kommission hat sich gegen die Einführung von CO2-Zöllen nach dem Vorbild der Antidumping- oder Antisubventionszölle entschieden. Stattdessen soll ein Carbon Border Adjustment Mechanism eingeführt werden. Das Grundprinzip besteht darin, dass der Importeur sogenannte CBAM-Zertifikate von den Mitgliedstaaten kauft und diese wieder abgibt, wenn er Waren die dem CBAM unterliegen in den zollrechtlich freien Verkehr überlässt. Für jede in den importierten Waren „enthaltene“ Tonne Treibhausgas ist ein CBAM-Zertifikat erforderlich. Anders als im Europäischen Emissionszertifikatehandel müssen CBAM-Zertifikate jedoch nicht ersteigert werden. Sie werden von den Mitgliedstaaten an Importeure „verkauft“. 

Dadurch soll verhindert werden, dass importierte Waren einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Waren haben, die innerhalb der EU hergestellt wurden und für welche der Hersteller Emissionszertifikate erwerben musste. Gleichzeitig soll die Einführung der CBAM der EU ermöglichen, die derzeit kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten an Industrien mit hohem Abwanderungsrisiko zu beenden. Für die Einführung des CBAM und die Beendigung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten ist ein Übergangszeitraum von 10 Jahren vorgesehen. Die Verordnung der EU soll im Jahr 2023 in Kraft treten.

CBAM-Zertifikat Preis und Ankauf

Der Preis der CBAM Zertifikate wird von der Kommission wöchentlich festgelegt. Er orientiert sich am durchschnittlichen Preis für Emissionszertifikate auf der gemeinsamen Auktionsplattform EEX. Das heißt, Importeure müssen nicht selbst an den Auktionen teilnehmen. Sie müssen jedoch sicherstellen, dass sie am Ende des Abgabenzeitraums, d.h. bis zum 31. Mai nach Ablauf eines Kalenderjahres über genügend CBAM-Zertifikate verfügen, um die in den importierten Waren eingebetteten Treibhausgasemissionen ausgleichen zu können. Am Ende eines jeden Quartals muss die Anzahl der CBAM-Zertifikate im Konto des Importeures mindestens 80 % der eingebetteten Treibhausgase der seit Jahresbeginn importierten Waren entsprechen.

Die für die Importe erforderlichen CBAM-Zertifikate müssen jährlich bis zum 31. Mai für das vergangene Kalenderjahr festgestellt und abgegeben werden. Hat ein Importeur zu viele CBAM-Zertifikate erworben, kann er bis zum 30. Juni verlangen, dass sie vom ausgebenden Mitgliedstaat zurückgekauft werden. Allerdings soll der Rückkauf auf ein Drittel der vom Importeur insgesamt gekauften CBAM-Zertifikate beschränkt werden.

Ausnahmen und Verrechnung von ausländischen CO2-Abgaben

Für Importe aus Ländern, die am Emissionszertifikatehandel der EU teilnehmen (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz), sollen keine CBAM-Zertifikate erforderlich sein. Darüber hinaus sollen Importeure beantragen können, dass der Umfang der benötigten CBAM-Zertifikate reduziert wird, wenn in dem Ursprungsland bereits ein Preis (z.B. eine Steuer) für die CO2-Emission gezahlt wurde.

Anfangs betroffene Branchen

Der CBAM soll nicht sofort für alle Importe gelten, sondern anfangs auf Waren beschränkt sein, für die die Hersteller in der EU derzeit kostenlos Emissionszertifikate zugeteilt bekommen. Weitere Waren sollen zu späteren Zeitpunkten folgen. Derzeit ist vorgesehen, den CBAM auf folgende Waren anzuwenden:

  • Bestimmte Zemente und Zementklinker
  • Elektrische Energie
  • Salpetersäure und Nitriersäuren
  • Ammoniak
  • Nitrate des Kaliums
  • Bestimmte Düngemittel
  • Eisen und Stahl, sowie bestimmte Waren aus Eisen oder Stahl
  • Aluminium, sowie bestimmte Waren aus Aluminium

Verfahren

Das Verfahren orientiert sich an den zollrechtlichen Vorschriften. Waren, die dem CBAM unterliegen, dürfen nur noch von „zugelassenen Anmeldern“ angemeldet werden. Andere Einfuhren sollen vom Zoll gestoppt werden und dürfen nicht zum freien Verkehr abgefertigt werden. Die Zollbehörden sollen zudem entsprechende Kontrollen vornehmen.

Sofern ein Importeur nicht selbst den Status als zugelassener Anmelder erhält, wird er sich eines Dritten bedienen müssen. Zugelassene Anmelder müssen über die erforderliche finanzielle und administrative Leistungsfähigkeit verfügen. Neu zugelassene Anmelder müssen für die ersten zwei Jahre eine Bankgarantie vorweisen, mit der die voraussichtlich benötigte Menge an CBAM-Zertifikaten abgesichert wird.

Berechnung der „eingebetteten Emissionen“

Bis zum 31. Mai des Folgejahres muss eine vollständige Anmeldung aller Güter erfolgen, für welche CBAM-Zertifikate erforderlich sind. Der Anmelder muss für jede importierte Ware die Menge an eingebetteten Emissionen berechnen und angeben. Die Kommission hat sich gegen den Vorschlag entschieden, die eingebetteten Emissionen für jedes Produkt zu schätzen und einen pauschalen Wert anzulegen. Stattdessen werden zwei unterschiedlich komplexe Verfahren in Abhängigkeit von der Komplexität der Herstellung der Waren angewendet. Für „einfache Güter“ werden nur direkte Emissionen des Produktionsprozesses in der Herstellungsanlage berücksichtigt. Für „komplexe Güter“, welche aus mehreren „einfachen Gütern“ hergestellt werden, sollen in die Ermittlung der eingebetteten Emissionen zum einen die Verbrauchsstoffe eingehen, die während des Produktionsprozesses des komplexen Gutes zu Emissionen führen. Zum anderen müssen die eingebetteten Emissionen für jedes bei der Produktion verbrauchte oder verarbeitete „einfache“ oder „komplexe Gut“ addiert werden. Bei Waren mit vielen Einzelteilen und langen Lieferketten kann dies zu aufwendigen Berechnungen führen.

Anstelle der Berechnung von tatsächlichen Emissionswerten kann auf Standardwerte zurückgegriffen werden. Die Werte sollen sich an der durchschnittlichen Intensität von Emission im Ausfuhrland orientieren. Wenn derartige Daten nicht vorhanden sind, sollen als Berechnungsbasis die Emissionen der 10 % umweltschädlichsten EU Anlagen für gleichartige Güter herangezogen werden.

CBAM-Zertifikate werden auch für das Verfahren der aktiven Veredelung erforderlich sein. Im Falle der passiven Veredelung muss für die Wiedereinfuhr die Menge an CO2-Äquivalenten nur für den außerhalb der EU vorgenommenen Veredelungsprozess angegeben werden.

Fazit und Ausblick

Das Ziel der EU Kommission, einem sog. „Carbon Leakage“ vorzubeugen und die innereuropäische Wirtschaft vor Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Klimamaßnahmen der EU zu schützen ist nachvollziehbar und richtig. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Der Vorschlag der EU Kommission gibt den Befürchtungen Aufwind, dass die Einführung eines CBAM zu einem enormen bürokratischen Aufwand führt.

Der eingeschlagene Weg wirft zudem die Frage auf, ob der CBAM mit geltendem Welthandelsrecht vereinbar ist. Denn der enorme Aufwand der Berechnung von Emissionen könnte Importe unzulässig verteuern. In jedem Fall hat der vorliegende Entwurf für kleinere und mittelständische Importeure und insbesondere für Beschaffungsabteilungen von kleineren und mittelständischen Unternehmen enorme Compliance- und Bürokratiekosten zur Folge. Mit dem Ziel der Union, den Mittelstand zu erhalten und zu fördern dürfte die vorgelegte Verordnung daher nicht vereinbar sein.

Bis zum 16. September 2021 läuft die Öffentlichkeitsbeteiligung zum vorliegenden Verordnungsentwurf.

Lars Hillmann, Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)
Hamburg

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