März 2020 Blog

Grund­erwerb­steuer­liche Kon­zern­klau­sel: BFH ent­scheidet in sieben Fällen zu­guns­ten des Steuer­pflich­tigen bei Um­struk­turie­rungen

Der Bundesfinanzhof hat in gleich sieben Entscheidungen die sog. grunderwerbsteuerliche Konzernklausel zur grunderwerbsteuerlichen Begünstigung von Umstrukturierungen jeweils zugunsten der Steuerpflichtigen weit ausgelegt.

Hintergrund

Das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) unterwirft derzeit neben dem unmittelbaren Erwerb von Immobilien u.a. auch den Übergang von mindestens 95% der Anteile an grundstückshaltenden Gesellschaften der Besteuerung (zur geplanten Neuregelung ausführlicher hier). Ein solcher Übergang vollzieht sich regelmäßig nicht nur durch direkte Anteilserwerbe, sondern auch bei Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns. Die Grunderwerbsteuer kann damit ein Hemmnis für wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Umstrukturierungen sein. Der deutsche Gesetzgeber hat deshalb mit der sog. grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in § 6a GrEStG bestimmte Vorgänge bei Umwandlungen im Konzern von der Steuer befreit. Die Finanzverwaltung legt diese Vorschrift allerdings restriktiv aus (siehe Gleichlautender Erlass vom 19. Juni 2012, BStBl. I 2012, S. 662), sodass in der Vergangenheit eine grunderwerbsteuerliche Begünstigung von Umstrukturierungen nach § 6a GrEStG nicht planbar war.

Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich – nachdem die Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen die Europarechtswidrigkeit der Regelung ausgesetzt waren – in den Urteilen nun gegen die restriktive Auslegung von § 6a GrEStG ausgesprochen: So stellt er u.a. klar, dass dessen Anwendung nicht auf herrschende Unternehmen i.S.d. Umsatzsteuergesetzes beschränkt ist, sondern herrschende Unternehmen neben Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften auch natürliche und andere juristische Personen sein können, sofern sie wirtschaftlich tätig sind. Insoweit sei auch unerheblich, ob die Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten wird.

Weiter ist laut BFH die Nichteinhaltung der fünfjährigen Vor- bzw. Nachbehaltensfrist in § 6a Satz 3 und 4 GrEStG aus umwandlungsbedingten Gründen nicht grundsätzlich schädlich. Endet das Abhängigkeitsverhältnis alleine aufgrund der Tatsache, dass eine beteiligte Gesellschaft (z.B. im Falle der Verschmelzung von Tochtergesellschaften aufeinander) erlischt oder wird die Abhängigkeit aufgrund der Neuentstehung einer Gesellschaft im Zuge des Umwandlungsvorgangs erst begründet, soll der Vorgang gleichwohl von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Konkret ist demnach bei Verschmelzungen zwischen abhängiger Gesellschaft und herrschendem Unternehmen nur die Vorbehaltens- und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist einzuhalten.

Allerdings versagte der BFH in einem Fall (BFH, II R 17/19) die Anwendung der Steuerbefreiung mit der Begründung, dass § 6a GrEStG nicht grundstücksbezogen auszulegen sei. Für die Grunderwerbsteuerbefreiung ist demnach nicht entscheidend, ob das aufgrund des Umwandlungsvorgangs übergegangene Grundstück im Konzern verbleibt, sondern alleine, ob die Beteiligungsverhältnisse gewahrt werden. Demnach ist auch unerheblich, ob bei der Verschmelzung zweier abhängiger Unternehmen diese bereits vor dem Erreichen der 95%-Schwelle wirtschaftlich und organisatorisch in den Konzern eingebunden gewesen sind. Erforderlich ist stets das qualifizierte Abhängigkeitsverhältnis von mindestens 95%.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidungen des BFH sind aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßen und könnten bei der Planung der grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen von Umstrukturierungen ein größeres Maß an Rechtsklarheit schaffen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Auslegung des BFH über die entschiedenen Fälle hinaus umsetzt. Bis zu einer Veröffentlichung der Urteile im Bundessteuerblatt kann daher auch in gleichgelagerten Fällen nach wie vor nicht rechtssicher von einer Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ausgegangen werden.

BFH Urteile vom 22. August 2019 (II R 15/19, II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19)

Lars-Olaf Leskovar, LL.M., Rechtsanwalt
Anna-Maria Drescher, Rechtsanwältin
beide Frankfurt a.M.

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