Einheitspatentgericht

Das Einheitspatentgericht / Unified Patent Court (UPC) hat seine Arbeit aufgenommen. Das Ziel des neuen UPC besteht darin, ein effizienteres und kostengünstigeres System für die Vergabe von Patenten in den beteiligten Ländern zu schaffen. Durch die Schaffung einer zentralen Gerichtsbarkeit für Patentstreitigkeiten soll eine konsistente und einheitliche Rechtsprechung gewährleistet werden.

Das Einheitspatent

Unter Einheitspatent (europäisches Patent mit einheitlicher Schutzwirkung) versteht man dabei ein Schutzrecht, das Antragstellenden und späteren Patentinhabenden mit Stellung eines einzigen Antrags beim Europäischen Patentamt (EPA) Patentschutz in bis zu 25 EU-Mitgliedstaaten gewährt. Einheitspatente basieren auf vom EPA nach den Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erteilten europäischen Patenten. In der Phase vor Erteilung des Patents ändert sich daher im Vergleich zu Bündelpatenten (EP) nichts, es gelten dieselben Qualitätsmaßstäbe für Recherche und Prüfung der Anmeldung. Nach Erteilung des europäischen Patents können Patentinhabende aber einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen, um einheitlichen Patentschutz in bis zu 25 EU-Mitgliedstaaten zu erhalten. Bisher hatten Erfinderinnen und Erfinder nur die Möglichkeit, eine Erfindung in Europa wahlweise mit einem nationalen oder einem europäischen Patent (EP) zu schützen. Das EP ist dabei ein Bündelpatent, das in jedem Land, in dem es Wirkung entfalten soll, einzeln validiert und aufrechterhalten werden kann. Das Einheitspatent macht diesen aufwändigen, komplexen und kostspieligen Prozess nationaler Validierungsverfahren in vielen Fällen überflüssig. Dennoch wird auch das europäische Bündelpatent für Inhabende eines Einheitspatents in einigen Fällen seine Bedeutung behalten, etwa zur Erlangung von Patentschutz

  • in EPÜ-Vertragsstaaten, die nicht Teil der EU sind (z.B. Schweiz, Spanien);
  • in EU-Mitgliedstaaten, die nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen;
  • in Staaten, die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen, in denen das EPGÜ aber noch nicht in Kraft getreten ist.

Das Einheitliche Patentgericht (EPG)

Mit dem Einheitspatent geht auch die für Europa erstmalige Schaffung eines Gerichts mit länderübergreifender Spruchkompetenz in Patentsachen einher.

Das Gericht erster Instanz ist in drei unterschiedliche Arten von Kammern aufgeteilt:

  • eine Zentralkammer mit Sitz in Paris (Frankreich) und Nebensitzen in München (Deutschland) und – nach dem Brexit-bedingten Wegfall von London – Mailand (Italien)
  • Lokalkammern, die für einen Mitgliedstaat auf dessen Antrag errichtet werden,
  • Regionalkammern, die für zwei oder mehr Mitgliedstaaten auf deren Antrag errichtet werden.

Das Einheitliche Patentgericht ist ausschließlich zuständig namentlich für

  • Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung und zugehörige Klageerwiderungen
  • Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung
  • Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen und einstweiligen Verfügungen
  • Klagen auf Nichtigerklärung
  • Widerklagen auf Nichtigerklärung

in Bezug auf europäische Patente, also Einheitspatente und „klassische“ europäische Bündelpatente.

Erstinstanzlich sind für Verletzungsklagen die Lokalkammern oder Regionalkammer am Verletzungsort und am Sitz des oder der Beklagten örtlich zuständig. Verfügt der oder die Beklagte über keinen Sitz innerhalb der Vertragsstaaten, ist zusätzlich auch die Zentralkammer örtlich zuständig. Ist für den Staat, in dem der Verletzungsort liegt, keine Lokal- oder Regionalkammer errichtet, begründet dies ebenfalls eine Zuständigkeit der Zentralkammer.

Für Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung (negative Feststellungsklage) sowie für isolierte Nichtigkeitsklagen ist regelmäßig nur die Zentralkammer zuständig. Nichtigkeitswiderklagen können vor der Kammer erhoben werden, an der die Verletzungsklage bereits anhängig ist (d.h. Lokalkammer oder Regionalkammer bzw. Zentralkammer).

Wird Nichtigkeitswiderklage erhoben, können die Lokalkammern oder Regionalkammer – jeweils nach Anhörung der Parteien – wie folgt verfahren:

  • Selbstbehandlung der Nichtigkeitswiderklage, wobei ein technisch qualifiziertes Gericht zu ergänzen ist
  • Verweisung – mit oder ohne Aussetzung des Verletzungsstreits – an die Zentralkammer, oder
  • (mit Zustimmung beider Parteien) Verweisung des gesamten Rechtsstreits an die Zentralkammer.

Die Zuständigkeit der Lokalkammern und Regionalkammern für (nachfolgende) Verletzungsklagen bleibt unberührt, sofern bereits eine isolierte Nichtigkeitsklage vor der Zentralkammer anhängig ist. Die Zentralkammer ist daneben auch zuständig. Wird auf Feststellung der Nichtverletzung bei der Zentralkammer geklagt, kann innerhalb von drei Monaten eine Verletzungsklage vor einer Lokalkammer oder Regionalkammer erhoben werden. In diesem Fall ist das Verfahren vor der Zentralkammer auszusetzen.

Das Einheitliche Patentgericht ist nach eigenem Ermessen dazu berechtigt (aber nicht verpflichtet), ein Verletzungsverfahren aussetzen, soweit ein Beschränkungsverfahren oder Einspruchsverfahren vor dem EPA anhängig ist. Damit sperrt das Einspruchsverfahren – anders als nach deutschem Recht – nicht die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage.

Erstinstanzliche Entscheidungen der Lokalkammern, Regionalkammern oder der Zentralkammer sind vor dem Berufungsgericht in zweiter Instanz angreifbar. Das Berufungsgericht hat seinen Sitz in Luxemburg. Ein Revisionsgericht existiert nicht. Der Europäische Gerichtshof kann aber zur Auslegung des Unionsrechts von den Gerichten durch Vorabentscheidung angerufen werden.

 

Die Spruchkörper des Einheitlichen Patentgericht sind multinational besetzt und bestehen aus rechtlich und technisch qualifizierten Richterinnen und Richtern. Das Verfahren soll innerhalb eines Jahres nach Klageerhebung zu einem erstinstanzlichen Urteil führen und damit die rechtliche Klärung von Konflikten beschleunigen.

Die Übergangszeit und Opt-out-Regelungen

Bei Streitigkeiten über europäische Patente kann für eine Übergangszeit von sieben Jahren (optionale Verlängerung um weitere sieben Jahre) das Wahlrecht ausgeübt werden, wonach

  • Verletzungsklagen bzw. Nichtigkeitsklagen weiterhin bei den nationalen Gerichten erhoben werden können (Artikel 83 (1) des EPG-Übereinkommens) oder
  • soweit ein europäisches Patent betroffen ist, das vor Ablauf der Übergangszeit erteilt oder beantragt worden ist, die ausschließliche Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts in Bezug auf dieses europäische Patent bzw. die entsprechende Anmeldung für die gesamte Laufzeit des Patents ausgeschlossen ist, sofern noch keine Klage vor dem Einheitlichen Patentgericht erhoben worden war (sog. Opt-out). Zur Ausübung dieses Rechts muss der Kanzlei des Einheitlichen Patentgerichts eine Mitteilung über die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zugekommen sein. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wird mit der Eintragung der entsprechenden Mitteilung in das Register wirksam (Artikel 83 (3) des EPG-Übereinkommens). Von dieser Ausnahmeregelung kann jederzeit zurückgetreten werden, sofern noch keine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden ist (Artikel 83 (4) des EPG-Übereinkommens). Die Ausübung des Opt-outs muss innerhalb einer "sunrise period" in Anspruch genommen werden. Die Frist wird voraussichtlich drei Monate vor dem Tag beginnen, an dem das Einheitliche Patentgericht seine Tätigkeit aufnimmt.

Der Opt-out bzw. der Klageerhebung vor einem nationalen Gericht steht während der Übergangszeit nur für europäische Patente, nicht aber für Einheitspatente, zur Verfügung.

Unser Tätigkeitsspektrum

Unsere Anwältinnen und Anwälte werden Mandanten beraten auch zu Fragen des Einheitspatents (europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung). Wir vertreten Sie außergerichtlich und gerichtlich auch zu und in allen Verfahren vor den Kammern des Einheitlichen Patentgerichts.

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