(Keine) Kennzeichnungspflicht für Influencer
Influencer müssen Beiträge zugunsten fremder Unternehmen in sozialen Netzwerken nicht als Werbung kennzeichnen, wenn sie keine Gegenleistung erhalten. Hinweise können aber unter dem Gesichtspunkt der Eigenwerbung erforderlich sein. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Sachverhalt
Zwei Influencerinnen haben jeweils Fotos auf Instagram veröffentlicht, auf denen auch Produkte wie Kleidungsstücke abgebildet sind. Die Produkte sind mit „Tap Tags“ versehen, d. h. Verlinkungen auf die Herstellerprofile. Die Influencerinnen haben für die Beiträge, die nicht als Werbung gekennzeichnet sind, keine Gegenleistung erhalten. Ein Wettbewerbsverband sah in den Beiträgen unzulässige Schleichwerbung und nahm die Influencerinnen auf Unterlassung in Anspruch.
Entscheidungen des BGH
Der BGH hat den Unterlassungsanspruch in beiden Fällen verneint.
Die Entscheidungen stehen vor dem Hintergrund wettbewerbs- und medienrechtlicher Vorschriften. Gemäß § 5a Abs. 6 UWG ist es unzulässig, den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich zu machen, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Vorschrift erfasst die Förderung des eigenen Unternehmens („Eigenwerbung“) und Werbung zugunsten Dritter („Fremdwerbung“). Auf eine Gegenleistung kommt es nicht an. Daneben ist im Telemediengesetz (TMG) und Medienstaatsvertrag (MStV) für elektronische Informations- und Kommunikationsdienste bestimmt, dass kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung eine Gegenleistung erfordern.
Der BGH stellt zunächst fest, dass die Beiträge von Influencern Eigenwerbung sind. Denn sie sind unabhängig von dem Drittbezug geeignet, Bekanntheit und Werbewert des Influencers selbst zu fördern. Einen Kennzeichnungsverstoß wegen fehlender Werbehinweise verneint der BGH in den beiden Fällen jedoch, weil sich die Eigenwerbung unmittelbar aus den Umständen ergibt. Der BGH legt insoweit die Feststellungen der Vorinstanzen zugrunde. Diese sind davon ausgegangen, dass der kommerzielle Zweck u. a. aufgrund der Bekanntheit der Influencerinnen und Größe der zudem verifizierten Profile mit mehreren 100.000 Followern offensichtlich ist.
Es liegt auch keine Schleichwerbung zugunsten anderer Unternehmen vor. Denn der BGH sieht in den Vorschriften zum TMG und MStV Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich des § 5a Abs. 6 UWG einschränken. Bei Beiträgen auf Instagram handelt es sich um einen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst im Sinne des TMG, der von den Influencerinnen erbracht wird. Die Wertung des TMG und MStV, wonach Fremdwerbung nur bei einer Gegenleistung gekennzeichnet werden muss, darf durch Anwendung des § 5a Abs. 6 UWG nicht unterlaufen werden.
Praxishinweise
Schleichwerbung beim Influencer-Marketing beschäftigt die Gerichte schon länger [und wurde auch schon in diesem Newsletter thematisiert]. Erstmals hat sich nun auch der BGH mit der Frage befasst.
Durch den eingeräumten Anwendungsvorrang von TMG und MStV schafft der BGH Klarheit bei der Fremdwerbung. Es entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, dass Fremdwerbung nur bei einer Gegenleistung zu kennzeichnen sein soll. Zum 28.05.2022 tritt eine Gesetzesänderung in Kraft, wonach auch § 5a UWG künftig verlangt, dass Influencer eine Gegenleistung erhalten haben.
Im Hinblick auf die Eigenwerbung gilt dieser medienrechtliche Vorrang nicht. Es kommt daher im Einzelfall darauf an, ob der kommerzielle Zweck eines Beitrags unmittelbar erkennbar ist. Zumindest für große Influencer besteht nach den Entscheidungen des BGH grundsätzlich keine Kennzeichnungspflicht. Weniger bekannten Influencern ist dagegen die Kennzeichnung ihrer Beiträge zu empfehlen.
Für Unternehmen, die mit Influencern werben, haben die Entscheidungen keine größeren Auswirkungen. Entgeltliche Beiträge müssen als Werbung gekennzeichnet werden. Dies hat der BGH in einer weiteren Entscheidung bestätigt. Die Kennzeichnung muss so deutlich erfolgen, dass der kommerzielle Zweck des Beitrags auf den ersten Blick zweifelsfrei erkennbar ist. Ein Hinweis im Textteil reicht bei Tap Tags in der Regel dafür nicht aus. Um eigene Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Unternehmen Influencer zur Kennzeichnung verpflichten.
(BGH, Urteile vom 09.09.2021 – I ZR 125/20, I ZR 126/20)
Dr. Benedikt Beierle, Rechtsanwalt
Düsseldorf