April 2025 Blog

AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede im VOB-Vertrag

Die Bestimmungen einer AGB-rechtlichen Sicherungsabrede, durch die der Sicherungszweck nicht eindeutig bestimmt wird und die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt wird, sind gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Bürgin auf Zahlung von Schadensersatz iHv. 153.900,00 EUR in Anspruch. 

Die Klägerin beauftragte mit Bauvertrag im Jahr 2016 die K-GmbH mit der Errichtung einer Metallbaufassade für das Bauvorhaben eines Einkaufszentrums unter Einbeziehung der VOB/B und VOB/C. 

Im zum Bauvertrag gehörenden Verhandlungsprotokoll hieß es unter Ziff. 7 „Abschlagszahlungen“:

„b) Abweichend zur VOB/B § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 werden 10 % der Netto-Abschlagszahlung bis zur Fälligkeit der Schlusszahlung einbehalten. Ablösbar über Vertragserfüllungsbürgschaft in gleicher Höhe.

c) Der einbehaltene Sicherheitsbetrag wird abweichend zur VOB/B § 17 Nr. 6 Abs. 2 erst nach Schlusszahlung auf ein Sperrkonto bei einem vom AG zu benennenden Kreditinstitut eingezahlt, falls nicht eine Ablösung der Sicherheit durch Bürgschaft erfolgt (s. Punkt 21)."

Unter Ziff. 21 „Sicherheitsleistung gem. BGB §§ 648,648 a“ hieß es:

„Verlangt der Auftragnehmer vom Auftraggeber vor Abnahme eine Sicherheit gemäß §§ 648, §§ 648 a BGB, so ist er verpflichtet, binnen 2 Wochen, gerechnet ab Zugang des Sicherheitsverlangens, eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Nettoauftragssumme zu stellen. Gerät er hiermit in Verzug, darf der Auftraggeber diesen Betrag bis zur Abnahme einbehalten.“

Die Vertragserfüllungsbürgschaft war auf erstes Anfordern auszuzahlen.

Nach Ziff. 20 des Verhandlungsprotokolls war der Auftraggeber berechtigt, zur Sicherung seiner Gewährleistungsansprüche von der Schlussrechnung einen Betrag in Höhe von 5% der Netto-Abrechnungssumme des Auftragnehmers einzubehalten, der durch eine Bürgschaft abgelöst werden könne. Zu diesem Einbehalt kam es nicht.

Die Beklagte verbürgte sich gegenüber der Klägerin für die vertragsgemäße Erfüllung der K-GmbH iHv. 153.900,00 EUR. Die Vertragserfüllungsbürgschaft wurde entgegen Ziff. 21 des Verhandlungsprotokolls nicht auf erstes Anfordern gestellt.

Die Klägerin vermietete das noch zu errichtende Einkaufszentrum an die M-Handels KG. Die Mietvertragsparteien vereinbarten eine Übergabe bis spätestens zum 15.01.2018. Für den Fall einer späteren Übergabe wurde vereinbart, dass die Klägerin der Mieterin monatlich 25.000,00 EUR, maximal 150.000,00 EUR zu zahlen habe.

Der vereinbarte Fertigstellungstermin wurde nicht eingehalten. Über das Vermögen der K-GmbH, die inzwischen unter anderem Namen firmierte, wurde das Schutzschirmverfahren gemäß §§ 270a, 270b InsO eröffnet. Die Klägerin kündigte den Bauvertrag außerordentlich fristlos. Die Leistungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt. Eine Übergabe des Einkaufszentrums an die Mieterin konnte erst zum September 2018 erfolgen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung des ihr im Verhältnis zur Mieterin entstandenen Schadens. 

Entscheidung 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte kann der Inanspruchnahme die Unwirksamkeit der zwischen der Klägerin und der K-GmbH getroffenen Sicherungsabrede einredeweise entgegenhalten, §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB. 

Die zugrundeliegende Sicherungsabrede ist nach § 307 BGB unwirksam, weil sie die K-GmbH als Vertragspartnerin unangemessen benachteiligt. 

Ziff. 7b) S. 1, Ziff. 7c) und Ziff. 21 des Verhandlungsprotokolls seien AGB und stünden in einer konzeptionellen Einheit.  

Ziff. 7b) S. 1 benachteilige die K-GmbH unangemessen, weil ihr nicht hinreichend deutlich zu entnehmen sei, ob es sich bei dem Einbehalt um eine Sicherheit für die Vertragserfüllung oder einen solchen für Mängelansprüche handelt. Der Verweis der Regelung auf § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B sei nicht eindeutig, da dieser die beiden verschiedenen Zwecke der Sicherung der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung und der Mängelansprüche enthält. Zur Vereinbarung der Sicherheitsleistung sei es hingegen notwendig, dass der Zweck der Sicherheit eindeutig bezeichnet werde. 

Die – individualvertraglich eingeführte – Ziff. 7b) S. 2 ändere daran nichts. Denn es bleibe offen, ob der Einbehalt sowohl für die Vertragserfüllung als auch die Mängelgewährleistung gelte und die Ablösemöglichkeit nur für erstere bestehe, oder ob von Anfang an der Einbehalt lediglich die Vertragserfüllung absichern soll. Diese Unklarheit gehe zulasten der Klägerin.  

Auch Ziff. 7c) benachteilige die K-GmbH wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B unangemessen. Denn danach ist die Einzahlung des einbehaltenen Sicherheitsbetrags erst bei Schlusszahlung nur bei kleineren oder kurzfristigen Aufträgen zulässig. Ein solcher Auftrag liege nicht vor. Durch die hiesige Regelung würde dem Auftragnehmer bis zur Schlusszahlung das Insolvenzrisiko der Klägerin aufgebürdet. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft abgelöst werden könnte. Denn vorliegend wurde eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gefordert, was bei einer Inanspruchnahme ebenfalls dazu führe, dass der Auftragnehmer das Insolvenzrisiko des Auftraggebers trägt.

Schließlich folge eine unangemessene Benachteiligung der K-GmbH aus der Summation der zugunsten der Klägerin vorgesehenen Sicherungsmittel: Es drohe eine Übersicherung der Klägerin, da sie neben einem Sicherheitseinbehalt in Höhe von 10% der jeweiligen Abschlagszahlung (Ziff. 7b) einen weiteren Einbehalt für Gewährleistungsrechte in Höhe von 5% der Netto-Abrechnungssumme (Ziff. 20) zurückhalten kann. Beides müsste die K- GmbH durch Bürgschaften ablösen. Verlangte die K- GmbH eine Sicherheit gemäß §§ 648, 648a BGB a.F., habe sie eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Nettoauftragssumme zu stellen (Ziff. 21), die zu Beginn der Vertragsdurchführung noch bei 100% liegen kann.

Diese Kumulation und Überlagerung der Sicherungsmittel führe zu einer Gesamtbelastung für die K-GmbH, die das nach Treu und Glauben zulässige Maß überschreitet.

Praxishinweis

Das Urteil bestätigt die Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von AGB-rechtlichen Sicherungsabreden und unterstreicht die Notwendigkeit, diese sorgsam auszuformulieren und anhand der gesetzlichen Regelungen zu überprüfen. Insbesondere müssen AGB-rechtliche Sicherungsabreden schon aus sich heraus klar und verständlich sein. Der Sicherungszweck ist anzugeben – der bloße Verweis auf die gesetzliche Regelung reicht für die erforderliche Bestimmtheit nicht aus. Dringend zu vermeiden sind Sicherungsabreden, die von § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B abweichen, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen – zumindest in Kombination mit einer Sicherungsabrede, die eine Bürgschaft auf ersten Anfordern vorsieht. Da sich eine AGB- rechtliche Unwirksamkeit auch aus dem Zusammenwirken mehrerer Klauseln ergeben kann, sind die Interessen der Vertragsparteien stets als Ganzes zu betrachten. 

(OLG Düsseldorf Urt. v. 25.3.2025 – 23 U 138/23, IBRRS 2025, 0876)

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!