Aktienrecht: Vorsicht bei Austauschverträgen mit künftigen Vorstandmitgliedern
Schließt der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) Austauschverträge mit einer GmbH, deren Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer (künftiges) Vorstandsmitglied der AG ist wird, so sind diese wegen fehlerhafter Vertretung der AG nichtig und gewährte Leistungen der AG zurück zu erstatten.
Sachverhalt
Die AG hatte einen Vertrag über Beratungsleistungen mit einer GmbH geschlossen, dessen Alleiniger Gesellschafter zugleich Geschäftsführer war (Herr A.). Der Beratungsvertrag wurde am Mitte des Jahres 2005 abgeändert und Herrn A. zugleich vertraglich die Stellung als Finanzvorstandes der AG übertragen. Abgeschlossen wurde der Änderungsvertrag für die AG von dem damaligen Vorstand Herrn B. Der Aufsichtsrat der AG genehmigte kurz darauf die Verlängerung des Vertrages bis zum 30.09.2007. Auf einer Sitzung im November 2005 bestellte der Aufsichtsrat Herrn A. mit Wirkung ab dem 01.01.2006 zum Finanzvorstand und unterzeichnete später den Anstellungsvertrag.
Kurz zuvor schlossen die AG, wiederum vertreten durch den Herrn B. und die GmbH, vertreten durch Herrn A., einen Lizenzvertrag, nach dem die GmbH für die AG in EDV-gestütztes Controllingsystem erstellen sollte. Einen Beschluss des Aufsichtsrates zum Abschluss des Vertrages gab es nicht, der Aufsichtsrat genehmigte aber am 12.09.2007 die Verlängerung des Lizenzvertrages bis zum 30.11.2011 „zu unveränderten Konditionen“. Die AG zahlte hierfür an die GmbH von Januar 2006 bis Juni 2009 monatlich EUR 5.950,00 sowie nach Auflösung des Vertrags am 02.06.2009 durch die Herren A. und B. den einen vereinbarten Abstandsbetrag von EUR 124.950,00.
Neben dem Lizenzvertrag schlossen die AG und die GmbH, vertreten durch die Herren B. und A. am 05.10.2006 einen Vertrag über die Erstellung einer Studie. Das Honorar betrug EUR 71.400,00 und wurde von der AG in zwei Raten bezahlt, die zweite davon in Höhe von EUR 25.000.
Der Insolvenzverwalter der zwischenzeitlich insolventen AG forderte mit seiner Klage u. a. sämtliche im Zusammenhang mit dem Lizenzvertrag geleisteten Zahlungen (Lizenzgebühr 2007-2009: EUR 177.600,00; Abstandszahlung: EUR 124.950,00) sowie die zweite Rate für die Studienerstellung in Höhe von EUR 25.000,00 aus ungerechtfertigter Bereicherung von der GmbH zurück. Die AG sei bei Abschluss der Verträge nicht wirksam vertreten worden, da die Abschlusskompetenz für die genannten Verträge beim Aufsichtsrat (AR) gelegen habe. Die Verträge seien daher von Beginn an nichtig. Das erstinstanzliche Gericht folgte dieser Auffassung und sprach dem Kläger die genannten Positionen zu.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg teilte die Auffassung der ersten Instanz, sprach dem Kläger jedoch insoweit lediglich das Entgelt aus dem Lizenzvertrag von Januar bis August 2007 und die zweite Ratenzahlung auf den Studienvertrag in Höhe von EUR 25.000,00 zu. Insoweit seien die Verträge mangels Abschlusskompetenz des Herrn B. für die AG nichtig und die Leistungen ohne Rechtsgrund erlangt worden.
Zur Begründung führte der Senat die Regelung des § 112 AktG an, wonach gegenüber Vorstandsmitgliedern der AR die Gesellschaft vertritt. Diese Vorschrift gelte umfassend. Die AG habe daher nicht durch ein Vorstandsmitglied (Herrn B.) gegenüber einem anderen Vorstandsmitglied vertreten werden können, denn es bestehe die Besorgnis, dass der Vorstand bei einem Geschäft gegenüber Vorstandsmitgliedern nicht die erforderliche Unbefangenheit aufbringe. Die Vertretungsbefugnis des AR gemäß § 112 AktG bestehe zudem, so das OLG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), auch gegenüber Personen, die erst noch Vorstandsmitglieder werden sollen, da bei künftigen Vorstandsmitgliedern bereits eine Interessenkollision zur Gesellschaft und den übrigen Vorstandsmitgliedern bestehen könne. Ferner sei die Regelung anwendbar bei der Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber einem Unternehmen, das zwar nicht rechtlich wohl aber wirtschaftlich mit dem Vorstandsmitglied identisch ist, z. B. gegenüber einer GmbH mit dem Vorstandsmitglied als Alleingesellschafter und Geschäftsführer.
So hätten die Dinge vorliegend gelegen, so der Senat, da Herr A., Allein-Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH, durch den Beratungsvertrag vom 09.08.2005 als Vorstandmitglied avisiert worden war. Daher sei die AG bei Abschluss der genannten drei Verträge durch Herrn B. als damaligem Vorstand nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen.
Rechtsfolge: Nichtigkeit
Die umstrittene und auch vom BGH für das materiellen Recht noch nicht entschiedene Frage, ob geschlossene Verträge in derartigen Fällen schwebend unwirksam und nachträglich genehmigungsfähig oder wegen Verstoßes gegen ein in § 112 AktG verankertes gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig sind, hat der Senat im letzteren Sinn entschieden.
AR-Mitglieder könnten nach § 111 Abs. 5 AktG ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen und selbst mit der Vorbereitung und Überwachung der Ausführung von Beschlüssen nach § 107 Absatz 3 S. 1 AktG könnten sie ausschließlich AR-Mitglieder oder Ausschüsse aus AR-Mitglieder betrauen. Für die Überprüfung der Unterlagen und Vermögensgegenstände der Gesellschaft dürfe der AR nach § 111 Absatz 2 Satz 2 AktG nur einzelne Mitglieder oder Sachverständige beauftragen. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass sich der AR bei seinen sonstigen Aufgaben nicht durch andere Personen vertreten lassen könne. Dem widerspreche eine schwebende Unwirksamkeit, weil nach erfolgter nachträglicher Genehmigung durch den AR dieselben Wirkungen eintreten würden wie bei einer anfänglichen Bevollmächtigung, die aber gerade durch das Gesetz ausgeschlossen sein solle.
Hinzu komme, dass die Willensbildung im AR in § 108 AktG zwingend geregelt sei. Beschlüsse des AR seien daher nichtig, wenn er nicht beschlussfähig war oder nicht sämtliche Mitglieder eingeladen hatte. Handele aber anstelle des AR sogar ein anderes Organ der Gesellschaft, nämlich der Vorstand, außerhalb seiner Zuständigkeit und ohne die Regeln für die Willensbildung in der Gesellschaft einzuhalten, könne dessen Handeln nicht lediglich schwebend unwirksam sein.
Auch werde eine unbeeinflusste und rein sachdienliche Wahrnehmung der Gesellschaftsbelange zudem erschwert, wenn der Vorstand sich über den AR hinwegsetzt und ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft abschließt, das er - wie hier - ganz oder teilweise schon umgesetzt habe. Der AR könne das so geschlossene Geschäft nur noch genehmigen oder ablehnen, während eine andere, differenzierende Willensbildung ausgeschlossen wäre. Dies allein schränke den AR ein. Die Aufgabenverteilung in der Aktiengesellschaft würde verwischt, wenn der Vorstand den AR mit schwebend unwirksamen Geschäften „überrollen“ und faktisch beeinflussen könnte.
Aus diesem Grund seien die genannten Verträge nichtig und darauf gewährte Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht und gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurück zu gewähren.
Wirksam seien dagegen die spätere Verlängerung des Lizenzvertrages vom 12.09.2007 sowie dessen Aufhebung und auch die Vereinbarung von Ablösezahlungen gewesen. Zwar habe der Mitvorstand Herr B. auch diese Verträge ohne jeden Zusatz für die Klägerin unterzeichnet, den Verträgen hätten jedoch AR-Beschlüsse zugrunde gelegen, die in Anwesenheit aller AR-Mitglieder sowie in Anwesenheit des Herrn A. gefasst worden seien. Dies habe eine Beweisaufnahme ergeben. Darin seien mündliche Verträge zu sehen, die - ohne Formzwang - wirksam seien. Demzufolge sei die AG hierbei wirksam vom AR vertreten worden und entsprechende Leistungen mit Rechtsgrund erbracht worden.
Praxistipp
Die Entscheidung des OLG Brandenburg bezieht Stellung in der umstrittenen Frage, welche Rechtsfolge die mangelhafte Vertretung der AG bei einem Verstoß gegen § 112 AktG habe und schlägt sich damit auf die Seite desjenigen Lagers, welches bei mangelhafter Vertretung der AG durch den Vorstand Nichtigkeit der geschlossenen Verträge annimmt. In der Praxis wird abzuwarten sein, wann und in welche Richtung der BGH diese materiell-rechtliche Frage endgültig klärt. Bis dahin besteht jedoch vorsorglich Grund für eine penible Einhaltung der Vorgaben des § 112 AktG auch in seiner hier vorgenommenen weiten Auslegung. Sicherheitshalber sollten derlei Verträge für die AG daher vom Aufsichtsrat und vom Vorstand unterzeichnet werden.
(OLG Brandenburg, Urteil vom 14.01.2015 - Aktenzeichen 7 U 68/13)
Stephen-Oliver Nündel, Rechtsanwalt