BMF legt Gesetzentwurf zur Ratifikation des Multilateralen Instruments vor
Das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) hat am 28. Mai 2020 einen Gesetzesentwurf mit dem etwas sperrigen Titel „Entwurf eines Gesetzes zu dem Mehrseitigen Übereinkommen vom 24. November 2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“, welches der Ratifikation des sogenannten Multilateralen Instruments („MLI“) dient, vorgelegt.
Hintergrund des MLI – BEPS-Initiative der G20/OECD
Das MLI ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts, der am 7. Juni 2017 von der Bundesrepublik Deutschland und 67 weiteren Staaten unterzeichnet wurde. Weitere Staaten und Gebiete können dem MLI durch Unterzeichnung beitreten; dementsprechend beläuft sich die Anzahl nunmehr auf 94 Staaten (Stand: 24. Juni 2020). Das MLI ist eines der Resultate des G20/OECD-Projekts zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS), mit denen internationale steuerplanerische Gestaltungen besser reguliert werden sollen. Die BEPS-Initiative zielt insbesondere auf die Anpassung von internationalen und nationalen Steuervorschriften, die die künstliche Gewinnverlagerung in Jurisdiktionen, mit keiner oder niedriger Besteuerung, zulassen, ab. Im Ergebnis soll eine stärkere Besteuerung in solchen Jurisdiktionen erreicht werden, in denen die wirtschaftliche Tätigkeit und Wertschöpfung tatsächlich erfolgt. Dabei hat die BEPS-Initiative auch Änderungen an bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) empfohlen. Um solche Änderungen an bestehenden DBA zügig zu implementieren, ist die internationale Gemeinschaft übereingekommen, den Weg über einen multilateralen Vertrag zu gehen, da anderenfalls sämtliche DBA bilateral neu verhandelt hätten werden müssen.
Der Gesetzentwurf des BMF
Mit dem vom BMF vorgeschlagenen Gesetz soll das MLI nun ratifiziert werden. Der Gesetzentwurf beinhaltet das Zustimmungsgesetz zum MLI im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, eine Gesetzesbegründung, den Vertragstext des MLI in deutscher, englischer und französischer Sprache sowie eine aus zwei Teilen bestehende Denkschrift, welche zum einen Erläuterungen zum MLI aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland enthält und zum anderen die vorgesehenen Auswahlentscheidungen hinsichtlich der anzuwendenden Normen des MLI.
Den im Gesetzentwurf enthaltenen Auswahlentscheidungen ist zu entnehmen, dass von den knapp hundert bestehenden DBA der Bundesrepublik Deutschland zunächst nur 14 im Rahmen des MLI geändert werden sollen. Dies betrifft die DBA mit: Österreich, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien, Japan, Luxemburg, Malta, Rumänien, Slowakei, Spanien und Türkei.
Durch das vorgesehene Zustimmungsgesetz werden die im MLI vorgesehenen und von der Bundesrepublik Deutschland ausgewählten Änderungen aber noch nicht unmittelbar wirksam, da das Verfahren zur Umsetzung der Änderungen an den jeweiligen DBA zweistufig aufgebaut ist.
Zunächst wird durch das Ratifizierungsgesetz der Rechtsanwendungsbefehl hinsichtlich der erfassten DBA, Auswahlentscheidungen und Vorbehaltserklärungen des MLI im innerstaatlichen Recht erteilt. Damit werden die Änderungen aber noch nicht unmittelbar wirksam, weil dies erstens erst geschieht, sobald der betreffende andere Staat/Vertragspartner korrespondierend den DBA und die Änderungen für Anwendbar erklärt. Zweitens hat die Bundesrepublik Deutschland einen Vorbehalt nach Art. 35 Abs. 7 MLI angebracht, wonach die Änderungen durch den MLI völkerrechtlich erst 30 Tage nach Notifizierung der OECD über den Abschluss des innerstaatlichen Ratifizierungsverfahrens wirksam werden, weil die Bundesrepublik Deutschland sich aus Gründen der Rechtssicherheit und wohl vor allem der Rechtsklarheit dazu entschieden hat, die konkreten Änderungen der einzelnen DBA nochmals durch ein Zustimmungsgesetz im innerstaatlichen Recht zur Anwendung zu bringen. Die Notifizierung der OECD wird erst danach erfolgen.
Der Gesetzentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und anschließend im Bundestag beraten.
Praktische Folgen
Das MLI enthält insbesondere Änderungen hinsichtlich der Regelungen zur Abkommensmissbrauchsvermeidung (Verhinderung von sogenanntem treaty shopping durch den principal purpose test), Regelungen zu effizienteren Streitbeilegungsmechanismen sowie Betriebsstätten-Themen und eine Neuaufteilung von Besteuerungsrechten für die Veräußerung von Anteilen an bestimmten Gesellschaften. Grundsätzlich sollten Unternehmensgruppen mit internationalen Holding-Strukturen daher ihre Struktur auf Anpassungsbedarf- und -möglichkeiten prüfen lassen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in dem Gesetzentwurf insbesondere auch von der Anwendung der sogenannten Immobilien-Klausel gemäß Art. 9 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht, wonach die Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft, die überwiegend Immobilien hält, im Belegenheitsstaat der Immobilien zu besteuern ist. Dadurch kann es sowohl zu passiven steuerlichen Entstrickungen als auch zu passiven steuerlichen Verstrickungen von Anteilen an Gesellschaften, die überwiegend Immobilien-Vermögen halten, kommen. Insbesondere inländische Gesellschaften, die Anteile an ausländischen Immobilien-Gesellschaften halten sowie ausländische Holding-Gesellschaften mit Anteilen an inländischen Immobilien-Gesellschaften sollten daher ihre Strukturen auf steuerliche Kompatibilität und Anpassungsoptionen prüfen lassen, um nicht ohne weiteres Zutun erhebliche nachteilige steuerliche Effekte zu erzielen.
Dr. Michael Engel, Rechtsanwalt/Steuerberater
Frankfurt a.M.