Dezember 2025 Blog

EU‑Einigung zu Altfahrzeugen: Neuer unionsweiter Rechtsrahmen für eine kreislauforientierte Automobilindustrie

Das Europäische Parlament und der Rat haben am 12. Dezember 2025 eine vorläufige politische Einigung über neue unionsweit geltende Regeln zu Altfahrzeugen erzielt und damit einen zentralen Baustein der europäischen Kreislaufwirtschaftsagenda im Fahrzeugsektor vorangebracht. Ziel der Initiative ist es, den gesamten Lebenszyklus von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen – vom Design über Produktion und Nutzung bis zur Um- und Weiterverwertung – konsequent auf Ressourcenschonung, Wiederverwendung und hochwertiges Recycling auszurichten. Die Einigung baut auf dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über die Kreislauffähigkeit von Fahrzeugen und die Behandlung von Altfahrzeugen (COM(2023) 451 final; 2023/0284(COD)) auf und dient der Modernisierung und Konsolidierung des bestehenden Rechtsrahmens.

Regelungsinhalte der politischen Einigung

Vorgesehen ist ein kohärenter, unionsweit einheitlicher Regelungsrahmen, der Hersteller, Zulieferer, Betreiber von Demontage‑ und Recyclinganlagen, Händler sowie weitere Akteure adressiert und Anreize für zirkuläre Geschäftsmodelle setzt. Die Einigung adressiert insbesondere folgende Bausteine:

  • Design für Kreislauffähigkeit: Neue Anforderungen an die Fahrzeugkonstruktion sehen vor, die Demontage, Wiederverwendung und hochwertige Verwertung wesentlicher Komponenten deutlich zu erleichtern. Dazu zählen klare Vorgaben zu demontierbaren Bauteilen, zur Verfügbarkeit von Reparatur‑ und Demontageinformationen sowie eine verstärkte Vermeidung problematischer Materialkombinationen. Hersteller müssen bereits in der Entwicklungsphase die spätere Zerlegung und Materialrückgewinnung mitdenken.
  • Rezyklateinsatz und Materialtransparenz: Der Einsatz von recycelten Materialien – insbesondere bei Kunststoffen – wird gefördert und in bestimmten Bereichen verbindlich festgeschrieben. Ein verbesserter Materialdatenzugang entlang der Lieferkette soll Transparenz über Inhaltsstoffe, gefährliche Substanzen und Recyclingfähigkeit gewährleisten. Digitale Informationsinstrumente werden zur Nachverfolgbarkeit von Bauteilen und Materialien ausgebaut und institutionell verankert.
  • Sammlung, Rücknahme und Behandlung von Altfahrzeugen: Die Einigung stärkt die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR). Flächendeckende, leicht zugängliche Rücknahme‑ und Sammelsysteme sollen sicherstellen, dass Fahrzeuge am Lebensende in zugelassene Behandlungseinrichtungen verbracht werden. Für Demontage‑ und Recyclingbetriebe werden Mindeststandards präzisiert, um eine hochwertige Verwertung sowie die ordnungsgemäße Entfernung potenziell gefährlicher Bestandteile sicherzustellen.
  • Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertiges Recycling: Die Wertschöpfung aus Altfahrzeugen soll verstärkt durch die Wiederverwendung geprüfter Ersatzteile, Remanufacturing und die effiziente Rückgewinnung von Metallen, Kunststoffen und anderen Materialien erfolgen. Ziel ist es, Stoffkreisläufe zu schließen und die Abhängigkeit von Primärrohstoffen zu reduzieren.
  • Bekämpfung illegaler Ströme und Exportkontrollen: Zur Verhinderung illegaler Demontage und des Abflusses nicht verkehrssicherer Fahrzeuge werden Kontroll‑ und Nachweispflichten verschärft. Die Verbringung von Gebrauchtfahrzeugen in Drittländer wird klarer reguliert. Nicht mehr verkehrstaugliche Fahrzeuge sind als Abfall zu behandeln und ordnungsgemäß dem Recycling zuzuführen.
  • Daten, Dokumentation und Marktaufsicht: Verbesserte Informationspflichten – beispielsweise über den Verbleib von Fahrzeugen, ausgebaut durch digitale Instrumente – unterstützen die Behörden bei der Marktüberwachung. Dies erleichtert die Nachverfolgung, stärkt die Durchsetzung und reduziert Schlupflöcher im Binnenmarkt.

Folgen für die Praxis

Für Fahrzeughersteller bedeutet die Reform die frühzeitige Integration von Kreislaufanforderungen in Entwicklung, Einkauf und Produktionsplanung sowie den strukturierten Aufbau von Rücknahme‑ und Partnernetzwerken über den gesamten Lebenszyklus. Zulieferer werden verstärkt verpflichtet, Materialdaten bereitzustellen und Komponenten kreislaufgerecht auszugestalten. Demontage‑ und Recyclingbetriebe haben mit präziseren technischen und organisatorischen Standards zu rechnen, profitieren jedoch von einem verlässlicheren Zulauf und verbesserter Planbarkeit. Leasing‑ und Flottenbetreiber sowie Händler sind gehalten, Rückgabeprozesse und Zuständigkeitsfragen sauber zu ordnen und transparent zu dokumentieren.

Ausblick und Fazit

Die vorläufige politische Einigung bedarf noch der förmlichen Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat. Nach Abschluss der verbleibenden Schritte des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ist mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und einem gestaffelten Inkrafttreten zu rechnen. Unternehmen sind gehalten, die künftigen Pflichten frühzeitig in Produktentwicklung und Compliance‑Management zu verankern, Schnittstellen zwischen Technik, Einkauf, Rechts‑/Compliance‑Funktion und Vertrieb zu schärfen sowie bestehende Vertragswerke, Informationsflüsse und Rücknahmestrukturen auf Konformität und Effizienz zu überprüfen.

Die neuen Vorgaben zu Altfahrzeugen stehen für einen strukturellen Paradigmenwechsel hin zu einer kreislauforientierten Automobilwirtschaft. Sie verknüpfen produktbezogene Designanforderungen, lebenszyklusbezogene Verantwortlichkeiten und eine rechtssichere Behandlung am Lebensende in einem kohärenten Rahmen, der Ressourcen schont, Marktteilnehmern Planungssicherheit bietet und zirkuläre Geschäftsmodelle fördert. Für Akteure entlang der Wertschöpfungskette ist jetzt der geeignete Zeitpunkt, Umsetzungsprogramme aufzusetzen, Prioritäten zu definieren und interne Zuständigkeiten verbindlich festzulegen.

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