September 2025 Blog

EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Was Unternehmen jetzt konkret angehen müssen

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – das ist ab Juni 2026 nicht mehr nur ein Ziel, sondern Pflicht. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bringt erhebliche Herausforderungen für Unternehmen und verlangt von ihnen ab 2026 konkrete Maßnahmen.

Was ändert sich – die Pflichtfelder im Überblick 

Im Vergleich zum bisherigen deutschen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), das seit 2017 gilt und vor allem größere Unternehmen zu Auskunfts- und Prüfverfahren verpflichtet, geht die EU-Entgelttransparenzrichtlinie deutlich weiter: Sie sieht umfassendere Auskunftsrechte, niedrigere Schwellen für Berichtspflichten und strenge Vorgaben für die Gehaltstransparenz bereits im Bewerbungsprozess vor. Auch wenn bisher noch kein offizieller Regierungsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht vorliegt, sollten sich Unternehmen dennoch frühzeitig auf die neuen Anforderungen vorbereiten. Denn die Vorgaben der EU-Entgelttransparenzrichtlinie überlassen den Nationalstaaten nur wenig Umsetzungsspielraum und sind in vielen Punkten strenger als das bisherige deutsche Recht.

1.    Objektives, geschlechtsneutrales und nachvollziehbares Vergütungssystem

  • Beschäftigte, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten, müssen grundsätzlich das gleiche Entgelt erhalten.
  • Für Vergütungssysteme werden klare Maßstäbe gesetzt. Gleichwertige Arbeit wird künftig anhand der Kriterien Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen – gegebenenfalls ergänzt um weitere jobbezogene Faktoren – zu bewerten sein. Diese Kriterien müssen geschlechtsneutral und objektiv definiert und angewendet werden.

2.    Transparenz schon im Recruiting 

  • Das Einstiegsgehalt oder eine Gehaltsspanne müssen Bewerbenden proaktiv mitgeteilt werden, z. B. in der Stellenanzeige oder vor dem Bewerbungsgespräch.
  • Fragen des Arbeitgebers zur Gehaltshistorie sind nicht mehr zulässig, das heißt, bisherige Gehälter von Bewerbenden bleiben privat.
     

3.    Auskunfts- und Informationsrechte Beschäftigter

  • Beschäftigte erhalten künftig nicht nur Auskunft über ihr eigenes Entgelt, sondern auch über die Durchschnittsentgelte vergleichbarer Gruppen – jeweils nach Geschlecht aufgeschlüsselt.
  • Darüber hinaus werden Unternehmen jährlich auch gegenüber der Belegschaft offenlegen müssen, nach welchen objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien Entgelte festgelegt und entwickelt werden.
  • Gehaltsgeheimhaltungsklauseln, die das Sprechen über das eigene Gehalt untersagen, sind künftig unzulässig.

4.    Berichtspflichten zum Gender Pay Gap 

  • Arbeitgeber mit mindestens 250 oder mehr Mitarbeitenden haben bis zum 7. Juni 2027 und danach jährlich einen Bericht in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr an eine vom deutschen Gesetzgeber noch zu bestimmende Aufsichtsbehörde vorzulegen. Dieser Bericht muss auch veröffentlicht werden.
  • Arbeitgeber mit 150 bis 249 Mitarbeitenden haben bis zum 7. Juni 2027 und danach alle drei Jahre einen solchen Bericht vorzulegen und zu veröffentlichen.
  • Arbeitgeber mit 100 bis 149 Mitarbeitenden haben bis zum 7. Juni 2031 und danach alle drei Jahre einen solchen Bericht vorzulegen und zu veröffentlichen.
  • Arbeitgeber mit weniger als 100 Mitarbeitenden können einen Bericht nach der Richtlinie auf freiwilliger Basis vorlegen; auch für diese Unternehmen könnte der nationale Gesetzgeber jedoch eine Berichtspflicht vorsehen. Derzeit wird diese Frage von einer Regierungskommission zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie erörtert.   

5.    5-%-Schwelle: Gemeinsame Entgeltbewertung 

  • Ergibt der Bericht in einer Beschäftigtengruppe ein unerklärtes Entgeltgefälle von mindestens 5 %, ist innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen – oder es hat eine gemeinsame Entgeltbewertung mit der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen. 

Umsetzung der Anforderungen in der Praxis

Die Richtlinie verlangt von allen Unternehmen – unabhängig von Größe oder Tarifbindung – ein objektives, geschlechtsneutrales und nachvollziehbares Vergütungssystem. Wer bislang Gehälter frei festlegt oder sich allein auf Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen verlässt, muss künftig ein diskriminierungsfreies System schaffen und dokumentieren. 
Für die erfolgreiche Umsetzung empfiehlt sich ein strukturierter Drei-Stufen-Plan: 

  1. Unternehmen sollten bestehende Entgeltstrukturen evaluieren und prüfen, ob ihr aktuelles Vergütungssystem bereits objektive, geschlechtsneutrale Kriterien enthält und die Ausgangslage dokumentieren.
  2. Unternehmen sollten ein nachvollziehbares, diskriminierungsfreies System schaffen – auch wenn sie tarifgebunden sind oder Betriebsvereinbarungen bestehen.
  3. Arbeitnehmervertretungen sollten frühzeitig eingebunden und erforderliche Regelungen frühzeitig verhandelt werden.

Um ab Juni 2026 in der Lage zu sein, rechtskonforme Auskünfte zu erteilen und Entgelttransparenz zu gewährleisten, sollten Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, ihre Daten zu konsolidieren und erste Entgelt-Analysen durchzuführen. Nur so ist zeitlich gewährleistet, dass etwaig bestehende Entgeltdifferenzen korrigiert bzw. juristisch gerechtfertigt werden und ein diskriminierungsfreies Entgeltsystem entwickelt werden kann. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich die bei einer Aufsichtsbehörde einzureichenden Berichte zur Entgelttransparenz für Unternehmen mit mindestens 150 Mitarbeitenden (vergangenheitsbezogen) auf das Jahr 2026 beziehen.  

Typische Praxisfragen 

Viele Unternehmen fragen sich, ob auch kleine und mittlere Unternehmen handeln müssen. Die Antwort ist eindeutig: Ja. Denn viele Auskunftsrechte und Transparenzpflichten gelten unabhängig von der Unternehmensgröße. Lediglich die Berichtspflichten greifen erst ab 100 Mitarbeitenden. 

Auch die Frage, ob weiterhin außerhalb der angegebenen Gehaltsspanne verhandelt werden darf, lässt sich klar beantworten: Vertragsfreiheit bleibt bestehen, allerdings müssen Abweichungen objektiv begründet und dokumentiert werden. Der Verweis auf den Median oder ein „Top-of-Market“-Gehalt reicht als Begründung nicht aus. Es sind kriteriumsbezogene, geschlechtsneutrale Gründe erforderlich. Mit entsprechendem Begründungsaufwand werden sich aber auch weiterhin Gehaltsunterschiede rechtfertigen lassen. 

Risiken bei Untätigkeit

Wer die Umsetzung der Richtlinie aufschiebt, geht erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Risiken ein. Im Streitfall gilt künftig die Beweislastumkehr: Das Unternehmen muss nachweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt. Rechtlich drohen zudem Entschädigungszahlungen ohne Deckelung, Bußgelder und sogar der Ausschluss von öffentlichen Vergaben. Hinzu kommen Reputationsrisiken: Insbesondere, wenn Lohnlücken und Maßnahmen zur Schließung veröffentlicht werden müssen, kann dies die Arbeitgeberattraktivität nachhaltig beeinträchtigen. 

Ausblick

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie hebt das Thema Entgelttransparenz auf eine neue, operative Ebene. Ohne ein belastbares Vergütungssystem und eine klare Jobarchitektur wird die Einhaltung der Vorgaben zur Herausforderung. Der Umsetzungsaufwand ist zwar spürbar, wird sich aber langfristig auszahlen. Unternehmen, die bereits jetzt aktiv an der Schließung der Lücke zwischen Ist-Daten und Soll-System arbeiten, minimieren Rechts- und Reputationsrisiken, gewinnen Planungssicherheit für die Jahre 2026 und 2027 und stärken ihr Employer Branding. Wer jetzt entschlossen handelt, kann Transparenz als echten Wettbewerbsvorteil nutzen.

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