Januar 2025 Blog

Kommunale Verpackungssteuer verfassungsgemäß - Einführung weiterer lokaler Verpackungssteuern zu erwarten

Mit am 22. Januar 2025 veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Lebensmittelunternehmerin gegen die Erhebung einer kommunalen Verpackungssteuer zurückgewiesen.

Zum Sachverhalt

Seit Anfang 2022 erhebt die Universitätsstadt Tübingen eine Steuer auf den Verbrauch nicht wiederverwendbarer Verpackungen sowie nicht wiederverwendbaren Geschirrs und Bestecks, sofern Speisen und Getränke darin für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder zum take-away verkauft werden. Der Endverkäufer entsprechender Speisen und Getränke ist zur Entrichtung der Steuer verpflichtet.

Eine Betreiberin eines Schnellrestaurants in Tübingen hat gegen die Besteuerung des Verbrauchs der von ihr verwendeten Einwegartikel zunächst erfolglos einen Normenkontrollantrag gestellt und gegen diese Entscheidung sodann Verfassungsbeschwerde erhoben.

Zur Begründung führte sie zunächst an, dass die Steuer auch auf die für den Verkauf von Speisen und Getränken „als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk“ verwendeten Einwegartikel erhoben werde, und es insoweit an der „Örtlichkeit“ des Verbrauchs im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG und damit an der Gesetzgebungskompetenz fehle. Ferner stünde der mit der Verpackungssteuersatzung bezweckte Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen in Widerspruch zur Konzeption des bundesrechtlichen Abfallrechts. Im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens rügte sie ferner eine Verletzung ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Ihre Berufsfreiheit sei verletzt, weil die Verpackungssteuersatzung nicht durch eine Sachgesetzgebungskompetenz gedeckt sei. Einer solchen Kompetenz bedürfe es. Denn die Verpackungssteuer wirke faktisch wie ein Verbot der Verwendung von Einwegartikeln. Eine Abwälzung auf die Kunden durch entsprechende Preissteigerungen sei im niedrigpreisigen Speisen- und Getränkesegment nicht möglich. Dies habe zur Folge, dass der Restaurantbetrieb in der Regel keinen Gewinn mehr abwerfe. Jedenfalls fehle es an einer Steuergesetzgebungskompetenz. Die Verpackungssteuer sei in wesentlichen Teilbereichen der im Einwegkunststofffondsgesetz bundesgesetzlich geregelten Abgabe „gleichartig“, was nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG die Erhebung einer örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuer ausschließe.

Im Rahmen ihrer Ausführungen zum Gleichheitsgrundsatz führte sie aus, dass die von ihr verwendeten Verpackungen besonders ressourcenschonend konzipiert seien. Es sei daher mit Blick auf den Zweck der Verpackungssteuer, den anfallenden Verpackungsmüll zu vermindern, gleichheitswidrig, dass sie wegen der Bemessung der Steuer nach der Stückzahl der Einwegartikel den gleichen Betrag zahlen müsse wie ein Steuerschuldner, der bei gleicher Anzahl an ausgegebenen Verpackungen deutlich mehr Müll produziere.

Grundlegende Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Ende Januar 2025 veröffentlichten Entscheidung nun auch die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und hatte bereits im Rahmen des Normenkontrollverfahrens hervorgehoben, dass es sich bei der Verpackungssteuer auch insoweit um eine „örtliche“ Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz (GG) handele, als der Verbrauch von Einwegartikeln beim Verkauf von „mitnehmbaren take-away-Gerichten oder -Getränken“ besteuert wird. Der mit der Verpackungssteuersatzung bezweckte Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen widerspreche auch nicht der maßgeblichen Konzeption des bundesrechtlichen Abfallrechts. Die Verpackungssteuer sei auch im Übrigen mit der Berufsausübungsfreiheit der Endverkäufer vereinbar. Zwar greife die Erhebung die als Lenkungsteuer ausgestaltete Verpackungssteuer in die Berufsfreiheit der Endverkäufer ein. Dieser Eingriff sei jedoch verfassungsgemäß.

Im Einzelnen:

Zur Örtlichkeit der Verbrauchsteuern

Die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für die Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern berechtigt die Stadt Tübingen zur Erhebung der Verpackungssteuer als eine „örtliche“ Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG.

Die Örtlichkeit einer nicht direkt an den Verbrauch, sondern indirekt an den Verkauf von Waren anknüpfenden Verbrauchsteuer ist dabei nur gegeben, wenn der Steuertatbestand den typischen Fall des Verbrauchs der verkauften Ware innerhalb des Gemeindegebiets realitätsgerecht erfasst.

Bei der Abgabe von Einwegmaterial das beim Verkauf von Speisen und Getränken „für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“ Verwendung findet, sei der notwendige Ortsbezug des Verbrauchs nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ohne weiteres hergestellt. Dies gelte auch, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Speisen und Getränke in atypischen Fällen bestimmungswidrig in räumlicher Entfernung vom Verkaufsort außerhalb des Gemeindegebiets verzehrt werden.

Der notwendige Ortsbezug sei darüber hinaus auch bei Waren gegeben, die nicht „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ des Verkaufs bestimmt sind, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt. Hierfür könne insbesondere die Beschaffenheit der Ware sprechen. Zudem seien weiteren Gegebenheiten wie etwa die Versorgungsstruktur oder die Größe der Gemeinde zu berücksichtigen. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Verzehr von take-away-Gerichten und -Getränken „auf die Schnelle“ am häufigsten im Stadtgebiet erfolge. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte, die diese Annahme erschüttern könnten, seien nicht vorgetragen worden.

Zur Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

Die Verpackungssteuer der Universitätsstadt Tübingen verletzt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch keine sich aus dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung oder aus dem Grundsatz der Bundestreue abzuleitenden Schranken.

Die mit der Verpackungssteuer verfolgten Lenkungszwecke stünden zu dem geltenden Abfallrecht des Bundes weder hinsichtlich dessen Gesamtkonzeption noch hinsichtlich konkreter Einzelregelungen in Widerspruch.

Auch die Erhebung der Einwegkunststoffabgabe nach § 12 Einwegkunststofffondsgesetz stünde der Erhebung der Verpackungssteuer insoweit nicht entgegen. Denn jedenfalls entziehe die Verpackungssteuer dem Einwegkunststofffonds nicht missbräuchlich die finanzielle Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht unterstreicht insoweit, dass der Einwegkunststofffonds und die Verpackungssteuer schon nicht an dieselbe Ertragsquelle anknüpfen. So werden zur Entrichtung der Verpackungssteuer die Endverkäufer von Speisen und Getränken verpflichtet, während § 12 EWKFondsG die Hersteller von Einwegkunststoffprodukten zur Entrichtung einer Abgabe zur Deckung der Kosten des Einwegkunststofffonds heranzieht. Zudem beziehe sich die Einwegkunststoffabgabe auch auf Produkte, die – wie etwa Feuchttücher, Luftballons oder Tabakprodukte – nicht Gegenstand der Verpackungssteuer sind. Abgesehen davon erschwere der Zweck der Verpackungssteuer, die Endverkäufer von Speisen und Getränken zur steuervermeidenden Umstellung auf Mehrwegartikel zu bewegen, nicht das Ziel des Einwegkunststofffonds, über die Finanzierung von Maßnahmen zur Bewältigung der nachteiligen Auswirkungen einer Verwendung von Einwegkunststoffprodukten (§ 1 EWKFondsG). Denn soweit solche Maßnahmen von vornherein nicht notwendig werden, weil die Endverkäufer von Speisen und Getränken die steuervermeidenden Verhaltenserwartungen erfüllen, bestehe bereits kein Bedarf zur Finanzierung nachträglicher Schutzmaßnahmen.

Keine unzumutbare Beeinträchtigung der Berufsfreiheit

Schließlich verletze die kommunale Verbrauchsteuer auch nicht die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Anhaltspunkte für eine erdrosselnde Wirkung der Steuer seien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich.

Die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit werde auch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Eingriff sei vielmehr verhältnismäßig. So sei die Indienstnahme der Endverkäufer als Zahlstelle insbesondere erforderlich, um die Verpackungssteuer vereinnahmen zu können. Die Alternative einer nicht indirekt an den Verkauf, sondern direkt an den Verbrauch der Einwegartikel durch die Endverbraucher als dem eigentlichen Steuergegenstand anknüpfenden Steuerpflicht wäre nicht praktikabel und daher kein gleich geeignetes Mittel zur Zielerreichung.

Praktische Auswirkungen

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist damit zu rechnen, dass zeitnah weitere Kommunen dem Tübinger Vorbild folgen und lokale Verpackungssteuern einführen werden. Auf die betroffenen Unternehmen kommen finanzielle sowie erhebliche organisatorische Mehrbelastungen zu. Bei wirtschaftlicher Tätigkeit in mehreren Kommunen wird die Rechtslage voraussichtlich zeitnah uneinheitlich und damit weniger übersichtlich.

(Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November 2024 - 1 BvR 1726/23)

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