Nachlassklausel ist wirksam und AGB-fest!
Das Kammergericht hat im Zusammenhang mit einem gekündigten Bauvertrag zwei häufig verwendete Vergütungsabreden gegensätzlich beurteilt: Die im Vertrag des Bestellers vorformulierte Nachlassklausel ist als Preisvereinbarung wirksam und nicht der AGB‑Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterworfen. Dagegen scheitert eine pauschale „Nebenkosten“-Klausel an § 307 BGB.
Sachverhalt
Die Beklagte als Generalübernehmerin beauftragte die Schuldnerin 2015 mit Grund- und Mieterausbau (Elektroinstallationen). Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Für den Grundausbau vereinbarten die Parteien eine Pauschalvergütung von 556.145,51 EUR netto, für den Mieterausbau eine Vergütung nach Einheitspreisen. In beiden Fällen hatte die Schuldnerin der Beklagten einen Nachlass von 4,17 % auf ihr erstes Angebot gewährt. Der Bauvertrag bezieht unter anderem die VOB/B ein und enthält unter anderem die folgenden Bestimmungen, wobei die Klägerin als AN und die Beklagte als AG bezeichnet werden:
§ 2.6: Es wird ein Nachlass iHv 4,17 % bei der Abrechnung von Einheitspreisen abgezogen, auch von denen der beauftragten Nachträge, deren Preise auf der Grundlage der Preisermittlung für die vertragliche Leistung zu bilden sind.
§ 2.7: Auf die Kosten der vom AG abgeschlossenen Bauwesenversicherung sowie auf die Verbrauchskosten (zB Strom Wasser) und etwaigen Kosten für Messer und Zähler werden bei der Schlussrechnung pauschal 1,8 % der Auftragssumme vom Vergütungsanspruch des AN in Abzug gebracht.
Nach Insolvenzantrag der Schuldnerin kündigte die Beklagte den Vertrag. Die Schuldnerin legte Schlussrechnung; bei den Nachträgen zog sie den 4,17 %‑Nachlass nicht ab. Die Beklagte berief sich u.a. auf § 2.6 (Nachlass auf Nachträge) und § 2.7 (1,8 %‑Abzug). Das Landgericht gab der Klage teilweise statt; beide Parteien legten Rechtsmittel ein.
Zentral stritten die Parteien über die Anwendbarkeit des in § 2.6 geregelten Nachlasses von 4,17 % auf Nachträge, die nach Einheitspreisen abzurechnen sind. Die Beklagte machte geltend, dass die Vergütung der Nachträge gemäß § 2.6 um 4,17 % zu kürzen sei. Die Schlussrechnung der Unternehmerin hatte diesen Nachlass auf die Nachträge nicht berücksichtigt, sodass die Beklagte den Abzug im Prozess beanspruchte. Entscheidend waren damit die rechtliche Einordnung der Klausel und ihre Reichweite auf nach Einheitspreisen abgerechnete Nachträge.
Entscheidung
Das Kammergericht bejaht die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Nachlassklausel auf nach Einheitspreisen abgerechnete Nachträge und qualifiziert § 2.6 als echte Preisvereinbarung: Als preisbildende Regelung entziehe sie sich der AGB‑Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die vertragliche Festlegung preisbildender Faktoren gehöre zum Kernbereich privatautonomen Gestaltens; Preisabreden für Hauptleistungen in nicht regulierten Märkten stellten grundsätzlich weder Abweichungen noch Ergänzungen gesetzlicher Vorschriften dar. Das gelte auch für Klauseln, die den Preis nicht beziffern, sondern das Preisbildungsprogramm (Bewertungsfaktoren und Verfahren) festlegten. Auch die vertragliche Festlegung preisbildender Faktoren gehöre zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung (BGH NJW 2010, 150 Rn. 22 mwN). Die unmittelbare Reduktion der angebotenen Preise um 4,17 % sei daher eine Preisabrede, keine kontrollfähige Preisnebenabrede.
Folgerichtig setzt der Senat den Nachlass in der Abrechnung um: Bei den bereits in der Schlussrechnung nach Einheitspreisen erfassten Nachträgen war der 4,17 %‑Abzug noch nicht vorgenommen worden; der Senat mindert die dortige Summe um 4,17 %. Bei den übrigen Positionen (Einheits- bzw. Pauschalpreise außerhalb von Nachträgen) sei der Nachlass vertraglich bereits eingepreist bzw. berücksichtigt gewesen, sodass insoweit kein weiterer Abschlag vorzunehmen war.
Kontrastierend hierzu stuft das Kammergericht die „Nebenkosten“-Klausel in § 2.7 als kontrollfähige und wegen unangemessener Benachteiligung unwirksame Preisnebenabrede ein: Der pauschale 1,8 %‑Abzug weise weder Bezug zur tatsächlichen Kostenhöhe des Bestellers noch zum anteiligen Verbrauch des Unternehmers auf und sei daher nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klausel wirke zwar rechnerisch wie eine Preisabrede, indem sie – genau wie die Nachlassklausel – einen prozentualen Abschlag von der Vergütung des Klägers vorsieht. Dieser Abschlag soll aber nicht ohne Begründung vorgenommen werden, sondern als pauschaler Ausgleich für tatsächliche oder angebliche Kosten, die der Beklagten entstehen. Ein prozentualer Abschlag auf eine Vergütung, der sachlich als pauschaler Abgleich mit einem Gegenanspruch begründet wird – etwa gerichtet auf Schadensersatz oder Kostenerstattung – wirke sich nur mittelbar auf die Vergütung aus und stelle damit keine Preisvereinbarung, sondern allenfalls eine „Preisnebenabrede“ dar, die – genau wie die Pauschalierung von Schadensersatz (§ 309 Nr. 5 BGB) – der Inhaltskontrolle unterfällt.
Praxistipp
Für die Vertragsgestaltung im Bauwesen ist die saubere Trennung zwischen Preisabreden und Preisnebenabreden entscheidend. Ein ausdrücklich vereinbarter prozentualer Nachlass auf Einheitspreise – „auch auf Nachträge“ – ist eine Preisabrede und unterliegt regelmäßig nicht der AGB‑Kontrolle; er gilt damit durchgängig für nach Einheitspreisen abgerechneten Nachtragsleistungen, sofern der Vertrag dies klarstellt. Auftraggeber sollten die Reichweite des Nachlasses sprachlich eindeutig auch auf die Nachtragskalkulation erstrecken, um Streit über die Einbeziehung zu vermeiden. Auftragnehmer müssen in Schlussrechnungen prüfen, ob der vertragliche Nachlass bereits eingepreist ist oder noch rechnerisch abzusetzen ist; unterbleibt dies, wird der Abzug im Prozess durchgesetzt.
Demgegenüber sind pauschale „Nebenkosten“-Abzüge (Versicherung, Energie, Mess- und Zählerkosten etc.) AGB‑kontrollfähig. Ohne nachvollziehbaren Bezug zu tatsächlichen Kosten und Verursachungsanteilen halten sie regelmäßig § 307 BGB nicht stand. Wer solche Klauseln verwenden will, sollte sie nachprüfbar an reale, projektbezogene Kosten und Verbrauchsanteile koppeln. Der hier vom Kammergericht gezogene dogmatische Schnitt: Nachlassklausel (Preisabrede) - pauschaler Nebenkostenabzug (unwirksame Preisnebenabrede), setzt für künftige Vertragsmuster eine klare Leitplanke.
(KG Urteil vom 11.2.2025 – 21 U 89/23)

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