Februar 2023 Blog

Nichtigkeitsklage bereits nach unanfechtbarer Beschränkung eines Patents im Einspruchsverfahren möglich

Wird ein Patent im Einspruchsverfahren unanfechtbar beschränkt, ist gegen den aufrechterhaltenen Teil nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) sofort die Nichtigkeitsklage zulässig.

Sachverhalt

Im entschiedenen Fall wurde ein europäisches Patent zunächst im Einspruchsverfahren widerrufen. Im daraufhin durchgeführten Beschwerdeverfahren hob die Beschwerdekammer die Entscheidung auf und verwies die Sache an die Einspruchsabteilung zurück mit der Maßgabe, das Patent mit geänderten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten und die Beschreibung anzupassen. Sodann wurde gegen das Patent Nichtigkeitsklage erhoben. Während des Nichtigkeitsverfahrens reichte die Beklagte eine geänderte Fassung des Patents ein, woraufhin die Einspruchsabteilung eine Zwischenentscheidung erließ, dass das Patent alle Anforderungen erfülle. Das Bundespatentgericht wies daraufhin die Nichtigkeitsklage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es sinngemäß aus, dass die Zwischenentscheidung noch nicht rechtskräftig geworden sei und der Patentinhaber erst noch die Veröffentlichungsgebühr für die geänderte Fassung zahlen und eine Übersetzung vorlegen müsse. Geschehe dies nicht, so könne das Patent noch widerrufen werden. Deshalb sei das Einspruchsverfahren noch anhängig gewesen und die Nichtigkeitsklage gemäß § 81 Absatz 2 Satz1 PatG unzulässig. Nach Erhebung der Nichtigkeitsklage wurden die genannten Voraussetzungen erfüllt.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Zur Begründung stellte er zunächst klar, dass Prozessvoraussetzungen (zu denen auch gehört, dass kein Einspruchsverfahren anhängig ist) grundsätzlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen und hierbei auch Änderungen zu berücksichtigen sind, die erst in der Berufungsinstanz eingetreten sind. Das Bundespatentgericht sei daher nicht gehalten gewesen, die Klage sofort als unzulässig abzuweisen, sondern dürfe bis zur Entscheidungsreife abwarten und dann gegebenenfalls in der Sache entscheiden. Davon unabhängig komme es nach Auffassung des BGH nicht darauf an, ob das Einspruchsverfahren formell beendet ist, sondern ob es einen Stand erreicht hat, in dem die Gefahr widersprechender Entscheidungen oder einer unnötigen Doppelbefassung von Gericht und EPA nicht mehr besteht. Diese Gefahr bestehe nicht mehr, wenn das Europäische Patentamt unanfechtbar entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung aufrechterhalten wird. Der BGH begründete dies damit, dass zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass das Patent in der erteilten Fassung keinen Bestand haben wird und dass weitergehende Angriffe gegen die als rechtsbeständig angesehene Fassung keinen Erfolg haben. Als unerheblich stufte der BGH die Notwendigkeit der Gebührenzahlung und der Vorlage von Übersetzungen sowie die Möglichkeit einer Änderung der Beschreibung ein. Sollte ein Nichtigkeitskläger jedoch gegen die vom EPA bereits für nicht rechtsbeständig erklärte Fassung vorgehen, so betonte der BGH, dass dann insoweit das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehlt.

Praxishinweis

Bleibt bei einem Einspruchsverfahren ein Teil des Patents bestehen, ist gegen diesen eine Klage bereits zulässig, wenn die Entscheidung nicht mehr angegriffen werden kann. Die formelle Beendigung des Einspruchsverfahrens – also die Einreichung von Übersetzungen, die Zahlung der Gebühr und die Veröffentlichung – braucht nach der Entscheidung des BGH nicht abgewartet zu werden. Dabei genügt es sogar, wenn die Unanfechtbarkeit erst im Schluss der mündlichen Verhandlung gegeben ist. Um das Risiko auszuschließen, dass das Gericht die Klage vor Eintritt der Unanfechtbarkeit abweist, empfiehlt es sich aber, die Unanfechtbarkeit abzuwarten.

(BGH, Urteil vom 6.12.2022 – X ZR 47/22)

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