Juli 2019 Blog

Verkaufs­offen­er Sonn­tag – OVG Mün­ster weicht anläss­lich der „Blau­licht­meile“ von BVerwG ab

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat sich mit Urteil vom 17. Juli 2019 erstmals in einem Hauptsacheverfahren mit den Regelungen zu verkaufsoffenen Sonntagen im aktuellen nordrhein-westfälischen Ladenöffnungsgesetz befasst. Dabei weicht das OVG von der strengen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bewusst ab.

Hintergrund

Die Regelung der Ladenöffnungszeiten ist seit 2006 Ländersache. Da der Sonntag nach dem Grundgesetz besonderen Schutz erfahren muss, ist in allen Bundesländern jährlich nur eine geringe Zahl von verkaufsoffenen Sonntagen gestattet – die Bandbreite reicht von drei (Baden-Württemberg) über vier verkaufsoffene Sonntage (Mehrheit der Bundesländer) bis hin zu acht (NRW) bzw. sogar zehn (Berlin). Für die Auswahl und Freigabe von konkreten Sonntagen durch die Verwaltung, etwa durch die Kommunen, hat das BVerwG aus dem Grundgesetz strenge Anforderungen abgeleitet. Noch im Dezember 2018 hat es bekräftigt: Bei einem verkaufsoffenen Sonntag aus Anlass einer Veranstaltung (z. B. einem Fest oder Markt) darf die Ladenöffnung nur als Annex zur Veranstaltung erscheinen. Anhand einer anzustellenden Besucherzahlenprognose muss erkennbar sein, dass die Veranstaltung für sich (d. h. ohne Ladenöffnung) mehr Besucher anzieht, als es allein die Ladenöffnung (ohne die Veranstaltung) täte. Gewerkschaften, die Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich vertreten, können die gerichtliche Überprüfung der Freigabe von verkaufsoffenen Sonntagen verlangen.

Sachverhalt

In der Stadt Mönchengladbach sollte an einem Sonntag im April 2019 die „Blaulichtmeile“ veranstaltet werden, auf der Institutionen wie DLRG, Polizei und Zoll ihre Arbeit, Geräte und Fahrzeuge vorstellen sollten. Der Stadtrat gab diesen Tag als verkaufsoffenen Sonntag für die Geschäfte nahe der „Blaulichtmeile“ frei – ohne eine Besucherzahlenprognose aufzustellen. Eine Prognose hätte vermutlich auch nicht ergeben, dass die „Blaulichtmeile“ für sich mehr Besucher anziehen würde als die geöffneten Geschäfte, schließlich lagen diese im Hauptgeschäftszentrum der Stadt.

Die Gewerkschaft ver.di versuchte die Sonntagsöffnung im Vorfeld mit einem Eilantrag zu verhindern, hatte damit vor dem OVG Münster allerdings keinen Erfolg. Daher fand während der „Blaulichtmeile“ der verkaufsoffene Sonntag statt.

Entscheidung

Nun hat das OVG Münster im anschließenden Hauptsacheverfahren mit Urteil vom 17. Juli 2019, zu dem bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, seine Rechtsauffassung aus dem Eilverfahren vertieft und den verkaufsoffenen Sonntag für rechtmäßig erklärt. Die Richter legen zugrunde, dass die „Blaulichtmeile“ einen beträchtlichen Besucherstrom erwarten ließ. Der Stadtrat habe davon ausgehen dürfen, dass diese Veranstaltung und nicht die Ladenöffnung die Eindrücke der Besucher maßgeblich prägen werde.

Für unschädlich hält das OVG, dass die vom BVerwG geforderte Besucherzahlenprognose vom Stadtrat nicht aufgestellt wurde. Das OVG argumentiert: Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe bei der Gesetzesnovelle 2018 die Gemeinden für sonntägliche Ladenöffnungen, die in räumlicher Nähe zu einer örtlichen Veranstaltung zugelassen werden, vom Erfordernis der Besucherzahlenprognose befreien wollen. Dies liege im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

Auch andere Gerichte wie der Verwaltungsgerichtshof Mannheim und das OVG Berlin-Brandenburg stehen dem Prognoseerfordernis des BVerwG kritisch gegenüber, weil es die Kommunen häufig (über)fordert und mit den Vorstellungen einiger Landesgesetzgeber nicht zusammenpasst.

Praxishinweis

Eine fast gleichzeitig ergangene Eilentscheidung des OVG Berlin-Brandenburg bestätigt: Um verkaufsoffene Sonntage wird vor den Verwaltungsgerichten zwischen Gewerkschaften (bzw. Kirchen) und Verwaltungen regelmäßig gestritten. Die Fälle werfen diverse Fragen zum verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind. So hat das OVG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 18. Juli 2019 das Verwaltungsgericht Berlin korrigiert und die Entscheidung des Berliner Senats bestätigt, der aus Anlass des Lesbisch-Schwulen Stadtfests in Berlin-Schöneberg und der Internationalen Funkausstellung in Berlin-Westend verkaufsoffene Sonntage mit berlinweiter Wirkung festgesetzt hat.

Das OVG Münster hat in seinem oben vorgestellten Urteil nun die Revision zum BVerwG zugelassen. Das letzte Wort steht also noch aus und wird ggf. erst in Karlsruhe vom Bundesverfassungsgericht gesprochen werden.

(OVG Münster, Urteil vom 17. Juli 2019, Az.: 4 D 36/19.NE – Hauptsache;
OVG Münster, Beschluss vom 25. April 2019, Az.: 4 B 517/19.NE – Eilverfahren;
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2019, Az.: 1 S 62.19)

Dr. Jan Felix Sturm, Rechtsanwalt 
Hamburg

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