22 Juni 2021 Blog

Verspätung – Haftung im See­transport

Die Havarie der Ever Given im Suezkanal ist sicherlich das prominenteste Beispiel für einen Verspätungsschaden im Bereich der Seefracht, denn in jeder Nachrichtensendung wahrscheinlich weltweit war das gestrandete Schiff im Suezkanal zu sehen.

Grundsätzlich versuchen nach wie vor alle Reeder bzw. Verfrachter ihre Haftung für Verspätung auszuschließen. Fahrpläne werden für unverbindlich erklärt, die bekannten ETA zu Näherungswerten gemacht.

Lässt man einmal die umfangreichen und sehr individuellen Regelungen der B/L auf Seite und konzentriert sich auf die Geltung des deutschen Rechts, dann ist grundsätzlich festzustellen, dass das deutsche Seefrachtrecht die Verspätung nicht regelt. Es gilt also die Verspätung als ein Verzugsschaden mit der entsprechenden Anwendung der § § 280, 286 BGB. Voraussetzung ist dann, dass es zum einen eine Fälligkeit der Leistung gibt, im Anschluss daran eine Mahnung, die doch sehr eindeutig erkennen lassen muss, dass der Befrachter jetzt eine unverzügliche Leistungserbringung verlangt, andernfalls er rechtliche Konsequenzen ziehen will. Die Fälligkeit ist im Hinblick auf die vielfachen Verweise der Unverbindlichkeit einer Ankunftszeit nicht einfach festzustellen. Allerdings gehen die deutschen Gerichte davon aus, dass auch ein Seetransport jedenfalls in einer angemessenen Zeit abzuleisten ist. Eine Daumenregel besagt, dass das der Zeitraum bis zur genannten ETA zzgl. 50 % ist. Dann tritt eine Fälligkeit der Ablieferung ein und mit einer weiteren Mahnung gerät der Verfrachter in Verzug.

Die Besonderheit ist, dass eben die Begrenzungen des Seehandelsrechtes in der Haftung für Güterschäden hier nicht greifen, die Haftung wäre also unbeschränkt. Eine Schranke kann eingreifen, wenn z.B. die ADSp im Multimodalfrachtvertrag mit einer deutschen Spedition vereinbart sind, die in diesen Fällen die Haftung auf den dreifachen Schadensbetrag bei Verlust begrenzen.

Verzug setzt aber auch Verschulden voraus, für das zwar der Verfrachter beweispflichtig ist, hier werden jetzt aber gerade im Falle der Ever Given umfangreiche Diskussionen einsetzen, ob sich der Verfrachter auf nautisches Verschulden berufen kann, obwohl wahrscheinlich schon die Einfahrt in den Kanal fehlerhaft war und wie die Verhältnisse zu beurteilen sind, die nach dem Freischwimmen des Schiffes durch die langwierigen Verhandlungen mit der ägyptischen Regierung zu einer weiteren Verzögerung führten.

Dieser berühmte Verspätungsfall wird die Rechtsprechung in vielen Ländern noch lange beschäftigen.

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