Dezember 2016 Blog

Vorsicht bei Einwurfeinschreiben an säumige GmbH-Gesellschafter

Kommt ein hierzu aufgeforderter GmbH-Gesellschafter der Einzahlung seiner Einlage für den auf ihn entfallenden Geschäftsanteil nicht rechtzeitig nach, kann die Gesellschaft ihm gemäß § 21 Abs. 1 GmbHG unter Androhung seines Ausschlusses aus der Gesellschaft per eingeschriebenem Brief eine erneute Zahlungsaufforderung mit Nachfristsetzung zukommen lassen und ihn nach fruchtlosem Fristablauf aus der Gesellschaft ausschließen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun einen alten Meinungsstreit zur Form der erneuten Zahlungsaufforderung entschieden.

Vorliegender Fall

Gemäß § 21 Abs. 1 GmbHG muss die erneute Zahlungsaufforderung „mittels eingeschriebenen Briefs“ erfolgen. In einem nunmehr vom BGH entschiedenen Fall stritten ein Gesellschafter und die Gesellschaft allein noch darum, ob die per Einwurfeinschreiben zugestellte erneute Zahlungsaufforderung der Gesellschaft diesem Formerfordernis des § 21 Abs. 1 GmbHG entsprach oder ob, wie die wohl überwiegende Literaturmeinung und auch der betroffene Gesellschafter meinte, allein ein Übergabeeinschreiben den Formerfordernissen des Gesetzes genügt.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat nun entschieden, dass auch das Einwurfeinschreiben der Deutschen Post AG dem Formerfordernis des § 21 Abs. 1 GmbHG genüge. Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG müsse die Zahlungsaufforderung mittels „eingeschriebenen Briefes“ erfolgen, also per Einschreiben. Das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG falle ebenso wie das Übergabe-Einschreiben unter den Oberbegriff des Einschreibens und damit unter den Wortlaut der Norm. In den derzeit geltenden „AGB BRIEF NATIONAL“ der Deutschen Post AG (Stand 1.1.2016) finde sich unter Nr. 1 [1] 3 die folgende Unterscheidung der in Betracht kommenden Leistungen: „Einschreiben, Einschreiben Einwurf, Eigenhändig, Rückschein“. Dabei werde unter „Einschreiben“ das einfache Übergabe-Einschreiben verstanden, welches noch zusätzlich mit der Option „Rückschein“ und/oder „Eigenhändig“ kombiniert werden könne. Bei der Übermittlungsart „Einschreiben- Einwurf“ werde der Begriff des „Einschreibens“ demnach als Oberbegriff verwendet und der Zusatz „Einwurf“ lediglich als Unterscheidungszusatz angefügt.

Auch lasse sich aus dem Willen des Gesetzgebers kein Ausschluss des Einwurf-Einschreibens als zulässige Form der Übermittlung im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG herleiten, da es im Zeitpunkt der Einführung der Norm im Jahr 1892 nur das Übergabe-Einschreiben gegeben habe. Der historische Gesetzgeber habe sich folglich nicht mit der Frage befasst, ob auch andere Formen des Einschreibens von der auszulegenden Norm erfasst werden sollen.

Unerheblich sei auch, dass der Gesetzgeber in anderem Kontext (§ 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz) die Formulierung „mittels eingeschriebenen Briefes“ inzwischen durch „mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein“ ersetzt habe Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht zwar bereits vor der Gesetzesänderung entschieden, dass das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG die Anforderungen an eine förmliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz nicht erfülle. Dies habe aber unter anderem daran gelegen, dass das Verwaltungszustellungsgesetz für die Zustellung die Übergabe des Schreibens voraussetzte, wohingegen § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG demgegenüber gerade nicht vorsehe, dass die Zahlungsaufforderung dem Gesellschafter übergeben werden müsse.

Die teleologische Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm führe ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG den formalen Anforderungen des § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG entspreche. Bei einer Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile der beiden Versendungsarten in Bezug auf Sinn und Zweck der Norm, nämlich der Zugangssicherung und der Sicherung der Beweisführung, sei nämlich das Einwurf-Einschreiben dem Übergabe-Einschreiben zumindest gleichwertig. Denn bei einem Übergabe-Einschreiben erhalte der Empfänger oder ein sonstiger Empfangsberechtigter die Sendung nur gegen Unterschrift ausgehändigt. Werde der Empfänger und auch ein sonstiger Empfangsberechtigter nicht angetroffen, halte die Deutsche Post AG nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Sendung innerhalb einer Frist von sieben Werktagen (einschl. Samstage), beginnend mit dem Tag, der auf die versuchte Erstablieferung folgt, zur Abholung bereit. Um die Abholung sicherzustellen, werde ein Benachrichtigungsschein in den Briefkasten des Empfängers eingelegt. Dieser Schein unterrichte den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliegt. Holt der Empfänger das Einschreiben nicht innerhalb der Frist ab, ist es jedoch nicht im Sinne des § 130 BGB zugegangen, da der Zugang des Benachrichtigungsscheins den Zugang des Einschreibebriefs nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht ersetzen könne. Bei einem Übergabe-Einschreiben bestehe damit das Risiko, dass der Zugang nicht bewirkt werden könne, wenn der Empfänger die Sendung trotz Benachrichtigung nicht abholt.

Zu diesen Zugangsschwierigkeiten könne es jedoch beim Einwurf-Einschreiben nicht kommen. Diese Form des Einschreibens werde im Unterschied zum Übergabe-Einschreiben nicht persönlich gegen Unterschrift an den Empfänger ausgehändigt. Die Ablieferung erfolge vielmehr in diesem Fall durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers. Für den Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB genüge es jedoch, wenn das Schreiben so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies sei beim Einlegen in den Briefkasten des Empfängers der Fall.

Anmerkung

Der BGH begründet seine – nachvollziehbare – Entscheidung gegen die wohl herrschende Meinung in der Literatur juristisch schulmäßig unter Nutzung des gesamten Auslegungskanons der juristischen Methodenlehre: Angefangen bei der Sach- und Rechtslage bei Erlass des Gesetzes im Jahre 1892 bis hin zum Sinn und Zweck der Norm. Dies mag auf den ersten Blick anhand der Fragestellung überzogen erscheinen, liest sich aber zum einen stringent und gibt gleichwohl Anlass zum Schmunzeln. Da es für betroffene Gesellschaften und Gesellschafter aber im Einzelfall um Einiges gehen dürfte, ist die Klarstellung auch für die Praxis zu begrüßen.

(BGH, Urt. v. 27.9.2016 – II ZR 299/15)

Stephen-Oliver Nündel, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main

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