Juni 2015 Blog

Vorsicht bei satzungsändernden Beschlüssen im Rahmen der Hauptversammlung

Wird in der Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft (AG) auch nur ein Beschluss gefasst, für den das Aktiengesetz (AktG) wenigstens eine Dreiviertelmehrheit vorsieht, wie es bei einem satzungsändernden Beschluss der Fall ist, muss die gesamte Niederschrift der Hauptversammlung notariell aufgenommen werden.

Sachverhalt

Im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft (AG) waren mehrere Beschlüsse gefasst worden, von denen einer eine Satzungsänderung betraf. Über diesen Beschluss war eine notariell beurkundete Niederschrift aufgenommen worden, die anderen Beschlüsse wurden privatschriftlich protokolliert. Eine Aktionärin klagte auf Feststellung, dass sämtliche auf der Hauptversammlung gefassten und von ihr angegriffenen Beschlüsse , einschließlich des Satzungsänderungsbeschlusses, nichtig seien. Zwar sei der Satzungsänderungsbeschluss, wie § 179 Abs. 2 S. 1 AktG es vorsieht, durch notariell beurkundete Niederschrift aufgenommen worden. Richtigerweise aber hätte die gesamte Niederschrift der Hauptversammlung notariell aufgenommen werden müssen. Das Landgericht gab der Klägerin Recht, das in der Berufungsinstanz angerufene OLG Jena bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Entscheidung

Wie auch das Landgericht beruft sich das OLG Jena zur Begründung der Nichtigkeit sämtlicher angegriffener Beschlüsse auf die Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach jeder Beschluss der Hauptversammlung durch eine über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden ist. Zwar regele § 130 Abs. 1 S. 3 AktG, dass bei nichtbörsennotierten Gesellschaften eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu unterzeichnende (einfach-schriftliche) Niederschrift ausreiche, soweit keine Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt.

Es gelte jedoch der Grundsatz der Unteilbarkeit der Hauptversammlung und der Unteilbarkeit des Hauptversammlungsprotokolls. Dieser verlange, dass im Fall auch nur eines einzigen gefassten Beschlusses, für den wenigstens eine drei Viertel Mehrheit des vertretenen Grundkapitals gesetzlich erforderlich ist (wie gemäß § 179 Abs. 2 S. 1 AktG ein Satzungsänderungsbeschluss) die gesamte Niederschrift der Hauptversammlung notariell aufgenommen werden müsse. Geschehe dies nicht, seien auch diejenigen Beschlüsse nichtig, für die das AktG keine entsprechende Mehrheitsquote vorschreibt.
Hierfür spreche bereits § 130 Abs. 5 AktG, der voraussetze, dass lediglich eine einzige Niederschrift über die Hauptversammlung gefertigt und beim Handelsregister eingereicht wird. Dafür spreche auch, dass ein beurkundungsbedürftiger Sachbeschluss nicht sinnvoll von einem zu diesem gehörigen, ebenfalls beurkundungsbedürftigen Verfahrensbeschluss getrennt werden könne, ebenso wenig wie von einer Beurkundung nach § 131 Abs. 5 AktG (Protokollierung der Frage und des Grundes der Ablehnung eines Auskunftsgesuchs eines Aktionärs im Rahmen der Hauptversammlung) und der Beurkundung eines Widerspruches gemäß § 245 Nr.1 AktG (zu Protokoll gegebener Widerspruch eines Aktionärs gegen eine Beschlussfassung im Rahmen der Hauptversammlung), welcher während der gesamten Dauer der Hauptversammlung in zulässiger Weise erhoben werden kann.

Die Hauptversammlung bilde eine Einheit, die entweder insgesamt notariell zu beurkunden oder, soweit zulässig, privatschriftlich zu protokollieren sei. Die Anwendung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Protokolls über die Hauptversammlung führe daher zu dem Ergebnis, dass nicht nur diejenigen Beschlüsse, die lediglich privatschriftlich protokolliert worden waren, sondern auch der satzungsändernde Beschluss, welcher zum Gegenstand des notariell beurkundeten Protokollteiles geworden war, als Ganzes nicht der notwendigen Form genügen und nichtig sind. Andernfalls zerfiele die Niederschrift der Hauptversammlung gesetzeswidrig in verschiedene Teile.

Hinweis für die Praxis

Das OLG Jena macht sich in seinem Urteil die weit überwiegende Mehrheit des aktienrechtlichen Schrifttums zu Eigen und sollte von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften zum Anlass genommen werden, geplante Beschlussfassungen im Rahmen ihrer nächsten Hauptversammlung auf das Erfordernis einer notariell beurkundeten Niederschrift hin zu prüfen. Bei Vorliegen auch nur eines (geplanten) solchen Beschlusses, ist die gesamte Hauptversammlung notariell zu protokollieren.

(OLG Jena, Urteil vom 16.04.2014 - 2 U 608/13)

Stephen-Oliver Nündel, Rechtsanwalt

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