Juli 2020 Blog

Äuße­rungs­be­fugnis von kommu­nalen Amts­trä­gern

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit seinem Urteil vom 29. Januar 2020 über die Äußerungsbefugnis von kommunalen Amtsträgern im Zusammenhang mit der Errichtung öffentlicher Einrichtungen gemäß Art. 21 GO entschieden. Die Entscheidung enthält eine begrüßenswerte Klarstellung zu der Frage, in welchem Rahmen Kommunen ihre Einrichtungen konzeptionieren und damit auch das Konzept verteidigen dürfen.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Berufung eines klagenden Politikwissenschaftlers gegen eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (VG München, Urteil vom 26. April 2018 – M 10 K 17.238). Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen auf ihn bezogene, in einem Antwortschreiben an eine Privatperson getroffene Äußerungen des Oberbürgermeisters der beklagten Landeshauptstadt München gewendet. Das VG München hatte bereits die Äußerung für rechtmäßig befunden und die Klage deshalb abgewiesen. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Äußerungen der Beklagten war auch Gegenstand der Berufungsinstanz. Der BayVGH musste sich insbesondere mit der Frage der rechtlichen Grenzen amtlicher Äußerungen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Museen als öffentliche Einrichtung gemäß Art. 21 GO befassen.

Entscheidung

Der BayVGH hat die Berufung zurückgewiesen und die Entscheidung des VG München bestätigt. Der Senat hat entschieden, dass die Äußerungen des Oberbürgermeisters im Gesamtzusammenhang noch zulässig seien. Die Äußerungen halten sich im Rahmen seiner aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Zuständigkeit für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und verletzen nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch des Klägers besteht daher nicht.

Prüfungsmaßstab

Amtsträger verfügen – in hoheitlicher Amtsausübung – nicht über Grundrechte; sie sind gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ausschließlich grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt. Bei Äußerungen, die in hoheitlicher Amtsausübung getätigt werden, können sich Amtsträger daher insbesondere nicht auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit von amtlichen Äußerungen ist insoweit weder die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil noch die Frage des Vorliegens von Schmähkritik maßgebend. Entscheidungserheblich ist vielmehr, welche Äußerungsbefugnis einem Amtsträger bei der Erfüllung von kommunalen (Verwaltungs-)Aufgaben zukommt. Dies hängt von den Vorgaben für den Betrieb der gemeindlichen Einrichtungen ab, auf die sich die gerügten Äußerungen beziehen.

Äußerungsbefugnis

Gemeinden haben nach Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln (kommunale Selbstverwaltungsgarantie). Hierunter fällt unter anderem die Schaffung und Erhaltung von Museen als öffentliche Einrichtung gemäß Art. 21 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 S. 1 GO. Zu der Schaffung und Unterhaltung eines Museums gehört es auch, die darin angesiedelte Dauerausstellung sowie die begleitenden Publikationen und sonstigen Vermittlungs- und Veranstaltungsformate anhand systematischer Kriterien zu erstellen und nach einem bestimmten inhaltlichen und methodischen Konzept auszurichten.

Bei der Ausgestaltung des konzeptionellen Ansatzes dürfen sich die kommunalen Amtsträger wissenschaftlicher Experten bedienen und sich in diesem Fall auch hinter das Urteil dieser Experten zurückziehen. Dabei ist die Kommune nicht verpflichtet, alle im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG geschützten (wissenschaftlichen) Meinungen formal gleich zu behandeln. Staat und Kommunen sind vielmehr berechtigt, insoweit auch wertende Unterscheidungen anhand von inhaltlichen Kriterien wie beispielsweise Qualität und Repräsentativität zu treffen (Recht zum Sortieren, Selektieren und Priorisieren). Im Rahmen der aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden legitimen Aufgabenwahrnehmung haben Amtsträger auch das Recht, ihr Ausstellungskonzept nach außen hin zu kommunizieren und es durch Äußerungen, die auch Dritte betreffen, zu bestätigen oder zu verteidigen. Hierzu gehört auch das Recht, zu den in der Fachöffentlichkeit vertretenen konkurrierenden Auffassungen wertend Stellung zu nehmen, soweit das Sachlichkeitsgebot beachtet und keine autoritative Entscheidung über die wissenschaftliche Richtigkeit eines bestimmten Forschungsergebnisses getroffen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass ein legitimes Ziel verfolgt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird.

Ob sich eine amtliche Äußerung im Rahmen dieser (kommunalen) Äußerungskompetenz hält, ist anhand des objektiven Sinngehalts der Äußerung zu ermitteln. Dabei sind neben Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch insbesondere auch der sprachliche Kontext und die Begleitumstände zu berücksichtigen. Insoweit hat der Senat vorliegend berücksichtigt, dass die Aussagen des Oberbürgermeisters der Beklagten nicht unaufgefordert, sondern als Reaktion auf die konkrete Anfrage einer Privatperson ergangen sind und die Aussagen den Rahmen der internen Kommunikation mit dieser Einzelperson nicht verlassen haben. Er hat ausgeführt, dass die Ablehnung wissenschaftlicher Thesen vor dem Hintergrund eines bestimmten Ausstellungkonzeptes die Schwelle zum Grundrechtseingriff nicht überschreitet. Hierin liege eine – das staatliche Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot wahrende – zulässige Differenzierung wissenschaftlich konkurrierender Thesen und gerade keine gezielte Diskreditierung in Gestalt einer wertenden Entscheidung über deren wissenschaftliche Richtigkeit.

(BayVGH, Urteil vom 29. Januar 2020 – 4 B 19.1354)

Katharina Fruth, Rechtsanwältin
München

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