Aktienrechtsnovelle 2012
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes beschlossen, der auf einen Referentenentwurf vom 2.11.2010 zurückgeht. Die nunmehr anstehende Änderung des Aktiengesetzes ist im Vergleich zu den zurückliegenden Reformen bescheiden.
In dem Entwurf geht es zum einen um Klarstellungen und kleinere Korrekturen, die Rechtsunsicherheiten in der Aktienrechtspraxis beilegen und Unternehmen Zweifelsfragen ersparen sollen. Zum anderen finden sich inhaltliche Änderungen, insbesondere folgende:
1. Relative Befristung von Nichtigkeitsklagen
Eine wichtige Änderung für das Recht der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage stellt die vorgesehene Einführung einer „relativen“ Befristung für Nichtigkeitsklagen von Aktionären dar (Nichtigkeitsklagen von Organen der AG sind nicht betroffen). Die Erhebung der Nichtigkeitsklage soll zwar grundsätzlich nach wie vor unbefristet möglich sein. Wurde aber gegen einen Beschluss der Hauptversammlung bereits eine Beschlussmängelklage („Ausgangsklage“) erhoben, so können (weitere) Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss nur innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Ausgangsklage erhoben werden. Auch das Nachschieben von Gründen in einem laufenden Verfahren ist nur innerhalb der Frist möglich. Auf diese Art und Weise sollen sogenannte „nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen“, die stellenweise vor allem in einem späten Stadium des Freigabeverfahrens nachgeschoben wurden, verhindert werden. Die Nichtigkeitsklagen hatten oftmals nur das Ziel, eine weitere Verzögerung zu erreichen (zB bei erfolgreichem Freigabeverfahren) oder bei geringem Prozessrisiko einem Kostenerstattungsanspruch zu sichern (wenn im Freigabeverfahren klar wurde, dass die Ausgangsklage Erfolg haben könnte). Vorgesehen ist, dass diese Regelung erstmals für solche Verfahren gilt, bei dem die Ausgangsklage nach dem Inkrafttreten des Gesetzes fristauslösend bekannt gemacht wurde.
2. Einschränkung für Inhaberaktien
Für neue Aktiengesellschaften, deren Satzung nach dem 21.12.2011 (der Tag des Kabinettsbeschlusses) notariell beurkundet wurde, sieht der Entwurf eine Neuregelung im Hinblick auf Inhaberaktien vor. Künftig soll die Ausgabe von Inhaberaktien bei nicht börsennotierten (dh nicht im regulierten Markt notierten) Aktiengesellschaften nur noch zulässig sein, wenn die Aktienrechte bei ausgeschlossener Einzelverbriefung in einer Sammelurkunde verbrieft sind und diese dauerhaft bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt ist. Hinter der Regelung steht die Hoffnung, durch Erhöhung der Beteiligungstransparenz die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verbessern zu können. In diesem Zusammenhang steht die Klarstellung, wonach eine Pflicht zum Führen des Aktienregisters auch bei fehlender Verbriefung der Aktienrechte besteht, sowie die Aufhebung des § 24 AktG, wonach die Satzung dem Aktionäre das Recht einräumen kann, seine Inhaberaktie in eine Namensaktie umzutauschen oder umgekehrt.
3. „Umgekehrte Wandelschuldverschreibung“
Im Hinblick auf die Finanzierung der Aktiengesellschaft soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei einer Wandelanleihe auch ein Umtauschrecht zu Gunsten der Gesellschaft (und nicht nur, wie bisher, zu Gunsten der Gläubiger) zu vereinbaren und bedingtes Kapital zu schaffen. Wandelanleihen können daher nunmehr grundsätzlich ein Wandlungsrecht sowohl für den Schuldner als auch für den Gläubiger vorsehen. Im Hinblick auf eine verbesserte Sanierungsmöglichkeit soll ferner geregelt werden, dass die bisherige Höchstgrenze von 50% des Nennbetrages des Grundkapitals für eine bedingte Kapitalerhöhung nicht gilt, wenn es um ein Umtauschrecht geht, das der Gesellschaft aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zusteht. Für Institute im Sinne des KWG soll es eine noch weitergehende Regelung geben.
4. Nachzahlung bei Vorzugsaktien
Eine weitere inhaltliche Änderung findet sich im Zusammenhang mit Vorzugsaktien ohne Stimmrecht. Hier geht es dem Gesetzgeber um eine Flexibilisierung. Die Aktiengesellschaften sollen die Möglichkeit erhalten, Vorzugsaktien auch ohne nachzahlbaren Vorzug auszugeben. Damit wird ein Wahlrecht eingeräumt, wobei beide Arten von Vorzugsaktien (mit und ohne Nachzahlung) nebeneinander ausgegeben werden können. Gleichzeitig sieht der Entwurf die Klarstellung vor, dass bei vor Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2012 beurkundeten Satzungen oder Beschlüssen die Vorzüge nachzuzahlen sind, auch wenn dies in der Satzung oder dem Beschluss nicht ausdrücklich erwähnt wurde.
5. Gesellschaftsblätter
Vorgesehen ist in dem Entwurf weiter, dass es künftig nur noch auf die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger ankommt. Nur dadurch soll also künftig den Erfordernissen der Pflichtbekanntmachung Rechnung getragen werden können. Anderslautende Satzungsregelungen werden aber nicht unwirksam, so dass die Gesellschaft mit einer entsprechenden Satzungsregelung ihre Pflichtbekanntmachungen zudem in den anderen Gesellschaftsblättern bekannt machen muss. Dem entspricht, dass die Veröffentlichung in anderen Gesellschaftsblättern auch künftig möglich bleiben soll, was aber dann nur noch für freiwillige Bekanntmachungen Sinn macht.
6. Klarstellungen
Der Entwurf enthält schließlich noch einige Klarstellungen im Zusammenhang mit der Einberufung zur Hauptversammlung sowie die Beseitigung von Unklarheiten, die u.a. durch frühere Reformgesetze aufgetreten sind. Betroffen sind beispielsweise Regelungen zur Einberufung der Hauptversammlung oder zur Rechtsgrundlage der Berichtspflicht, der von den öffentlichen Eigentümern entsandte Aufsichtsräte unterliegen.
Rechtsanwalt Dr. Frank Süß