Arbeitszeitrecht 2025: Was von der neuen Bundesregierung zu erwarten ist
Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sieht unter anderem Neuerungen zur Arbeitszeiterfassung vor. Dies wird deutschen Unternehmen und ihren Beschäftigten in absehbarer Zukunft einige Umstellungen bringen. Hintergrund dieser Reforminitiativen sind die bereits 2019 getroffenen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18) sowie die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21) zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung. Zudem sind die neuen Regelungen im Lichte der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) zu sehen.
Der EuGH hatte bereits 2019 entschieden, dass Arbeitgeber ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ Zeiterfassungssystem einführen müssen. Auf nationaler Ebene traf das BAG im Jahr 2022 eine Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung und stellte fest, dass Arbeitgeber nach geltendem deutschen Recht bereits jetzt einer Pflicht zur Arbeitszeiterfassung unterliegen. Für diese Entscheidung musste das Gericht viel Kritik einstecken. Diese Rechtsprechung hat bei vielen Arbeitgebern für erhebliche Unsicherheiten gesorgt, zumal in der bisherigen Praxis häufig Vertrauensarbeitszeit mit eher sporadischen Arbeitszeitaufzeichnungen gelebt wird.
Der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Gesetzesentwurf wird voraussichtlich eine klare und unbürokratische Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung vorsehen, wobei insbesondere kleine und mittlere Unternehmen Übergangsfristen erhalten sollen. Gerade Letzteres ist begrüßenswert, da eine allzu rasche Einführung umfassender Zeiterfassungssysteme für viele Unternehmen kaum umsetzbar sein dürfte. Die Regierungsparteien haben angekündigt, für diese Unternehmen Erleichterungen in Form gestaffelter Umsetzungsfristen schaffen zu wollen. Auch das im Koalitionsvertrag genannte Stichwort „unbürokratisch” ist zu begrüßen, wenngleich abzuwarten bleibt, inwieweit sich der Gesetzgeber tatsächlich traut, eine unbürokratische Lösung zu schaffen. Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer dürfte es wünschenswert sein, wenn der durch eine Arbeitszeiterfassung zusätzlich entstehende Arbeitsaufwand möglichst gering ausfällt.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden die geplanten Änderungen zur Dauer der Arbeitszeit. So soll zukünftig eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit gelten. Anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden soll dann eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gelten. Damit wollen die Koalitionsparteien laut Koalitionsvertrag mehr Flexibilität für Betriebe und Beschäftigte im Einklang mit der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) schaffen. Gleichzeitig betont der Koalitionsvertrag, dass Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich bleibt, jedoch nur „ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie“. Diese Initiative ist zu begrüßen, da damit endlich den tatsächlichen Realitäten einer modernen Arbeitswelt Rechnung getragen wird. Inwieweit dies mit den jüngsten Vorgaben des EuGH und des BAG vereinbar ist, wird maßgeblich von den konkreten Ausgestaltungen der neuen gesetzlichen Regelungen abhängen, ist allerdings zweifelhaft.
Aus Arbeitgebersicht stellen sich nun verschiedene Fragen:
Welche technischen Anforderungen werden künftig gestellt? In welcher Form muss das elektronische Erfassungssystem implementiert werden? Und in welchem Umfang wird man von möglichen Erleichterungen oder Übergangsfristen profitieren können? Arbeitgeber sollten die Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren aufmerksam verfolgen, um rechtzeitig auf neue Vorgaben reagieren zu können. Bei der Implementierung eines elektronischen Zeiterfassungsystems muss auch sichergestellt werden, dass die Dokumentationspflichten in der betrieblichen Praxis umsetzbar bleiben. Insbesondere Betriebe mit flexiblen Arbeitszeitmodellen stehen vor der Herausforderung, Vertrauensarbeitszeit und erweiterte Erfassungspflichten in Einklang zu bringen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber eine möglichst unbürokratische Lösung schafft, die auch zukünftig flexible Arbeitszeiten ermöglicht.
Gleichzeitig wirft die angekündigte wöchentliche Höchstarbeitszeit Fragen hinsichtlich des Schutzes der Arbeitnehmergesundheit und der betrieblichen Organisation auf. Eine gewisse Flexibilisierung ohne die bisher geltende starre Begrenzung pro Tag mag attraktiv sein, gleichzeitig müssen aber Ruhezeiten und andere Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie gewahrt bleiben. Es ist zu erwarten, dass Betriebs- und Tarifpartner in Abstimmung mit den Gesetzesnovellen neue Modelle entwickeln, um den Spagat zwischen Flexibilität und Rechtskonformität zu meistern.
Unter dem Strich müssen sich Arbeitgeber möglicherweise schon in den kommenden Monaten auf konkretisierte Vorgaben einstellen. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH und des BAG zeigt, dass der Gesetzgeber unter Zugzwang steht, die Arbeitszeiterfassung rasch, klar und verlässlich zu regeln. Arbeitgeber sollten dieses Thema daher möglichst frühzeitig auf ihre Agenda setzen, sich zu den möglichen technischen Umsetzungen beraten lassen und im Einzelfall klären, welche Besonderheiten ihr Betrieb bei der Arbeitszeitaufzeichnung beachten muss.

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