Außerordentliche Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages
Sieht ein Geschäftsführeranstellungsvertrag vor, dass eine Kündigung auch aus vertraglich vereinbarten wichtigen Gründen zulässig ist, ist bei der Ausübung der Kündigung die zweiwöchige Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB zu beachten. Zudem sind die in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen auf einen GmbH-Geschäftsführer, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, grundsätzlich entsprechend anzuwenden.
Sachverhalt
Die Beklagte war ein als Einheits-GmbH & Co. KG organisiertes Technologieunternehmen, bei welchem die Beklagte 100 % der Gesellschaftsanteile der Komplementär-GmbH hielt. Der Kläger war mit einem Anteil von 0,6 % Kommanditist der Beklagten. Aufgrund eines mit der Beklagten geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrages war der Kläger zudem als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH tätig, wobei er hierbei auch die Geschäfte der Beklagten führte.
Für die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages mit dem Kläger sah der Geschäftsführeranstellungsvertrag eine Frist von 12 Monaten vor. Zudem enthielt der Anstellungsvertrag ohne weitere Bestimmungen über die Art und Weise der Kündigung Regelungen zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Als wichtiger Grund war hier u.a. die „Liquidation“ der Gesellschaft genannt.
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah vor, dass die Gesellschaft ihre Beschlüsse grds. mit einfacher Mehrheit fasst, wohingegen für die Änderung des Gesellschaftsvertrages eine Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich sein sollte. Zum Aufsichtsrat fand sich in dem Gesellschaftsvertrag u.a. die Regelung, dass dieser sämtliche Aufgaben und Befugnisse eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft haben solle sowie das Recht, Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu bestellen, abzuberufen sowie den Abschluss, Änderung und Beendigung des jeweiligen Anstellungsvertrages vorzunehmen.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss am 8. März 2016 in Anwesenheit des Klägers einstimmig die sofortige Auflösung der Gesellschaft. Zudem wurde fast einstimmig die sofortige außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages (ggf. mittels Aufhebungsvereinbarung) mit dem Kläger beschlossen. Zugleich wurde der Vorsitzende des Aufsichtsrats umfassend bevollmächtigt, die Kündigung gegenüber dem Kläger zu erklären sowie alle notwendigen Maßnahmen für die Beendigung zu treffen. Am selben Tag beschloss auch die Komplementär-GmbH deren Auflösung sowie Abberufung des Klägers als Geschäftsführer.
Mit Schreiben vom 22. März 2016 (dem Kläger zugegangen am 23. März 2016) kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten den Anstellungsvertrag mit dem Kläger unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 8. März 2016 außerordentlich zum 30. April 2016, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende den Anstellungsvertrag mit dem Kläger vorsorglich erneut wegen Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Bezugnahme auf einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss.
Entscheidung des BGH
Aus Sicht des BGH wurde der Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten weder durch die außerordentliche Kündigung vom 22. März 2016 noch vom 7. Juni 2016 vor dem 30. Juni 2016 beendet.
Kündigung vom 22. März 2016
Kündigungserklärungsfrist § 626 Abs. 2 BGB
Bei der Kündigung vom 22 März 2016, gestützt auf die „Liquidation“ der Gesellschaft, handele es sich um eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Dies habe zur Folge, dass die Beklagte die in § 626 Abs. 2 BGB normierte Erklärungsfrist von 2 Wochen ab Kenntnis habe wahren müssen, welche auch für vertraglich vereinbarte wichtige Kündigungsgründe gelte. Der Kündigung werde durch die mit dieser verbundenen Auslauffrist bis zum 30. April 2016 nicht ihre Eigenschaft als außerordentliche Kündigung genommen, da mit dieser – wie sich dem Kündigungsschreiben sowie dem der Kündigung beigefügten Beschluss der Beklagten vom 8. März 2016 entnehmen lässt – gleichwohl außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden sollte. Zudem blieb die Auslauffrist hinter der für die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages vorgesehenen Frist von 12 Monaten zurück. '
Aus Sicht des BGH stehe der Einhaltung der in § 626 Abs. 2 BGB vorgesehenen Kündigungserklärungsfrist auch nicht entgegen, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag diese nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt. Da die Parteien im Rahmen des Anstellungsvertrages lediglich einzelne wichtige Gründe ohne die Modalitäten der außerordentlichen Kündigung geregelt hatten, bleibe es im Übrigen bei den gesetzlichen Anforderungen – somit auch bei der aus § 626 Abs. 2 BGB resultierenden Erklärungsfrist.
Zeitpunkt der Ingangsetzung der Kündigungserklärungsfrist
Nach Auffassung des BGH war die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, wonach der außerordentliche Kündigungsgrund der „Liquidation“ nicht an die Vollbeendigung, sondern die Beschlussfassung über die Auflösung der Gesellschaft anknüpft, nicht zu beanstanden, sodass es für die die Zweiwochenfrist in Gang setzende Kenntnis im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB allein auf den Tag ankam, an welchem die Auflösung der Beklagten durch deren Gesellschafterversammlung beschlossen wurde.
Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist wurde allerdings nicht gewahrt. Maßgeblich sei der Zugang der Kündigungserklärung. Dieses Erfordernis sei hier aus Sicht des BGH nicht bereits mit der Anwesenheit des Klägers bei der Beschlussfassung über seine Kündigung erfüllt. Zwar könne die Beschlussfassung und die Umsetzung der getroffenen Entscheidung grundsätzlich in einem Akt zusammenfallen. Dies setze allerdings voraus, dass der Beschluss über den Willensbildungsakt „Kündigung“ bereits die Erklärung derselben gegenüber dem zu kündigenden Geschäftsführer enthält, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.
Maßgebliche Kündigungsfristen
Infolge der Verfristung der Kündigung kam es daher nicht auf die vom Berufungsgericht als entscheidungserheblich angesehene Frage an, welche Kündigungsfristen auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, anzuwenden sind. Nichtsdestotrotz stellte der BGH fest, dass die Rechtsprechung des BAG – welches in diesem Fall die Kündigungsfristen für freie Dienstverhältnisse gemäß § 621 BGB für einschlägig erachtet – der bisherigen Rechtsprechung des BGH (an welcher der BGH festhält) widerspricht, wonach auf Geschäftsführer, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse (§ 622 Abs. 1 und 2 BGB) entsprechend anzuwenden sind. Dies gelte laut dem BGH auch dann, wenn wie hier der Geschäftsführer der Komplementärin den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat.
Kompetenz der Gesellschafterversammlung
Unschädlich sei es dagegen gewesen, dass die Gesellschafterversammlung die Kündigung des Klägers beschlossen hat. Zwar sollte nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten der Aufsichtsrat das Recht haben, die Geschäftsführer der Beklagten zu bestellen und abzuberufen sowie den Abschluss, die Änderung und die Beendigung des jeweiligen Anstellungsvertrags vorzunehmen. Diese Kompetenz habe die Gesellschaftsversammlung allerdings an sich gezogen, indem sie mit der für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Mehrheit von 75 % der Stimmen über die Kündigung des Klägers Beschluss gefasst hat. Ein rein deklaratorischer Beschluss sei hierin nicht zu sehen, da sich in diesem kein Hinweis auf den Vorbehalt einer noch zu treffenden Entscheidung des Aufsichtsrats über die Kündigung befunden habe.
Maßgeblich für den Beginn der Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB sei damit auch allein die Kenntnis der Gesellschafterversammlung der Beklagten als für die Entscheidung (nun) zuständiges Organ gewesen.
Kündigung vom 7. Juni 2016
Die außerordentliche Kündigung vom 7. Juni 2016 sei aus Sicht des BGH bereits mangels nötigender Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers und damit Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam gewesen.
(BGH, Urteil vom 5.11.2024 – II ZR 35/23)

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