Bald für jeden relevant: Anzeigepflichten für Intermediäre
Am 9. Oktober hat das Bundeskabinett den „Gesetzesentwurf zur Einführung einer Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen“ beschlossen. Obwohl die Meldepflicht erst ab dem 1. Juli 2020 greift, besteht bereits jetzt dringender Handlungsbedarf für Unternehmen und Berater.
Hintergrund
Mit dem Gesetz soll die am 25. Juni 2018 geänderte EU-Richtlinie 2011/16/EU umgesetzt werden. Meldungen müssen dann zwar erst ab dem 1. Juli 2020 erfolgen, allerdings müssen sämtliche meldepflichtigen Gestaltungen seit dem 25. Juni 2018 gemeldet werden.
Die Meldepflicht
Eine Meldepflicht besteht sowohl für sog. Intermediäre als auch die Nutzer von Steuergestaltungen, also diejenigen, für die eine solche Gestaltung konzipiert und/oder umgesetzt wird. Die Definition des Intermediärs umfasst dabei keineswegs nur Angehörige der steuerberatenden Berufe oder unmittelbar „steuerbezogene Tätigkeiten“, sondern auch Finanzdienstleister und andere Berater (z.B. Family-Offices oder Anlageberater). Intermediär ist darüber hinaus jeder, der eine Steuergestaltung vermarktet, konzipiert, organisiert etc.
Meldepflichtig sind ausschließlich grenzüberschreitende Gestaltungen. Dies erfordert, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten oder ein EU-Mitgliedstaat und ein oder mehrere Drittstaaten sowie eine relevante Steuerart (Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer, nicht hingegen Umsatzsteuer oder Einfuhrabgaben) betroffen sind und mindestens ein besonderes Kennzeichen vorliegt. Die Kennzeichen unterfallen zwei Kategorien. Liegt ein Kennzeichen der ersten Gruppe vor, hat zusätzlich eine Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob Hauptvorteil der Gestaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Nur in diesem Fall besteht die Meldepflicht. Wesentliche Kennzeichen der ersten Gruppe sind standardisierte Strukturen, unangemessene Gestaltungen zur Verlustnutzung, Einbeziehung sog. Steueroasen oder Präferenzregime und zirkuläre Transaktionen. Aber auch das sehr weit gefasste Merkmal der Umwandlung von Einkünften in nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen indiziert eine Meldepflicht. Bei Vorliegen eines Kennzeichens der zweiten Gruppe ist der Vorgang stets meldepflichtig. Wesentliche Kennzeichen der zweiten Gruppe sind der mehrfache Abzug von Abschreibungen oder die Erzielung „weißer Einkünfte“; Transaktionen, bei denen der wirtschaftliche Eigentümer verschleiert wird sowie Briefkastenstrukturen oder unilaterale Safe-Harbor-Regeln genutzt werden. Weiter fallen bspw. Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen mit Zahlungsempfänger in einem nicht kooperierenden Steuerhoheitsgebiet oder Vermögensübertragungen zwischen Hoheitsgebieten mit wesentlich unterschiedlichen Bewertungen in diese Kategorie. Insgesamt sind die tatbestandsauslösenden Merkmale weit gefasst und erfassen eine Vielzahl nicht originär steuergetriebener Vorgänge bzw. auch solche, die „nach dem Gesetz zulässig“ sind. Zwar sollen nach dem Gesetzesentwurf eben solche erlaubten Gestaltungen nicht meldepflichtig sein. Da sich dies aber gleichfalls nicht eindeutig bestimmen lässt, hat im Zweifel eine Meldung zu erfolgen.
In Deutschland erfolgt die Mitteilung elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Meldepflichtig ist zunächst immer der Intermediär, der relevante Informationen zur eigenen Person sowie die Gestaltung betreffend mitzuteilen hat. Die zweite Stufe betrifft u.a. persönliche Informationen über den Nutzer sowie den wirtschaftlichen Wert der Gestaltung. Insoweit sind Intermediäre grundsätzlich nicht meldepflichtig, wenn sie einer gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen (wie Rechtsanwälte oder Steuerberater), es sei denn, der Nutzer hat sie von dieser Verpflichtung entbunden. Über diese Möglichkeit sowie die alternative Verpflichtung, selbst die relevanten Informationen zu melden, muss der Intermediär den Nutzer aufklären. Eine Mehrfachmeldung in verschiedenen Mitgliedstaaten hat grds. nicht zu erfolgen. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass ein Sachverhalt auf unterschiedlicher Grundlage und hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte in verschiedenen Mitgliedstaaten meldepflichtig sein kann. Die Handhabung im Einzelnen ist hier noch unklar.
Die Frist zur Meldung beträgt 30 Tage nach Bereitstellung der Gestaltung zur Nutzung, nachdem der Nutzer zur Umsetzung der Gestaltung bereit ist oder den ersten Schritt zur Umsetzung der Gestaltung getan hat, wobei das früheste Ereignis maßgeblich ist. Die Meldung für Gestaltungen ab 25. Juni 2018 hat ab dem 1. Juli 2020 und bis spätestens 31. August 2020 zu erfolgen. Für Gestaltungen, die ab dem 1. Juli 2020 umgesetzt werden, gilt die 30-Tages-Frist.
Welche Konsequenzen drohen bei Nichterfüllung?
Wer seinen Mitteilungspflichten vorsätzlich oder leichtfertig nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt oder unvollständige Daten übermittelt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 € geahndet werden. Abgesehen davon kann eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegen, die mit bis zu 50.000 € Bußgeld bedroht ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei einer grenzüberschreitenden Gestaltung die Möglichkeit besteht, dass wegen der Verletzung der Meldepflicht in mehreren Staaten jeweils ein Bußgeld festgesetzt wird. In Polen beispielsweise drohen Strafen bis zu 5 Mio. €. In Deutschland gelten die Sanktionsandrohungen allerdings erst für Gestaltungen, deren Umsetzung nach dem 30. Juni 2020 beginnt. Zu erfüllen ist die Verpflichtung natürlich dennoch.
Kritik
Sowohl nach der Richtlinie als auch dem Gesetzesentwurf bleiben wesentliche Fragen ungeklärt: Es lässt sich anhand der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe weder eindeutig abgrenzen, wer Intermediär, noch welche Gestaltung meldepflichtig ist. Unproblematisch sind sicher Fälle, in denen Steuersparmodelle als solche entwickelt und vertrieben werden. Im Grunde völlig offen ist aber, wie Verträge bzw. einzelne Klauseln mit steuerlichen Implikationen zu würdigen sind bzw. was genau in diesen Fällen zu melden ist. Prinzipiell unterfallen nach der weiten Definition sämtliche Transaktionen, die steuerliche Folgen haben – bspw. auch ein Share Deal bei einer Immobilientransaktion oder die Einlage einer Forderung in eine Tochtergesellschaft – der Meldepflicht. Diese erhebliche Rechtsunsicherheit erscheint vor dem Hintergrund der kurzen Fristen und drohenden Konsequenzen schwer hinnehmbar. Der mögliche Nutzen für den Fiskus und die immensen Compliance-Risiken für Nutzer und ggf. steuerlich unbedarfte Intermediäre stehen – zumindest dem reinen Wortlaut des Entwurfs nach – dabei außer Verhältnis. Es bleibt vor diesem Hintergrund, auf eine baldige Konkretisierung seitens Finanzverwaltung, jedenfalls aber eine Handhabung mit Augenmaß, zu hoffen.
Handlungsempfehlung
Zuvörderst muss geprüft werden, ob bereits Meldepflichten in anderen Mitgliedstaaten bestehen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das bislang nur in Polen der Fall. Im Hinblick auf die Meldepflicht in Deutschland ist angesichts der knapp bemessenen Fristen und drohenden Bußgelder zudem bereits jetzt zu prüfen, inwieweit mitteilungspflichtige Gestaltungen existieren oder geplant sind. Mittel- bis langfristig sind funktionsfähige Mechanismen zu etablieren, um die rückwirkende Meldepflicht zu erfüllen, insbesondere aber künftig fristgerecht der Meldepflicht nachkommen zu können.
Anna-Maria Drescher, Rechtsanwältin
Frankfurt am Main