BMJ-Leak: Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken
Vor wenigen Tagen wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken bekannt, mit dem das Justizministerium unter Leitung der liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger insbesondere Inkassoleistungen und die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen weiter reglementieren möchte. Der Koalitionspartner CDU hat sich bereits gegen den Entwurf ausgesprochen. Kritik kommt aber auch von anderer Seite.
Wie und vor allem warum der Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken an die Öffentlichkeit gelangte, gilt weiterhin als ungeklärt. Die Authentizität des Dokuments wurde offenbar aber vom Bundesministerium für Justiz bestätigt. Es ist damit klar, wie die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den bereits im letzten Jahr angekündigten Kampf gegen die „Abmahnindustrie" führen will. Auch ist damit klar, welche Geschäftspraktiken sich nach den Wertvorstellungen des liberalen Koalitionspartners als unseriös qualifizieren.
So sollen bei der Beitreibung von Forderungen künftig detaillierte Darlegungs- und Informationspflichten gelten. Der mit dem Forderungseinzug betraute Anwalt, aber auch sonstige mit dem Inkasso betraute Personen, sollen den Schuldner insbesondere über die Person des Auftraggebers, den Forderungsgrund einschließlich der wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses, die genaue Zins- und Kostenberechnung und darüber hinaus über die Abzugsfähigkeit von Vorsteuer aufklären. Man muss nicht unbedingt soweit gehen und eine jegliche Inkassotätigkeit durch den Gesetzesentwurf als unter Generalverdacht gestellt sehen. Feststellen muss man aber doch, dass der Entwurf, und zwar bußgeldbewehrt, allein den Schuldner zu schützen sucht, nicht denjenigen, der die vereinbarte Vergütung für bereits erbrachte Leistungen durchzusetzen sucht. Von Teilen der Anwaltschaft wird darüber hinaus bezweifelt, ob sich die Anforderungen des Referentenentwurfs mit der Grundpflicht des Anwalts vereinbaren lassen, nach der er nur den Interessen seines Mandanten verpflichtet ist. Auch der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) und Handelsverband Deutschland (HDE) haben den Entwurf scharf kritisiert und in Frage gestellt, ob Forderungsmanagement unter diesen Voraussetzungen überhaupt sinnvoll möglich ist, da erheblich mehr Daten gespeichert werden müssten.
Des Weiteren sollen nach dem Entwurf die Streitwerte für urheberrechtliche, aber auch für Streitigkeiten im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes reduziert werden. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Verletzer eine natürliche Person ist, das Werk nicht für seine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit nutzt (so für das Urheberrecht) bzw. ist der Streitwert angemessen zu mindern, wenn die Bedeutung der Sache für den Verletzer erheblich geringer zu bewerten ist (so im gewerblichen Rechtsschutz). Ob dieser Vorschlag die Interessen der Beteiligten angemessen in Einklang bringt, wird bezweifelt: Der private Verletzer wird auch bei Urheberrechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß privilegiert, solange er nur nicht gewerblich handelt; entscheidend ist also nicht, welchen Schaden der Rechteinhaber erleidet, der Entwurf stellt vielmehr auf die Motivationslage des Verletzers ab. Vergleichbares soll im gewerblichen Rechtsschutz gelten, wenn auch dort der Streitwert zu reduzieren ist, wenn nur die Sache für den Verletzer von geringerer Bedeutung ist, also auch dort ohne Ansehen des dem Verletzten entstandenen Schadens. Ob unter diesen Umständen die berechtigten Interessen der Rechteinhaber überhaupt (angemessen) durchgesetzt werden können und ob diese Rahmenbedingungen mit grundrechtlichen Gewährleistungen vereinbar sind, mag bezweifelt werden.
Weitere Änderungen sieht der Entwurf für die Einholung datenschutzrechtlicher Einwilligungen vor, und zwar AGB-rechtliche Schranken und Anforderungen. Im Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb sollen die Anforderungen an elektronische Werbung weiter verschärft und den Abgemahnten weitergehende Rechte eingeräumt werden. Hierzu zählen ein Ersatzanspruch bei missbräuchlicher Abmahnung, die Möglichkeit der Streitwertreduzierung und die weitgehende Abschaffung des so genannten „fliegenden Gerichtsstandes", so dass künftig gerichtliche Schritte nur noch in Ausnahmefällen bei dem Gericht geltend gemacht werden können, in dessen Bezirk die Rechtsverletzung begangen wurde. Grundsätzlich soll nur noch das Gericht am Sitz des Gegners zuständig sein.
Nicht nur wegen des Widerstandes der CDU wird der Entwurf in der vorliegenden Form sicherlich nicht verabschiedet werden. Vielmehr stellen sich zu viele (auch berechtigte) Fragen und kann kaum übersehen werden, dass in weiten Teilen der eigentlichen Frage aus dem Weg gegangen wird: Wenn Urheberrecht, gewerblicher Rechtsschutz oder Datenschutz als inkompatibel mit den so genannten „Neuen Medien" empfunden werden, dann sollten die diesbezüglichen gesetzlichen Gesetze geändert und nicht Beschränkungen für den Umgang geschaffen werden, den diese Gesetze gebieten. Dabei dürfen vor allem aber auch die berechtigten Interessen der Rechteinhaber nicht vernachlässigt werden, deren Rechte nun einmal massenhaft verletzt werden, und zwar durch gewerblich handelnde Personen ebenso wie private.
(Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz - Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, Bearbeitungsstand: 12.03.2012)
Rechtsanwalt Christian Kusulis