Die Übersendung angepasster Bauablaufpläne ist keine preisändernde Bauanordnung nach der VOB/B
Bei Störungen am Bau aufgrund von Behinderungen, die zu einer Bauzeitverlängerung führen, besteht kein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B durch das bloße Übersenden neuer Bauablaufpläne. Die Übergabe einer korrigierten Bauablaufplanung im Falle einer Bauzeitverzögerung stellt nämlich keine Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, da keine Anweisung des Bauherrn erfolgt ist.
Sachverhalt
Der Beklagte beauftragte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung im Juni 2018 unter Einbeziehung der VOB/B (2016) mit dem Bau einer Starkstromanlage. In den Vertragsbedingungen des Beklagten, die Teil der Ausschreibungsunterlagen waren, waren ein Ausführungsbeginn am 19.06.2018 und eine abnahmereife Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin am 10.01.2019 vorgesehen.
Anfang Juli 2018 meldete die Klägerin eine Baubehinderung wegen fehlender Ausführungsplanung des Beklagten. Ende Juli 2018 schickte der Beklagte sodann einen Bauablaufplan. Am 31.01.2019 übermittelte er der Klägerin dann einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Ausführung. Dieser sah eine Verschiebung der Abnahme vor. In der Zwischenzeit kam es zu weiteren fünf Baubehinderungen, die die Klägerin rügte. Die finale Abnahme fand dann im November 2019 statt.
Die Klägerin forderte von dem Beklagten die Mehrkosten in Höhe von rund 57.000,00 EUR für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ein.
Entscheidung
Der Senat des BGH lehnt einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gem. § 2 Abs. 5 VOB/B wegen Verlängerung der Bauzeit ab.
Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist eine Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung. Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach den §§ 133, 157 BGB.
Danach ist § 2 Abs. 5 VOB/B dahin auszulegen, dass eine Anordnung eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers beinhalten muss, mit der eine einseitige Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers beabsichtigt ist.
Soweit eine Störung des Vertrages aufgrund einer Behinderung vorliegt, die zu einer tatsächlichen Bauzeitverzögerung führt, und der Auftraggeber dem Auftragnehmer sowohl die Art der Behinderung als auch die Konsequenz mitteilt, dass die Leistungen momentan nicht erbracht werden können, stellt dies aus Sicht des BGH keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar.
Ebenso gelten die Übermittlung der Bauablaufpläne im Juli 2018 und der korrigierten Bauablaufpläne im Januar 2019 nicht als Anordnungen gemäß dieser Vorschrift, da diese lediglich als Reaktion auf die behinderungsbedingten Vertragsstörungen dienen. Die Übergabe der aktualisierten Bauablaufpläne erfüllt lediglich die Koordinierungsaufgabe des Auftraggebers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B, ohne dass dabei eine eigenständige rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben wird.
In diesen Fällen können sich vielmehr Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen aus § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B bzw. § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB ergeben, wenn der Auftraggeber seinen vertraglichen Verpflichtungen oder Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.
Ein Anspruch nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung durch Umstände verursacht wurde, die auf einer Pflichtverletzung des Auftraggebers beruhen. In dem hier zu entscheidenden Fall konnte der Senat des BGH eine solche adäquat-kausale Pflichtverletzung des Auftraggebers nicht erkennen, da die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit von der zurechenbaren objektiven Pflichtverletzung nicht erfasst wird. Umstände, die aus der Risikosphäre des Auftraggebers stammen und nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht für die Begründung dieses Anspruchs.
Insoweit verbleibt für den Fall einer Obliegenheitsverletzung allein ein Anspruch aus § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB, welcher für den Auftragnehmer einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung bereithält, sofern der Auftraggeber seine Mitwirkungsobliegenheit verletzt und dadurch in Annahmeverzug gerät. Dabei trägt jedoch der Auftragnehmer die Darlegungslast für die Voraussetzungen des Anspruchs, derer die Klägerin nach Auffassung des BGH vorliegend nicht nachgekommen ist.
Praxishinweis
Der Bausenat des BGH bestätigt erneut seine strikte Haltung, indem er Behinderungen und deren Auswirkungen auf die Bauzeit als Teil der Koordinationsverantwortung des Auftraggebers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B einstuft und keine Mehrvergütungsansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B zulässt. Für Auftragnehmer bedeutet dies eine Verschärfung, da die gerichtliche Durchsetzung von bauzeitbedingten monetären Ansprüchen schwieriger wird, wenn es keine konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu den Folgen von leistungshindernden Umständen gibt. Es bleibt jedoch der Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B, der den Ersatz eines nachweislich entstandenen Schadens vorsieht, wenn der Vertragspartner für die hindernden Umstände verantwortlich ist. Bei § 2 Abs. 5 VOB/B wäre ein solcher Verschuldensnachweis nicht erforderlich. Auch Entschädigungsansprüche nach § 642 BGB bleiben bestehen, sind jedoch auf Grund der erforderlichen konkreten bauablaufbezogenen Darstellung schwieriger zu begründen als ein Anspruch auf Mehrvergütung.
Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass eine umfassende Dokumentation wichtig ist, um im Streitfall die jeweilige Behinderung, vor allem den die Dauer dieser, darlegen zu können. Für eine derartige Aufbereitung sind zwingend Behinderungsanzeigen sowie Abmeldungen zu den jeweiligen Behinderungen erforderlich.
Konkrete Pflichten des Auftraggebers sollten, soweit dies möglich ist, direkt in dem Vertrag als solche definiert werden, damit es sich nicht mehr um bloße Obliegenheiten des Auftraggebers handelt.