November 2025 Blog

Wirecard- BGH hat entschieden

Im Wirecard-Insolvenzverfahren haben ca. 52.000 Aktionäre Schadensersatzansprüche über ca. 8,5 Mrd. EUR zur Tabelle angemeldet. Bisher nicht geklärt war, ob Aktionäre, denen aufgrund der Täuschungen rund um Wirecard ein Schadensersatzanspruch zusteht, diesen als einfache Insolvenzgläubiger anmelden können oder ob sie als Gesellschafter nur etwaige Überschüsse, nach der vollständigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger erhalten. Das OLG München hatte ein Urteil des LG München aufgehoben und „vorrangige“ Schadensersatzansprüche im Rang einfacher Insolvenzgläubiger angenommen (wir berichteten). Nunmehr hat der BGH den Sachverhalt höchstrichterlich geklärt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaft, die in den Jahren 2015 bis 2020 Aktien der Wirecard AG erwarb und einen Großteil davon wieder veräußerte. Am 18. Juni 2020 hielt sie noch mehr als 73.000 Aktien. Sie macht geltend, Wirecard habe ein tatsächlich nicht existentes Geschäftsmodell vorgetäuscht und über seine wirtschaftliche Lage getäuscht. Ohne diese Irreführung hätte sie die Aktien nicht gekauft.

Die Klägerin meldete deshalb Schadensersatzforderungen in Höhe von rund 9,8 Millionen Euro als einfache Insolvenzforderungen zur Tabelle an. Im Prüfungstermin bestritten sowohl der Insolvenzverwalter als auch die Vertreterin der Anleihegläubiger die Qualifizierung als einfache Forderung. Sie vertraten die Auffassung, Aktionäre seien nachrangig und könnten nur berücksichtigt werden, wenn nach Abschluss des Verfahrens ein Überschuss verbleibe.

Entscheidung

Der BGH hat auf die Revision des beklagten Insolvenzverwalters unter Aufhebung des Berufungsurteils die Klage abgewiesen und die geschädigten Anleger auf etwaige (nicht zu erwartende) Überschüsse nach Verteilung der Insolvenzmasse (an die einfachen Insolvenzgläubiger) verwiesen. 

Er hat zur Begründung angeführt, dass nicht der Anspruch über den insolvenzrechtlichen Rang entscheide, sondern die Insolvenzordnung über den Rang des Anspruches. Jedenfalls dann, wenn ein Gläubiger seinen Anspruch aufgrund seiner Stellung als Eigenkapitalgeber der Gesellschaft geltend macht, ist diese Forderung nachrangig hinter den Forderungen der einfachen Insolvenzgläubiger. 

Auch der kapitalmarktrechtliche Schadensersatzanspruch des Aktionärs, der durch einen Betrug zur Beteiligung an der Gesellschaft veranlasst wurde, unterscheide sich grundlegend von Ansprüchen einfacher Insolvenzgläubiger. Zweck des Rechtsgeschäftes sei der Erwerb der Beteiligung gewesen, so dass dieser Umstand ausschlaggebend für den insolvenzrechtlichen Rang sei und nicht der Täuschungsvorgang, dass er sich an der Gesellschaft beteiligt hat.

Praxishinweis

Der BGH hat zumindest für den kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzanspruch einen Schlussstrich in der Diskussion zwischen den zwei Meinungen gezogen, die sich jeweils in den Urteilen der Vorinstanzen widergespiegelt haben. Diese Rechtsprechung dürfte künftig immer dann maßgeblich sein, wenn ein an sich nachrangiger Gläubiger versucht, seine gesetzlich angeordnete Nachrangstellung über einen Schadensersatzanspruch in den Rang eines „normalen“ Insolvenzgläubigers anzuheben.

(BGH, Urt. v. 13.11.2025, IX ZR 127/24)

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!