Oktober 2019 Blog

D&O-Ver­siche­rung kann im Schadens­ersatz­prozess bei­treten

In einem Schadensersatzprozess wegen Organhaftung kann die D&O-Versicherung dem Prozess als Streithelfer (Nebenintervenient) beitreten, wie das OLG Hamm unlängst entschieden hat. Zur Begründung verweist das Gericht u.a. auf die Möglichkeit des Zusammenspiels von geschädigter Gesellschaft und Organ zwecks Inanspruchnahme der D&O-Versicherung („freundliche Inanspruchnahme“).

Sachverhalt

Die Entscheidung des OLG Hamm bezieht sich auf ein Verfahren, in dem eine Aktiengesellschaft gegen ihre ehemaligen Aufsichtsratsmitglieder Schadensersatzansprüche gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 S. 1 AktG in Höhe von ca. EUR 56,8 Mio. geltend gemacht. Den Mitgliedern des Aufsichtsrates wird vorgeworfen, einen Schaden bei der Gesellschaft dadurch herbeigeführt zu haben, dass eine notwendige Zustimmung des Aufsichtsrates (zum Verkauf von Aktien) pflichtwidrig zu spät erteilt wurde.

Die Gesellschaft hatte bei zwei Versicherungsunternehmen D&O-Versicherungen abgeschlossen. Zu den versicherten Personen gehören auch die Mitglieder des Aufsichtsrates. In dem Beschluss des OLG Hamm geht es allein um die - von der Vorinstanz (LG Bielefeld, Urt. v.  8.1.2019 – Az. 12 O 71/16) verneinte - Frage, ob die beiden D&O-Versicherungen das Recht haben, dem Prozess beizutreten, so dass neben der Klägerin und den Beklagten eine weitere (juristische) Person an dem Prozess beteiligt ist. Nach § 66 Abs. 1 ZPO ist das möglich, wenn derjenige, der beitreten möchte ("Streithelfer“), ein entsprechendes „rechtliches Interesse“ hat. Ein solches ist gegeben, wenn sich der Prozess auf ein Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und der von ihm unterstützten Partei rechtlich auswirken kann.

Entscheidung

Die Möglichkeit einer solchen Auswirkung hat das OLG Hamm bejaht, da eine rechtskräftige Entscheidung in dem Organhaftungsprozess für etwaige Ansprüche gegen die D&O-Versicherung eine Bindungswirkung entfaltet (ebenso bereits OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 12.5.2015 – 11 W 28/13). In dem Beschluss wird daher der Beitritt der beiden D&O-Versicherungen für zulässig erklärt.

Unerheblich sei dabei nach Auffassung des OLG Hamm, inwieweit die beiden D&O-Versicherungen auch die vertraglich eingeräumte Befugnis haben, den Schadensersatzprozess für die verklagten Mitglieder des Aufsichtsrates zu führen. Insoweit sei maßgeblich, dass ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Prozessführung als solcher und der Unterstützung als Streithelfer bestehe. Daher muss es „grundsätzlich der Disposition des Haftpflichtversicherers unterliegen, ob er von der Befugnis Gebrauch macht, lediglich den Haftpflichtprozess (…) für diesen zu führen oder ob er sich in der besonderen verfahrensrechtlichen Rolle des Nebenintervenienten mit teilweise anderweitigen Rechten und Pflichten einbringen möchte.“

Ergänzend weist das OLG Hamm darauf hin, dass die Versicherungspolicen der D&O-Versicherungen auch „kein umfassendes Weisungsrecht gegenüber den Beklagten vor(sehen), das es ermöglicht, die Umsetzung erteilter Weisungen unmittelbar sicherzustellen“. Die in den Versicherungsbedingungen enthaltenen Regelungen, den Rechtsstreit zu übernehmen und im Namen der versicherten Personen zu führen, würden es auch nicht ermöglichen, „an die Stelle der Beklagten zu treten, also, zumal auf Passivseite, einen Parteiwechsel herbeizuführen“.

Als weitere Begründung führt das OLG Hamm die Möglichkeit an, dass bei Bestehen einer D&O-Versicherung „der Geschädigte in Wahrheit nicht beabsichtigt, den Versicherten wegen des gegen ihn erhobenen Schadensersatzanspruchs persönlich haftbar zu machen und auf dessen persönliches Vermögen Zugriff zu nehmen, sondern lediglich den Versicherungsfall auslösen möchte (sog. „freundliche Inanspruchnahme“)“. In diesem Zusammenhang erläutert das Gericht, dass die in Anspruch genommenen Organe häufig nicht über ausreichendes privates Vermögen würden, um den jeweiligen Schadensersatzanspruch aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Dies könne dazu führen, dass das geschädigte Unternehmen die Organe (zulässigerweise) allein deshalb in Anspruch nimmt, um im Vollstreckungswege Zugriff auf den Anspruch der Organe gegen die D&O-Versicherung zu erhalten, während das Unternehmen „ohne entsprechende Versicherung von einer Inanspruchnahme des Schädigers gegebenenfalls absähe“.

Abschließend weist das OLG Hamm noch darauf hin, dass der Aspekt der Prozessökonomie sowie der Umstand, dass die Beteiligung der beiden D&O-Versicherungen für die Klägerin zu einem erhöhten Prozesskostenrisiko führe, dem Recht auf Beitritt nicht entgegengehalten werden könne. Zum einen könnte die Mitwirkung der streithelfenden D&O-Versicherungen im Ausgangsprozess dazu führen, dass ein weiterer, kostenträchtiger Deckungsprozess gegen die Versicherung gerade verhindert wird. Zum anderen könne die Frage der Prozesswirtschaftlichkeit aufgrund der „zivilprozessualen Dispositionsfreiheit der D&O-Versicherung“ letztlich auch nicht der entscheidende Maßstab sein.

(OLG Hamm, Beschluss vom 19.8.2019, Az. I-8 W 6/1)

Dr. Frank Süß, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main

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